In dieser Serie habe ich schon viele Gründe beleuchtet, warum Online Poker schwerer geworden ist. Ein äußerst gewichtiger kommt ganz zum Schluss: Die Rake.
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Was ist Rake überhaupt?
Beim Online-Poker werden aus jedem Pot circa 5% für den Anbieter einbehalten. Zumeist ist die Rake auf maximal $3 begrenzt und wird nur genommen, wenn es einen Flop gibt. Das klingt nicht nach sehr viel, macht aber über einen längeren Zeitraum einen substantiellen Betrag aus.
So zahlt zum Beispiel ein einzelner Spieler auf NL50 im Schnitt zwischen $1,70 und $2,00 Rake pro 100 Hände. Bei einem Monatspensum von 15.000 Händen (was nicht wirklich viel ist), gehen so schon zwischen $250 und $300 – also 5 bis 6 Buy-Ins – allein für die Rake an den Anbieter.
Mehr Infos über die Höhe der gezahlten Rake auf den verschiedenen Seiten kann man unseren Rake-Tabellen entnehmen.
Wie wirkt sich Rake auf die Poker-Ökologie aus?
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Zehn Spieler treten gegeneinander an. Neun dieser Spieler sind marginale Verlierer (-1$ / 100 vor der Rake), der zehnte Spieler ist Gewinner (+9$ / 100 vor der Rake). Die neun schwächeren Spieler spielen so lange, bis sie $100 verloren haben. Die Varianz lassen wir mal außen vor und nehmen an, die Spieler gewinnen und verlieren gleichmäßig ihr Geld.
Fall 1: Ohne Rake
Lässt man nun diese zehn Spieler so lange gegeneinander spielen, bis jeder der schwächeren Spieler seine $100 verloren hat und zieht dabei keine Rake ein, wird das Spiel nach 10.000 Händen beendet sein. Dann hat jeder der schwächeren Spieler $100 verloren und der bessere Spieler $900 gewonnen.
Fall 2: Mit Rake
Wiederholt man das Spiel, zieht aber zusätzlich bei jedem Spieler $3 Rake (etwas weniger als die Rake auf NL100) pro 100 Hände ein, ändern sich die Zahlen gewaltig. Jetzt verlieren die schwächeren Spieler insgesamt $4 pro 100 Hände und können nur noch 2.500 Hände spielen, bis sie $100 verloren haben. Der bessere Spieler gewinnt derweil nur noch $6 pro 100 Hände und kann entsprechend in diesen 2.500 Händen nur noch $150 Gewinn verbuchen.
Der Verlust der schwächeren Spieler ist in beiden Fällen identisch ($900), doch geht im Fall 1 alles Geld an den besseren Spieler während es in Fall 2 nur noch 17% ($150 von $900) sind. Der Rest, $750, geht hierbei über die Rake an den Anbieter.
Mit anderen Worten: In diesem Beispiel sorgt die Rake dafür, dass die schwächeren Spieler deutlich schneller ihr Geld verlieren, deutlich weniger spielen und für den besseren Spieler nur ein Bruchteil des von ihnen verlorenen Geldes als Gewinn übrig bleiben.
In welchen Fällen wirkt sich Rake besonders dramatisch aus?
Je geringer die Skill-Unterschiede zwischen Gegnern, je niedriger die eigene Edge, desto deutlicher fällt die Rake ins Gewicht. Nimmt man einen Gegner vollständig innerhalb von ein paar hundert Händen aus, macht es wenig, wenn die Seite nebenher ein paar BB / 100 einbehält. Braucht der Prozess des Ausnehmens viele tausend Hände, fällt die Rake wesentlich deutlicher ins Gewicht.
Ähnliches gilt bei Turnieren. Bei einem ROI von 30% kann man eine Rake von 10% verschmerzen. Doch je niedriger der ROI, desto mehr macht die Rake prozentual aus, bis sie irgendwann alle Gewinne auffrisst.
In dem jetzigen Poker-Ökosystem unterscheiden schon auf den mittleren Stakes sich die Spieler hinsichtlich ihrer Fähigkeiten nur noch marginal. Hierbei fällt die Rake maximal ins Gewicht und frisst, wenn sich die Skills der Spieler weiter angleichen, irgendwann sämtliche Gewinne auf.
Wie viel Rake geht pro Jahr aus dem System?
Betrachtet man die Rake nicht von der Spielerperspektive, sondern von der Seite der Anbieter, kann man abschätzen, wie viel Geld dem Poker-Ökosystem jährlich entzogen wird. Die absoluten Zahlen sind erschreckend hoch.
Bwin.Party ist als börsennotiertes Unternehmen verpflichtet, die Umsatzzahlen pro Quartal anzugeben. Im ersten Quartal erwirtschaftete das Unternehmen allein über PartyPoker einen Ertrag von $52,5 Millionen über das Poker-Angebot. Auf das Jahr hochgerechnet ergibt das einen Ertrag über mehr als $200 Millionen.
Rechnet man diese Zahl auf PokerStars hoch, welches laut Pokerscout.com circa das zehnfache Spieleraufkommen hat, kommt man auf 2 Milliarden Dollar pro Jahr oder 5,5 Millionen Dollar pro Tag.
Von diesen zwei Milliarden geht zwar ein massiver Teil über Promos und Cashback wieder an die Spieler zurück, doch bleibt nach grobem Überschlag noch ein Betrag von einer Milliarde Dollar, der jährlich aus dem System gezogen wird. Diese Zahl mag zwar nicht akkurat sein – da PokerStars keine Zahlen veröffentlicht, kann sie es auch nicht sein – doch die Größenordnung stimmt.
Man muss sich verdeutlichen, was diese Zahl bedeutet: Allein um das jetzige Ökosystem von Pokerstars aufrecht zu erhalten, müssen jährlich eine Milliarde Dollar von Spielern eingezahlt werden. Und dabei wurde noch nichtmal berücksichtigt, dass einige Spieler Gewinne auscashen und so dem System noch mehr Geld entziehen.
Um diese Summe in das System zu pumpen, müssten zum Beispiel jährlich eine Million Spieler 1.000 Dollar einzahlen.
Zu viel Rake zerstört das Poker-Ökosystem
Faktisch alle Pokeranbieter erleben derzeit das Phänomen, dass die Einzahlungen nachrückender Spieler nicht mehr ausreichen, um die Rake und Gewinne der guten Spieler in gewohntem Maße zu finanzieren.
Dies wird an verschiedenen Symptomen sichtbar:
1. Die Seiten setzen verstärkt darauf, gezielt Netto-Einzahler zu gewinnen (z.B. iPoker indem es entsprechende Skins bevorteilt).
2. Die Seiten reduzieren das Cashback und Rakeback für Vielspieler (z.B. onGame über das Vielspieler massiv benachteiligende Essence-Cashback-System).
3. Die Seiten ändern die Rakeberechnungen (z.B. PokerStars).
Wird weniger Geld eingezahlt, als über Rake und Gewinnausschüttungen aus dem System genommen wird, sinkt die Liquidität des gesamten Systems. Es ist weniger Geld im Umlauf, es wird weniger Geld gewonnen, die Spiele werden trocken, unattraktiv und die Spieler wandern ab oder suchen sich eine neue Freizeitbeschäftigung oder einen richtigen Beruf.
PokerStars hat als erster Anbieter Anfang des Jahres die Rake gesenkt. Die prozentuale Rake wurde von 5 auf 4,5% reduziert und das Cap um 20ç auf $2,80. Dies war nur zum Teil ein Zugeständnis an die Spieler. Vorrangiger Grund war jedoch, das Ökosystem der Seite lebendig zu halten.
Eine Seite, die übers Jahr gerechnet dem System mehr Geld entzieht als eingezahlt wird, zerstört langfristig die gesamte eigene Basis und beraubt sich selbst der Existenzgrundlage, nämlich den Spielern, die attraktive Spiele erwarten und bereit sind, dafür Geld einzuzahlen.
Die Anbieter können noch so laut die Werbetrommel rühren, neue Netto-Einzahler suchen und Gewinnern Vorteile nehmen – am Ende muss die Branche einsehen, dass es kein unbegrenztes Wachstum gibt und dass bei einer gewissen Summe das Maximum der möglichen Einzahlungen getätigt ist.
Insgesamt mögen weltweit die Hobby-Pokerspieler vielleicht bereit sein, zwei Milliarden Dollar jährlich im Online-Poker zu versenken. Jeder Einzelne tätigt seine Einzahlung in der Erwartung, für das Geld eine gewisse Zeit Spaß zu haben und in der wagen Hoffnung, einen Gewinn zu machen. Zieht man zu viel dieser Einzahlungen über die Rake wieder aus dem System, minimiert man die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einzelner noch Gewinn macht, nimmt ihm dadurch den Spaß am Spiel und sorgt dafür, dass er nicht noch mal einzahlt.
Kippt die Balance zwischen Einzahlungen, Rake und ausgezahlten Gewinnen zu sehr in Richtung Rake, erlebt man genau die Versauerung des Systems, die wir seit etwa zwei Jahren beobachten können.
Im Vollzug dieses Kreislaufes kannibalisieren sich die Pokeranbieter gegenseitig, nehmen die Vielfalt aus dem Markt und müssen reihenweise Insolvenz anmelden, da sie nicht mehr genügend einzahlende Spieler haben, um ihre Kosten zu decken.
Dabei haben wir das Ende der Fahnenstange noch nichtmal erreicht. In der Hoffnung, dass durch eine Öffnung des amerikanischen Marktes ein neuer Boom einsetzt und ungeahnte Mengen frischen Geldes in das System gepumpt werden, harren viele Anbieter aus. Doch das Auftreten eines neuen Marktes wird den Anbietern am Ende auch nur Zeit kaufen, wenn weiterhin mehr taxiert wird als eingezahlt wird.
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Den Spielern wird derweil alles abverlangt – über Kasino, Side-Games und Wetten legen die meisten Anbieter ihnen immer neue Optionen in den Weg, möglichst schnell ihr Geld an den Betreiber abzutreten. Das Ziel scheint inzwischen nicht mehr zu sein, die Poker-Spieler über attraktive Poker-Angebote auf der Seite zu halten, sondern ihnen möglichst schnell die Einzahlung abzunehmen, bevor sie auf die wahnwitzige Idee kommen könnten, sich etwas auszahlen zu lassen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 28.08.2012.