Online Poker ist nicht mehr das, was es mal war. Mit dieser banalen Feststellung wird gerne ausgedrückt, dass die Spiele online in den letzten Jahren um ein Vielfaches schwerer geworden sind. Warum dem so ist, soll in diesem Artikel beleuchtet werden.
Seit 1998 mit Planet Poker der erste Online-Poker-Raum auf den Markt ging, sind über 14 Jahre vergangen. In diesen 14 Jahren hat sich Online-Poker massiv gewandelt. Unzählige Pokerseiten gingen online und ebenso unzählige verschwanden irgendwann wieder vom Markt. Die meisten gingen in größeren Netzwerken auf oder wurden still und leise wieder abgestellt und einige, wie Ultimate Bet oder Full Tilt rumpelten unrühmlich mit Millionenschulden gegenüber den Spielern vom Feld.
Doch mir geht es in diesem Artkel nicht vordergründig darum, dass einige der größten Online-Poker-Anbieter den Markt durch Betrug und Misswirtschaft in Misskredit gebracht haben, sondern um die schlichte Frage: Warum sind Online-Poker-Spiele inzwischen so viel schwerer zu schlagen als noch vor fünf Jahren?
Abstieg in den Limits
Einige Spieler mit denen ich 2006 bis 2008 noch an NL200 und NL400 Tischen gesessen hatte, fand ich jüngst auf PokerStars multi-tablend auf NL25. Kurz bevor Poker-Table-Ratings gegen PokerStars aufgab, suchte ich nach einigen mir bekannten Nicks der damaligen Zeit. Tatsächlich waren viele in den Limits abgestiegen, einer meiner ärgsten Konkurrenten ließ sich gar bis auf NL10 durchreichen. Die meisten der Spieler schienen es mir jedoch gleich getan zu haben und spielen nur noch sporadisch oder gar nicht mehr. Entweder haben sie en gros den Raum oder Nick gewechselt oder – und das scheint mir wahrscheinlicher – das (semi)-professionelle Spiel aufgegeben.
Die Gründe hierfür sind vielfältig – manche mögen nach dem Studium einen richtigen Job gefunden haben und anderen fehlte, wie wohl auch mir die Disziplin, um über Jahre ihr Geld beim Online-Poker zu gewinnen. Und die, die jetzt noch aktiv sind und in den Limits teils um das zehn-fache abgestiegen sind, werden – wie wohl auch ich – eingestehen müssen, dass sie für die höheren Spiele nicht mehr gut genug sind.
Doch was hat sich in den letzten Jahren verändert? Die Zahl der Spieler ist (zumindest auf PokerStars) mehr oder weniger konstant geblieben, beziehungsweise im Vergleich zu 2007 sogar noch angestiegen. Dennoch hat sich die Ökonomie und die Spielweise an Tischen seitdem massiv verändert.
Die goldenen Jahre des Online-Poker
In den Anfangsjahren gab es so etwas wie professionelle Online-Spieler fast gar nicht. Die meisten Spieler kamen aus Amerika und waren passionierte Live-Spieler, die ein paar hundert oder tausend Dollar einzahlten und die Online-Poker-Tische als zeitgünstige Alternative zum Casino-Besuch oder als Ersatz für ein Homegame sahen. Genauso haben diese Spieler sich dann auch an den Tischen gegeben: Man spielte nur einen Tisch, chattete viel und sah stabile 40 bis 50 Prozent aller Flops. Dabei wurden dann auch gleich signifikante Limits wie NL100 oder höher gespielt und da die Tische voll von solchen Spielern waren, lief es für diese Spieler gar nichtmal so schlecht.
Zwischendrin fanden sich einige Spieler, die mehr Zeit damit verbachten, sich über Strategien zu informieren und in Foren wie 2+2 oder PokerStrategy versuchten, ihr Spiel zu verbessern. Gegen das vorhandene Heer der Freizeitspieler reichte es damals im Grunde schon aus, wenn man ein wenig tighter vor dem Flop spielte und schon zählte man zu den größeren Gewinnern. Wer auch noch an seinem Postflop-Spiel arbeitete, konnte aus heutiger Sicht abenteuerliche Winrates erreichen. Ein Zitat aus der FAQ des deutschen 2+2-Unterforums aus dem Jahre 2007 mag das verdeutlichen: “Langfristig kann ein sehr guter Spieler in seinem Level rund 15-20 Big Blinds pro 100 Hände schaffen.”
20 Big Blinds auf 100 Hände – das ist heutzutage nur noch möglich, wenn Guy Laliberte am selben Tisch sitzt. Meine Uralt-Daten von 2005 zeigten bei mir tatsächlich eine Winrate von 12BB/100 über fast 100.000 Hände auf NL50 6-max auf – bei einem 26/13 Spielstil wohlgemerkt. Heutzutage wäre ich mit solchen Preflop-Werten wohl schon Objekt der Begierde auf den Wartelisten vieler Spieler.
Drei sichtbare Veränderungen des Online-Pokers
Das No-Limit-Hold’em-Spiel hat sich sich seit den ersten Jahren des Online-Poker in dreierlei Hinsicht verändert:
1. Die strategischen Komponenten von NLH sind inzwischen umfangreich analysiert und die meisten Szenarios mathematisch durchleuchtet.
2. Eine Heerschar von Spielern spielt online mit einem substantiellen strategischen Hintergrundwissen und technischen Hilfsmitteln.
3. Immer weniger schwache Spieler zahlen Geld in das System ein und spielen “nur zum Spaß”.
Ein vierter Punkt, auf den es sich auch einzugehen lohnen wird, ist, dass dem System durch die fortwährende Rake konstant Geld entzogen wird, wodurch das System nur durch immer neue Geld-Injektionen von außen am Laufen gehalten werden kann. Übersteigt die gesamte Rake die Netto-Einzahlungen wird zwangsläufig und auch ganz ohne Auszahlungen das Geld im System weniger und damit auch automatisch das Spiel schwerer.
(I) Neue Poker-Strategien
In diesem Absatz möchte ich darauf eingehen, wie sich die Strategie beim No-Limit-Hold’em in den letzten Jahren verändert hat und warum dies ein Grund ist, dass Online-Poker “nicht mehr das ist, was es mal war”.
Die allerersten Pokerbücher
In den Anfangsjahren des Online-Pokers beschränkte sich das Wissen um Poker-Strategie bei den meisten Spielern auf reine Spielerfahrung oder eventuell die Lektüre von Doyle Brunsons Super System.
Überhaupt waren Bücher zum Thema Poker rar gesät und beschäftigten sich größtenteils damit, die Regeln zu erklären, Anekdoten zum Besten zu geben und eventuell Starthände nach Wertigkeit zu sortieren. Ein kleines Zitat aus Doyle Bronsuns Super-System zum Thema “Rushes” soll exemplarisch für die Denkart der Zeit vor dem Online-Poker und den ersten Jahren danach stehen:
“Nachdem ich im No-Limit einen Pot gewonnen habe, spiele ich auch den nächsten – unabhängig von meinen Karten. Und wenn ich den gewinne, spiele auch auch den nächsten bis ich einen verliere. […] Es gibt nur einen einzigen Pokerspieler von Weltklasse der nicht an diese Rushes glaubt. Nun, er liegt falsch, ebenso wie die ‘Wissenschaftler’ – und überhaupt, was verstehen die schon von Poker.”
Poker war ein Spiel bei dem selbst die besseren oder gar besten Spieler ein sehr intuitives und aus heutiger Sicht beschränktes Verhältnis zum Spiel hatten. Dinge, die heutzutage für uns selbstverständlich sind, wie zum Beispiel Equity-Rechner gab es vor 15 Jahren noch gar nicht und nur eine sehr überschaubare Menge von Personen spielte überhaupt ernsthaft Poker – viel zu wenige, als dass es sich gelohnt hätte, sich auf breiter Front um Poker-Strategien zu kümmern.
Die Erfindung des tight-aggressiven Spielstils
Erst Anfang des letzten Jahrzehnts fanden erste Strategie-Diskussionen in Online-Foren wie 2+2 oder Usenet-Gruppen wie rec.gambling.poker statt. Auch kam der größte Teil der strategisch orientierten Pokerbücher nicht vor 2004 auf den Markt. “Harrington on Hold’em” war einer der Vorreiter und ist ein (inzwischen überholter) Klassiker für Turnier-Spieler.
Die ersten strategischen Ansätze beim No-Limit-Hold’em waren damals in erster Linie darauf ausgelegt, gegen zu loose und zu passive Spieler das meiste Geld rauszuholen. Ein Großteil der Gegnerschaft setzte sich aus Spielern mit einem überragend hohen VPIP zusammen, die außerdem noch den unbändigen Drang hatten, mit jedem Draw bis zum River zu kommen und wenn möglich, mit jedem Paar den Showdown zu sehen. Entsprechend sah die Strategie dann auch aus: Man spiele tight vor dem Flop, aggressiv nach dem Flop und der Gewinn stellt sich dann von ganz allein ein.
Genügend ambitionierte Spieler hatten zwar schon Schwierigkeiten, den doch sehr einfachen tight-aggressiven Spielstil zu erlernen, doch im Grunde reichte es schon völlig aus, wenn man preflop einigermaßen gesunde Ranges spielte, um gegen die überaus schwachen Gegner massive Gewinne einzufahren.
Eine Stufe weiter: loose-aggressive
Fast schon ehrfürchtig wurde in den Jahren ‘05 und ‘06 von guten “loose-aggressive” Spielern gesprochen. Diesen war es möglich, auch gegen durchschnittliche Regulars langfristig deutlich zu gewinnen und diese konnten tatsächlich teils abenteuerliche Winrates jenseits der 20BB/100 über einen signifikanten Zeitraum erreichen. Gespielt wurde dabei eine weitere Bandbreite von Händen, diese dafür in der Regel noch aggressiver und man ging wesentlich umfangreicher auf die Tendenzen des Gegners ein.
Auf den ersten Video-Coaching-Seiten wie Cardrunners veröffentlichten ab 2005 erfolgreiche Spieler sehr freimütig teils grandiose Videos, die diesen loose-aggressiven Spielstil zelebrierten und erklärten. Unter anderem Caby “Green Plastic” Taylor und Brian “Stinger” Hastings ebneten damit den Weg, auf einem ganz neuen Niveau Poker-Strategien zu diskutieren. Angriffsziel des loose-agressiven Stils waren nicht mehr vordergründig die passiven Fische, sondern schwächere Regs. Denn da sich die Tische mehr und mehr mit ABC-Tags (i.e. schächeren Regs) füllten und auf den höheren Stakes immer weniger offensichtliche Fische zu finden waren, war es essenziell für einen erfolgreichen Spieler, möglichst auf die gesamte Bandbreite der Gegnerschaft eine Edge zu haben.
ABC-Poker und basale Strategien reichten spätestens seit Ende 2009 nicht mehr aus, um jenseits von NL200 erfolgreich zu sein. Mehr und mehr E-Books und Pokerbücher machten die Runde und mit 2+2 und PokerStrategy waren zwei monströse Foren entstanden, auf denen zum Teil auf höherem Niveau Strategie diskutiert wurde.
Noch mehr Aggressivität
Enorme Aggressivität wurde zunächst zur Mode und irgendwann in den letzten zwei Jahren auch schon auf NL50 zum Standard erhoben. Wer dieser Tage hinter einer 3-bet eine starke Range und hinter einer 4-bet KK+ vermutet, kann – zumindest shorthanded – falscher kaum liegen. Wer meint, dass Spieler nicht doppelt floaten oder auf trockenen Flops keinen 3-Barrel-Bluff bringen können, ist definitiv noch mit Strategie-Vorstellungen von 2006 unterwegs und wird es gegen gute Spieler heutzutage enorm schwer haben.
Aktuellere Strategiebücher wie Tri Nguyens “Let there be Range!” gehen noch einen Schritt weiter und beschäftigen sich damit, wie man bestimmte Gegner mit einer bestimmten Spielhistorie am besten exploitet, wie man seinen Gegner levelt und wie man Kombinatorik benutzt, um aus der eigenen Range und der Range des Gegners den Erwartungswert eines jeden Spielzugs zu berechnen und den besten zu finden. Die Konzepte, die in diesem Buch und vielen aktuellen Strategie-Diskussionen benutzt werden, gab es vor zehn Jahren noch gar nicht oder sie waren noch lange nicht so ausgereift, wie sie es jetzt sind.
Online-Poker hat den letzten 10 Jahren eine Menge, teils hochintelligente Spieler angezogen, die in mühevoller und langwieriger Arbeit an ihren eigenen Strategien so lange feilten, bis sie eine Edge auf das Spiel hatten. Doch da ihre Gegner das selbe machen, ist dies ein fortwährender Kreislauf und quasi als Nebenprodukt entstehen Coaching-Videos, Foren-Diskussionen, E-Books und richtige Bücher, die diese Strategien und die dahinter liegenden Konzepte erläutern.
Die Konsequenz daraus ist, dass sich die Strategien in den letzten 10 Jahren enorm verändert und entwickelt haben, auch von semi-professionellen Spielern adaptiert wurden und inzwischen auf den niedrigeren Stakes zu finden sind. Wer nicht bereit ist, viel Zeit in sein eigenes Spiel zu investieren und dabei auf aktuelle Bücher beziehungsweise Diskussionen als Denkanstöße zurückzugreifen, wird es bei der aktuellen Poker-Ökonomie schon auf NL50 verdammt schwer haben, einen Stich zu sehen. Die Zeiten, dass einfaches ABC-Poker ausreicht sind schon seit einigen Jahren passé.
Wie sich die Gegnerschaft an Tischen in den letzten Jahren entwickelt hat und warum Seiten wie PokerStrategy eine signifikante Rolle dabei spielen, dass Online-Poker in den letzten Jahren so viel schwerer geworden ist, soll im nächsten Abschnitt beleuchtet werden.
(II) PokerStrategy ist schuld!
Etwas reißerisch kommt der nächste Teil dieses Artikels daher. Welche Auswirkungen Coaching-Seiten auf Online-Poker haben, soll hier am Beispiel PokerStrategy beleuchtet werden. PokerStrategy als größte Coaching-Seite ist in Folge tatsächlich nur beispielhaft gewählt. Die Quintessenz der Aussagen bleibt erhalten, wenn man PokerStrategy durch den Namen einer beliebigen Poker-Coaching-Seite austauscht.
Was ist PokerSrategy überhaupt?
PokerStrategy wurde 2005 unter anderem von Dominik “Korn” Kofert und dem Schachgroßmeister Matthias Wahls gegründet. Ziel der Seite war es, deutschen Spielern das Pokern beizubringen. Damals war Limit Hold’em noch die dominanteste Variante und entsprechend wurden den Spielern Preflop-Charts, Odds, Prozente und basale Strategien dieser Variante eingetrichtert. Verbunden mit einem kleinen Startguthaben wurden die Spieler zu PokerStars gelotst, wo sie möglichst streng nach System und möglichst erfolgreich spielen sollten. Bekannt gemacht wurde die Seite durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Aushänge in Universitäten und kurzzeitlich sogar durch Fernsehwerbung im DSF.
Später konzentrierte man sich bei PokerStrategy auch auf No-Limit-Hold’em und gebar mit der Short-Stack-Strategy (SSS) eine wahre Heerschar an Spielern, die mit einem 20-BB-Stack die Tische verstopften und allen anderen Spielern mit ihrer Push-Fold-Spielweise mächtig auf die Nerven gingen.
Im Jahr 2007 hatte PokerStrategy schon über eine halbe Million Nutzer. Fünf Jahre später sind es nach eigenen Angaben fast sechs Millionen Nutzer. Die Seite hat in quasi alle internationalen Märkte expandiert und bietet in vielen Sprachen Strategien, Lehrvideos und Trainingsstunden an. Auch die verbreiteten Pokerstrategien sind erwachsen geworden und beschränken sich keineswegs mehr nur auf SSS-Tabellen.
PokerStrategy und die Poker-Ökologie
Die Auswirkung von PokerStrategy auf die Poker-Ökonomie war zunächst positiv. Angelockt durch das Startguthaben wurden unzählige Spieler überhaupt auf das Pokerspiel aufmerksam und nicht wenige zahlten fleißig ein und brachten eine Menge Geld in das System.
Doch kommt eine Seite wie PokerStrategy nicht ohne erhebliche Nebenwirkungen für das gesamte Online-Poker-Gefüge daher. Zwei radikale Konsequenzen der allumfassenden Beschulung der Spieler führen dazu, dass PokerStrategy tatsächlich mit schuld ist, dass Online-Poker schwerer geworden ist:
1. Die Nutzer lernen Pokerspielen
Durch das Angebot einer Pokerschule wird vielen Spielern vermittelt, dass es überhaupt eine tiefgreifende Strategie beim Poker gibt. Dem resoluten Freizeitspieler mag dies noch egal sein, er spielt Poker nur zum Vergnügen und will sich gar nicht mit der Materie beschäftigen und betrachtet dies als Zeitverschwendung.
Doch viele enthusiastische Amateure nehmen das Angebot von PokerStrategy (und natürlich auch vielen anderen Foren, Schulen und Büchern) wahr, um ihr Spiel zu verbessern. Sie verbessern ihr Spiel vielleicht nicht zu dem Grad, dass sie allesamt auf einmal langfristige Gewinner werden, doch trägt eine Beschulung mit Sicherheit dazu bei, dass die allermeisten zumindest ein wenig besser werden. Ohne Informationsquellen wie PokerStrategy, 2+2 oder durch ähnliche Seiten, würden diese Spieler auf einem schlechteren Niveau spielen, wären leichter zu schlagen und würden Online-Poker einfacher machen.
2. Heerscharen von Regs überfallen die Tische
Weit drastischer als die Beschulung von Amateuren fällt jedoch ins Gewicht, dass Seiten wie PokerStrategy ganze Spieler-Armadas produziert haben, welche die Seiten überfallen.
Fast schon parasitär konnte man die ganzen SSS-Spieler nennen, die PokerStrategy vor einigen Jahren hervorbrachte und die auf praktisch jedem Limit auf jeder Seite mit ihren 20-BB-Stacks auf den Tischen unterwegs waren. Viele, wenn nicht gar die meisten, dieser Spieler haben keine nennenswerten Gewinne eingefahren. Dennoch mussten sich die Spieler mit regulären Stacks darauf einstellen, dass an ihren Tischen immer mindestens ein Spieler sitzt, der mit einer spieltheoretisch ausbalancierten SSS-Strategie vor dem Flop Alarm macht, die einem eine gewisse Anpassung abverlangt. Die Kritik an den Short-Stack-Spielern ging am Ende so weit, dass die meisten Pokerseiten dieser Strategie einen Riegel vorschoben indem sie die minimale Auflage für Cash-Tische erhöhten.
Inzwischen sind es schon lange nicht mehr nur die SSS-Regs, sondern auch normale Regs, die von PokerStrategy ausgebildet werden und die Tische bevölkern. Dabei ist die Qualität dieser Spieler gar nicht das primäre Problem. Die meisten sind sind -1 bis +1 BB/100 Spieler, deren Profite in erster Linie über Boni oder Rakeback reinkommen. Sicherlich, einige der besten Pokerspieler haben bei PokerStrategy angefangen, aber größte Anteil der Spieler arbeitet auf einem eher durchschnittlichen Level. Das Problem hierbei ist die schiere Masse der Spieler im Vergleich zu den Freizeitspielern.
Inzwischen kommt es nicht selten vor, dass an einem Tisch sechs von sechs oder neun von neun Spieler durchschnittliche Regs sind, die sich gegenseitig Pötte hin- und herschieben. Diese Spieler sind vielleicht nicht brilliant, aber sie machen auch nur wenige eklatante Fehler, die andere Spieler über Gebühr ausnutzen könnten. Findet sich ein Fisch ein, verstopfen diese Spieler die Wartelisten, ansonsten produzieren sie vor allem Rake ohne selbst übermäßige Gewinne zu erzielen.
Durch einen enormen Umsatz waschen diese Spieler kontinuierlich das Geld in Form von Rake aus dem Poker-Kreislauf und ihr Nettogewinn nimmt sich im Vergleich zum wegtaxierten Geld äußerst bescheiden aus.
Über Rake-Races und ein Punkte-System wird bei PokerStrategy Vielspielen belohnt. Ob dabei Gewinn gemacht wird oder nicht, ist in diesem System völlig egal, solange die Verluste nur nicht zu hoch sind. Ebenso wie bei fast allen Vielspieler-Programmen der Pokerseiten kommt es im Grunde nur auf den Umsatz an.
Durch dieses System, das tausende von Spielern animiert, zigtausende Hände pro Monat zu spielen werden Fische oder besonders schwache Spieler konsequent ausgenommen und der Gewinn von den Spielern untereinander so lange hin- und hergeschoben, bis fast er fast vollständig aufgerieben ist. Um in diesem System substantieller Gewinner zu sein, muss man in der Lage sein, die PokerStrategy-Regs langfristig zu schlagen. Das ist allerdings ein weit schwierigeres Unterfangen, als einfach nur die schwachen Spieler zu schlagen.
Inzwischen ist es auf den meisten, wenn nicht gar allen, Pokerseiten soweit, dass durch die Regs mehr Geld aufgerieben wird, als durch Gelegenheitsspieler eingezahlt wird. Die Auswirkungen dessen sind einfach, aber auch fatal für die Poker-Ökonomie: Prozentual werden mehr und mehr Spieler Verlierer, müssen in den Limits absteigen und versäuern dadurch auch die niedrigeren Limits. “Easy Game auf NL50” ist längst Geschichte, inzwischen sind wir fast soweit, dass schon NL10 ein Reg-Grind ist und nicht mehr als besseres Spielgeld-Niveau zu betrachten ist.
Coaching-Seiten wie PokerStrategy haben unglaublich viel für die Pokerszene getan und in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Entwicklung des Online-Poker beigetragen. Dieser Beitrag soll auch keineswegs gering geschätzt werden. Doch muss auch deutlich gemacht werden, dass die propagierte Spielweise mit hohem Volumen und entsprechendem Umsatz zu den Problemen des Online-Pokers massiv beiträgt: Zu viele Spieler sind Regs, die zu schnell das Geld im System abbauen ohne selbst einen adäquaten Gewinn einzufahren.
(III) Spielerzahlen und Side-Games
Der dritte Teil dieses Artikels soll anhand von Spielerzahlen dokumentieren, dass die Spiele in den letzten Jahren dünner geworden sind und nach dem großen Pokerboom Mitte des letzten Jahrzehnts die Luft raus ist. Ferner soll darauf hingewiesen werden, dass Online-Poker mehr und mehr unter den angebotenen Side-Games der Poker-Anbieter leidet.
In den ersten ersten Teilen dieses Artikels ging ich darauf ein, dass sich das Pokerspiel in den letzten zehn Jahren strategisch enorm entwickelt hat und viele Spieler schlicht nicht mithalten konnten und auf der Strecke blieben, weil sie es nicht schafften, sich den neuen strategischen Gegebenheiten anzupassen. Auch zeigte ich etwas polemisch auf, dass Coaching-Seiten wie PokerStrategy ihr Übriges dazu beitragen, dass die Spiele für Viele deutlich schwerer wurden, indem sie zum einen überhaupt Strategien vermitteln und zum anderen die Spieler zum Massgrinden animieren.
Werfen wir jetzt einmal einen Blick auf die nackten Zahlen.
Wie viele Spieler spielen überhaupt online?
Die Seite pokerscout.com erhebt seit langer Zeit Daten, wie viele Spieler durchschnittlich bei allen Seiten online sind. Auf pokerhistory.eu sind diese Daten graphisch aufbereitet und zeigen sehr anschaulich die Entwicklung über die letzten zehn Jahre:
Dieser Graph zeigt die durchschnittliche Anzahl der Spieler, die auf allen Seiten täglich an Echtgeldspielen teilnehmen. Dabei sieht man von 2003 bis Ende 2009 ein fast lineares Wachstum von 5.000 Spielern bis zu 130.000 Spielern.
Dabei ist zu beachten, dass die zugrundeliegenden Zahlen nur die Anzahl der durchschnittlich an einem Tag aktiven Spieler sind. Die Anzahl der insgesamt aktiven Spieler ist um ein Vielfaches höher.
Der UIGEA von 2006, der Transaktionen für amerikanische Spieler erschwerte und deretwegen PartyPoker den amerikanischen Markt verließ, hatte kaum Auswirkungen auf das Wachstum der Spielerzahlen. Zunächst west- und später osteuropäische Länder machten die Stagnation der amerikanischen Spielerzahlen mehr als wett, so dass bis Ende 2009 Online-Poker ein Wachstumsmarkt war.
Anfang 2010 nahmen die Spielerzahlen rapide ab, konnten dann jedoch zunächst vor allem durch einen enormen Zuwachs der russischen Spieler wieder angehoben werden. Der Schwarze Freitag Anfang 2011 und die Full-Tilt-Katastrophe sorgten jedoch für einen enormen Dämpfer, von dem sich das Gesamt-System bis heute nicht erholt hat. Mit durchschnittlich 80.000 aktiven Spielern pro Tag liegen die aktuellen Zahlen deutlich hinter den Spitzenwerten von 2009.
Konsolidierung der Pokerseiten
Der Rückzug von PartyPoker aus den USA, der Ausfall von Full Tilt und teilweise widrige Bedingungen bei vielen Seiten sorgten dafür, dass sich der Markt im Laufe der Jahre stark konsolidierte. Aus dem Wachstumsmarkt wurde ein Verdrängungsmarkt und insbesondere nach dem Schwarzen Freitag liegt auf dem Markt ein enormes Ungleichgewicht. PokerStars hält im Pokerbereich derzeit einen Marktanteil von 55%. Der nächstbeste Anbieter, iPoker, hält weniger als 8%.
Zwar war PokerStars auch vom Schwarzen Freitag betroffen und verlor zwischenzeitlich über 30% der Spieler, konnte jedoch insbesondere nach dem Full-Tilt-Ausfall diesen Verlust weitgehend ausgleichen indem es Pokerspieler anderer Seiten auffing.
Sollte PokerStars tatsächlich in Zukunft die Reste von Full Tilt übernehmen und die Seite als eigene Marke online bringen, wird dies die Vormachtstellung von Stars noch stärker zementieren.
Der Fall Party Poker
Party Poker, seit einigen Jahren mit Bwin fusioniert, nimmt eine kleine Sonderstellung bei den Pokerseiten ein. Im Jahre 2006 war Party die mit Abstand größte Cash-Game-Plattform, an der Londoner Börse notiert und konnte vor Kraft kaum gehen – Fernsehwerbespots, haushohe Werbeplakate in Vegas und zur damaligen Zeit unerhört teure TV-Veranstaltungen ließen Party Poker in der Pokerwelt allgegenwärtig erscheinen.
Doch mit dem UIGEA entschied sich das Unternehmen als einzige große Plattform, die USA zu verlassen und hat sich seitdem nicht von dem Verlust der amerikanischen Spieler erholt. Nach dem UIGEA verlor PartyPoker mehr 60% der Spieler und konnte auch in den Folgejahren keine nennenswerten Zuwächse mehr verbuchen. Quasi von einem Tag auf den anderen war der Poker-Gigant gefallen und hat – so scheint es zumindest – das Pokergeschäft seit dem ziemlich vernachlässigt.
Einzahlende Spieler wandern ins Online-Kasino ab
Ein zentraler Aspekt, warum beim Online-Poker immer weniger Geld im Umlauf ist und auch weniger Spieler an Tischen sind, ist, dass viele Seiten inzwischen aggressiv ihre sogenannten “Side-Games” aggressiv bewerben.
Abgesehen von PokerStars bieten fast alle größeren Poker-Anbieter Kasino-Spiele wie Blackjack, Roulette, Slots und auch Sportwetten an. Diese werden direkt in der Pokersoftware beworben mit dem Effekt, dass viele Spieler ihr Geld auch dort umsetzen und es so dem Pokerkreislauf komplett entziehen.
Sehr schön lässt sich dieser Effekt bei Bwin.Party sehen. Das Unternehmen gibt, da es börsennotiert ist, regelmäßig Quartalszahlen an die Öffentlichkeit und gibt bekannt, wie hoch die Einnahmen sind, die mit den einzelnen Segmenten erwirtschaftet werden. Auf bwinparty.com kann man die Unternehmensberichte herunterladen.
Greift man die Erträge des Poker-Segments von Bwin.Party heraus und stellt diese den restlichen Erträgen gegenüber, sieht man zum einen, dass die absoluten Poker-Einnahmen seit 2008 weiter geschrumpft sind und zum anderen, dass diese 2012 nur noch 25 Prozent der gesamten Einnahmen ausmachen. 2008 waren es noch über 40 Prozent. Während die Gesamt-Einnahmen zwar gestiegen sind, verschiebt sich der Fokus immer mehr in Richtung Side-Games und Sportwetten.
Diesen Drift bekommen Pokerspieler natürlich massiv zu spüren. Werden schwache Pokerspieler von den Anbietern direkt ins Kasino gelockt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie ihr Geld nicht in die Poker-Ökonomie investieren, sondern direkt den Anbietern in den Rachen werfen.
Spieler auf die Schnelle im Kasino auszunehmen mag zwar kurzfristig profitabel sein, ist aber für den Pokermarkt katastrophal. Doch noch konzentrieren sich fast alle kleineren Online-Poker-Anbieter darauf, in dem Verdrängungsmarkt ihre Spieler so schnell wie möglich abzuschöpfen, ehe diese zur nächsten Seite abwandern und über kurz oder lang schließlich bei PokerStars landen.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass mit PokerStars der einzige größere Anbieter ohne Side-Games den Pokermarkt vollständig dominiert. Es bleibt zu hoffen, dass andere Anbieter irgendwann in Zukunft diesem Beispiel folgen und sich darauf konzentrieren, in erster Linie ein gesundes Pokerangebot auf die Beine zu stellen. Damit werden wir zwar keinen neuen Pokerboom erleben, aber zumindest würde das eingezahlte Geld im Pokerkreislauf zerrieben werden und nicht zu immer größeren Teilen in virtuellen Slots hängen bleiben.
(IV) Die Software ist schuld
Online Poker ist nicht zuletzt wegen der weiterentwickelten Software, Trackern und HUDs immer schwerer geworden. Im vierten Teil dieses Artikels will ich darauf eingehen, warum schon einfachste Poker-Rechner und die Software der Pokeranbieter selbst Anteil an der Schwierigkeit des Online-Pokers haben.
Equity-Rechner machen Strategien zugänglicher
Zunächst werfe ich einen weiten Blick zurück, in eine Zeit, zu der es praktisch kaum Rechner und mit Sicherheit noch kein Online-Poker gab. Doyle Brunson gibt in seinem Buch “Super System” aus dem Jahre 1979 ein schönes Beispiel, wie man einen “Sucker” ausnehmen kann: Man gebe sich selbst zwei Zweien, dem Sucker Ass-König und wette darauf, welche Hand einen Showdown gewinnt. Weil die Zweien so ein mieses kleines Paar sind und Ass-König so schön aussieht, wird es ewig dauern, bis der Sucker erkennt, dass er sich auf eine schlechte Wette eingelassen hat.
Damals gab es keine Equity-Rechner und man brauchte schon ein wenig Gehirnschmalz und Kombinatorik, um Gewinnwahrscheinlichkeiten vor dem Flop zu ermitteln. Den meisten Pokerspielern war es damals nicht vergönnt, davon eine Idee zu haben. Heutzutage kann man einen beliebigen Equity-Rechner aufmachen und sich ausrechnen, dass Zweien gegen Ass-König etwa 52% Gewinnwahrscheinlichkeit haben.
So einen Equity-Rechner kann beinahe jeder Spieler bedienen und das Wissen um Preflop-Wahrscheinlichkeiten ist schon lange kein Meilenstein der strategischen Poker-Kenntnisse mehr. Die moderne Technik hat die Mathematik hinter dem Pokerspiel wesentlich transparenter gemacht und zu einem reinen Anfangspunkt einer Pokerstrategie deklassiert.
Programme wie Flopzilla, Poker Razor und StoxEV treiben dies noch ein gehöriges Stück weiter. Damit kann man ohne Schwierigkeiten ausrechnen, welche Karten und Ranges wie oft welche Hand auf dem Flop treffen und man kann ganze Strategien durchrechnen. Es bedarf inzwischen keiner aufwändigen Arbeit mehr, rauszufinden, wie oft zum Beispiel eine Range von 99+ / AQ+ Top-Pair oder besser trifft. Entsprechend leicht ist es geworden, generelle Strategien zu entwickeln um ein mathematisch fundiertes Grundgerüst an den Pokertisch mitzubringen. Vor einigen Jahren noch hatte man mit solchen strategischen Kenntnissen seinen Gegnern eine Menge voraus. Heutzutage hat ein Großteil der NL100-Grinder entsprechende Programme gekauft oder zumindest umfassende Artikel gelesen, die entsprechende Strategien erklären.
Der Weg der Poker-Software
Die ersten Online-Pokerräume versuchten Anfang des 21. Jahrhunderts noch, Live-Poker möglichst realitätsnah abzubilden. So wurden bis 2004 zum Beispiel auf fast allen damals bestehenden Plattformen die Karten sehr langsam gedealt, so wie es eben auch ein Dealer im Kasino machen würde. Multi-Tabling war größtenteils noch gar nicht möglich und die Spielgeschwindigkeit lag bei etwa 40 Händen pro Stunde für ein Full-Ring-Game.
Bei dieser Geschwindigkeit wurde fast jedem Spieler langweilig und man spielte jedwedes Zeug, da es viel zu lange dauerte, nur auf ordentliche Hände zu warten. Schnell kamen Spieler und Anbieter jedoch dahinter, das es besser sei, die Spielgeschwindigkeit zu erhöhen und zumindest zwei oder drei Tische parallel spielen zu können. Online-Poker war eben keine Kopie vom Live-Poker, denn es ist etwas ganz anderes, in einem Kasino oder einer privaten Runde entspannt zu spielen, als alleine vor dem Rechner den Großteil der Zeit mit Warten zu verbringen.
Lange Zeit war Pacific Poker (inzwischen 888) der einzige Anbieter, der kein Multi-Tabling zuließ. Zurecht galt diese Seite damals als die einfachste im gesamten Netz, denn nur wenige professionelle Spieler hielten es aus, nur einen Tisch zu spielen. Fast ausschließlich blutige Anfänger und 80%-VPIP-Spieler sahen hierin keine Beeinträchtigung und entsprechend sahen auch die Tische aus.
Inzwischen ist Multi-Tabling bei allen Anbietern möglich, nicht wenige Spieler sind auf mehr als zehn Tischen gleichzeitig unterwegs und die Spielgeschwindigkeit hat sich auf über 80 Hände pro Stunde pro Tisch erhöht.
Online-Poker hat nur noch sehr wenig mit Live-Poker gemein
Mit dieser vordergründig technischen Entwicklung hat sich natürlich auch das Spiel selbst enorm verändert. Wenn der Großteil der Spieler an den Tischen ein Volumen von über 1.000 Händen pro Stunde spielt, fallen die Entscheidungen notwendig ganz anders aus, als wenn es nur 30 oder 40 Hände pro Stunde sind. Über 95% der Aktionen laufen über den internen Auto-Piloten im Kopf und die meisten Spieler haben inzwischen ein so großes Volumen gespielt, dass für sie fast alle Entscheidungen “Standard-Entscheidungen” sind.
Hat man zum Beispiel Top-Pair auf dem Flop und wird von einem tighten, wenig trickreichen Spieler geraist, wandert die Hand ohne Zögern in den Muck. Top-Pair oder besser hat man bei 1.000 Händen pro Stunde alle paar Minuten, es gibt gar keinen Grund, eine augenscheinlich bessere Hand auszuzahlen. Anders sieht bei vielen die gleiche Situation live aus. Hier kann es mehrere Orbits dauern, bis man mal wieder eine spielbare Hand hat und vielleicht gar Stunden, bis man mal wieder Top-Pair oder besser flopt. Da fällt es den meisten Spielern deutlich schwerer, sich von so einer Hand zu trennen.
So sorgt schon die schiere Geschwindigkeit, mit der Online-Poker inzwischen gespielt wird, dafür, dass das Spiel ein ganz anderes und auch deutlich schwereres ist.
Weiter zunehmende Geschwindigkeit des Online-Pokers
Die Spielgeschwindigkeit wird derweil beim Online-Poker noch weiter erhöht. Zoom-Poker, Rush-Poker, FastForward-Poker – immer mehr Anbieter machen es inzwischen möglich, dass Spieler sofort die nächste Hand bekommen, wenn sie gefoldet haben. Damit ist es inzwischen möglich auf über 1.000 Hände pro Stunde zu kommen auch wenn man nur an vier solcher Tische sitzt. Bei diesen Geschwindigkeiten wird selbst der looseste Spieler auf einmal tight wie Granitblock – er hat schlicht keine Zeit mehr, Grütze zu spielen.
Nun ist die hohe Geschwindigkeit vom Online-Poker allein noch kein Grund dafür, dass es schwerer geworden ist. Aber sie ist ein recht verlässliches Mittel, sicherzustellen, dass schwache Spieler tighter werden und 80%-VPIP-Spieler – insbesondere an den Rush-Tischen – so schnell ausgenommen werden, dass ihnen die Lust am Neu-Einzahlen flugs vergeht.
Je höher die Spielgeschwindigkeit der professionellen Spieler im Gegensatz zu den schwächeren Spielern ist, desto weniger Hände werden gegen die schwächeren Spieler gespielt. Für Grinder und semi-professionelle Spieler heißt dies, dass sie notwendigerweise in der Lage sein müssen, andere Grinder zu schlagen. Von den 1.000 Händen pro Stunde werden eben 950 oder mehr gegen andere Grinder gespielt. Wer sich auf die wenigen Hände gegen schwache Spieler verlässt, wird einfach von der Rake aufgefressen.
So trägt die Entwicklung und Geschwindigkeit der Pokerseiten maßgeblich dazu bei, dass die Spieler Strategien gegen professionelle Spieler entwickeln müssen. Doch im Gegensatz zu schwachen Spielern machen es einem die Profis nicht so leicht – sie entwickeln ihre Strategien ständig weiter und zwingen einen so, immer einen Schritt vorne zu bleiben. Ansonsten wird man über kurz oder lang aufgefressen.
Auf einen anderen und noch einschneidenden Teil der Software – Tracker und HUDs – bin ich hierbei noch gar nicht eingegangen, dies soll im nächsten Teil passieren.
(V) Die Tracker sind schuld
Im fünften Teil dieses Artikels will ich beleuchten, welchen massiven Beitrag Tracking-Tools für die gestiegene Schwierigkeit des Online Pokers leisten und warum sie trotzdem unverzichtbar sind.
Was machen Tracking-Tools?
Tracking-Programme wie HEM, PokerTracker oder der Elephant erlauben es den Nutzern, statistische Daten der selbst gespielten Hände in einer Datenbank zu sammeln. Diese Daten können zum Beispiel zur eigenen Fehleranalyse oder zur Analyse eines bestimmten Gegners herangezogen werden. Ferner erlauben es diese Programme, die gesammelten statistischen Werte jedes Gegners live beim Spielen anzuzeigen
Konzipiert sind diese Programme als eine Art verlängertes Gedächtnis für den Spieler. Sie speichern alle (und nur die) Informationen, die der Spieler erhalten würde, wenn er jede gespielte Hand aufmerksam bis zum Schluss verfolgt, ordnen die über mehrere Hände gesammelten Daten den Gegnern zu und stellen diese Informationen übersichtlich dar.
Der Einfluss von Tracking-Tools beim Online-Poker
Die ersten Tracking-Tools kamen schon kurz nach der Jahrtausendwende auf den Markt und übernahmen sehr schnell eine tragende strategische Rolle beim Pokerspielen.
Durch die Anzeige von gegnerischen Statistiken ist ein Spieler mit einem Tracking-Tool in der Regel gegenüber einem Spieler ohne solche Software klar in einem Informations-Vorteil. Zwar kann man sich auch manuell Notizen machen und Charakteristika der Gegner merken, doch ist das menschliche Gehirn ab einer gewissen Menge verschiedener Gegner schlicht überfordert, diese Informationen in hinreichender Zeit abzurufen.
Ein Spieler mit einem Tracking-Tool schaut fix auf sein HUD (Heads-Up-Display) und sieht zum Beispiel, dass sein Gegner in einer Hand ein tighter Erbsenzähler ist und stellt sein Spiel entsprechend darauf ein. Einem Spieler ohne HUD kann diese Information entgehen und er zahlt zum Beispiel mit Top-Pair ein gegnerisches Set unnötig aus.
Tracking-Tools und HUDs machen es möglich, sich umfangreich auf das Spiel verschiedenster Gegner einzustellen. Man sieht zum Beispiel, dass ein Spieler faktisch nie preflop 3-bettet und kann so ohne mit der Wimper zu zucken den Großteil seiner Range entsorgen, wenn so ein Spieler dann doch mal reraist. Oder man sieht, dass ein Spieler nur sehr selten auf C-Bets foldet und bringt gegen einen solchen Spieler deutlich liberalere zweite Salven.
Umgekehrt funktioniert dieser Informationsgewinn aber natürlich auch. Da die meisten halbwegs ernsthaften Spieler mit einem HUD arbeiten, haben sie natürlich auch von einem selbst Informationen gesammelt und versuchen diese gewinnbringend auszunutzen.
Dadurch gewinnt Online-Poker eine weitere Dimension – man spielt nicht nur gegen die Gegner, sondern auch gegen die von sich selbst preisgegeben Informationen. Wie einfach wäre es doch für einen Erbsenzähler, der nur auf Asse und Sets wartet, Gewinne zu machen, wenn keiner seiner Gegner wüsste, dass er nur dann spielt, wenn er eine Bombe hat. Da allerdings ein großer Teil seiner Gegner dank der HUDs sieht, dass er nur mit Monstern Action macht, weil er zum Beispiel nur 8 Prozent seiner Hände spielt, wird diese Erbsenzähler-Strategie kaum mehr verfangen können.
Das Beispiel des Erbsenzählers lässt sich auf sehr viele weitere, komplexere Bereiche des Spiels ausdehnen. Raist man den River nur, wenn man die Nuts hat? Bringt man mit zu viel Grütze 3-Bets aus den Blinds? Foldet man in der Regel auf dem Turn, wenn man nach einer C-Bet auf dem Flop checkt? All dies und noch viel mehr können Gegner, die genügend Hände gegen einen gespielt haben sehen und zu ihrem Vorteil ausnutzen.
Tracker ist nicht gleich Tracker
Doch nur weil ein Spieler ein Tracking-Tool nutzt, heißt das noch lange nicht, dass er befähigt ist, das meiste aus den Informationen herauszuholen. Ein schlechter Spieler kann ebenso ein Tracking-Tool installieren und sich die paar Standard-Werte anzeigen lassen. Doch mit den Tools könnte ein guter Spieler so viel mehr Informationen gewinnen.
Tatsächlich ist es möglich fast die komplette Strategie eines hinreichend gleichmäßig spielenden Gegners nach genügend gesammelten Händen aus den statistischen Werten abzulesen – mit welchen Händen bringt er 3-Bets, unter welchen Umständen floatet er, wie reagiert er mit marginalen Händen auf Raises, und vieles mehr.
Es ist ganz offensichtlich, dass eine gute Interpretation von HUD- und Tracking-Daten das eigene Spiel massiv verbessert. Im Umkehrschluss sind Spieler, die keine solchen Tools haben und Spieler, die solche Tools nur rudimentär nutzen, stark im Nachteil.
Warum einige Spieler Tracker gleich ganz verbieten wollen
Regelmäßig melden sich Spieler zu Wort, die Tracker zur Gänze abschaffen wollen. Die Argumentation ist, dass die Spieler mit Tracking-Programmen einen ungerechtfertigten Vorteil haben, dass man sich als Gelegenheitsspieler nicht mit der Einrichtung, den Kosten und dem Erlernen eines Tracking-Programmes auseinandersetzen will und sollte, nur um überhaupt eine Chance zu haben.
Dass Spieler mit den Tracking-Programmen einen Vorteil haben, ist fraglos. Ungerechtfertigt oder auch nur unangebracht ist dieser aber in meinen Augen nicht. Tracker und HUDs gehören fast seit Anbeginn zum Online-Poker dazu und werden von einem Großteil der Spieler als legitimes Hilfsmittel angesehen.
Ferner spielen Gelegenheitsspieler in der Regel so wenige Hände pro Monat, dass die Gegner ohnehin nur sehr unvollständige Informationen über deren Spiel gewinnen können. Damit hat ein Gelegenheitsspieler einen fast natürlichen Schutz gegen die Tracker. Und grottenschlechte Spieler würden – da können sie beruhigt sein – auch in Windeseile ausgenommen, wenn die Gegner gar keine Tracking-Tools benutzen würden.
Warum Tracking-Tools notwendig für Online-Poker sind
Zum Pokern selbst sind Tracking-Programme natürlich nicht notwendig. Ihre Existenz prägt maßgeblich die Art und Weise wie Online-Poker gespielt wird und macht einen der fundamentalen Unterschiede zwischen Online- und Live-Poker aus.
Aber Tracking-Tools haben eine essentielle Daseinsberechtigung: Kontrolle.
Tracking-Tools ermöglichen den Spielern, das eigene Spiel, das Spiel der Gegner und den Pokeranbieter zu kontrollieren. Man stelle sich mal eine Welt ohne Hand-Histories und Tracking-Tools vor: Collusion, Betrug, Superuser-Accounts, gezinkte Decks – all das wäre auf einmal nicht mehr nachweisbar. Nimmt man den Spielern die Tracking-Tools und Hand-Histories weg, öffnet man dem Betrug das Tor sperrangelweit. Skandale wie der Superuser auf UB wurden nur aufgedeckt, weil Spielern statistische Unregelmäßigkeiten bei einem Gegner auffielen.
Betrug beim Online-Poker ist in der Regel nur über statistische Anomalien auffindbar. Tracker und offene Daten für die Spieler sind notwendig, damit auf diese Art und Weise eine unabhängige Kontrolle durch die Spieler weiterhin möglich ist.
Wenn Tracking-Tools zu viel können und machen
Mit Trackern ist es allerdings möglich, weit mehr Informationen zu verarbeiten als dem jeweiligen Spieler auch ohne den Tracker vorliegen würden. So ist es möglich, Hand-Histories zu kaufen, um im Vorfeld Daten über die potentiellen Gegner auf einem bestimmten Level zu erlangen. Früher hatten viele Spieler einen eigenen oder geteilten Data-Mining-Server, der 24/7 die Tische scannte und die Datenbank mit den Händen fütterte. Heute bieten unzählige Anbieter Hand-Historie-Pakete zum Kauf an.
Hierbei wird meiner Meinung nach klar eine Grenze überschritten – ein Spieler, der Hand-Histories kauft, erwirbt Informationen von seinen Gegnern ohne sich dem Risiko auszusetzen, dass der Gegner Informationen von einem selbst erhält.Man sollte nur Informationen erhalten, wenn man dem Gegner zumindest die Möglichkeit einräumt, diese auch von einem selbst zu erhalten. Ansonsten bringt man sich in einen unfairen Vorteil.
Ebenfalls grenzwertig erscheinen mir die automatischen Notiz-Funktionen von PokerTracker 4 und HEM, die insbesondere an den Zoom-Tischen den Nutzern einen ungerechtfertigten Vorteil bringen. Klickt man auf “Fast-Fold” verschwindet die Hand und man sieht nicht ohne weiteres, was danach noch am Tisch passierte. Die Tracker sehen das jedoch in der Hand-History und verarbeiten die so gewonnen Informationen bei Bedarf in einer Notiz zu dem Gegner. So zeigt einem das HUD zum Beispiel an, dass Spieler X mit AQs und 88 eine 3-Bet gebracht hatte, obwohl man selbst niemals diese 3-Bets gesehen hatte, da man dank Fast-Fold schon in einer anderen Hand war. Hier hat man gegenüber einem Spieler ohne Tracker einen so starken Informationsvorteil, dass es fraglich, ob dieser noch zu rechtfertigen ist.
(VI) Die Rake ist zu hoch!
In diesem Artikel habe ich schon viele Gründe beleuchtet, warum Online Poker schwerer geworden ist. Ein äußerst gewichtiger kommt ganz zum Schluss: Die Rake.
Was ist Rake überhaupt?
Beim Online-Poker werden aus jedem Pot circa 5% für den Anbieter einbehalten. Zumeist ist die Rake auf maximal $3 begrenzt und wird nur genommen, wenn es einen Flop gibt. Das klingt nicht nach sehr viel, macht aber über einen längeren Zeitraum einen substantiellen Betrag aus.
So zahlt zum Beispiel ein einzelner Spieler auf NL50 im Schnitt zwischen $1,70 und $2,00 Rake pro 100 Hände. Bei einem Monatspensum von 15.000 Händen (was nicht wirklich viel ist), gehen so schon zwischen $250 und $300 – also 5 bis 6 Buy-Ins – allein für die Rake an den Anbieter.
Wie wirkt sich Rake auf die Poker-Ökologie aus?
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Zehn Spieler treten gegeneinander an. Neun dieser Spieler sind marginale Verlierer (-1$ / 100 vor der Rake), der zehnte Spieler ist Gewinner (+9$ / 100 vor der Rake). Die neun schwächeren Spieler spielen so lange, bis sie $100 verloren haben. Die Varianz lassen wir mal außen vor und nehmen an, die Spieler gewinnen und verlieren gleichmäßig ihr Geld.
Fall 1: Ohne Rake
Lässt man nun diese zehn Spieler so lange gegeneinander spielen, bis jeder der schwächeren Spieler seine $100 verloren hat und zieht dabei keine Rake ein, wird das Spiel nach 10.000 Händen beendet sein. Dann hat jeder der schwächeren Spieler $100 verloren und der bessere Spieler $900 gewonnen.
Fall 2: Mit Rake
Wiederholt man das Spiel, zieht aber zusätzlich bei jedem Spieler $3 Rake (etwas weniger als die Rake auf NL100) pro 100 Hände ein, ändern sich die Zahlen gewaltig. Jetzt verlieren die schwächeren Spieler insgesamt $4 pro 100 Hände und können nur noch 2.500 Hände spielen, bis sie $100 verloren haben. Der bessere Spieler gewinnt derweil nur noch $6 pro 100 Hände und kann entsprechend in diesen 2.500 Händen nur noch $150 Gewinn verbuchen.
Der Verlust der schwächeren Spieler ist in beiden Fällen identisch ($900), doch geht im Fall 1 alles Geld an den besseren Spieler, während es in Fall 2 nur noch 17% ($150 von $900) sind. Der Rest, $750, geht hierbei über die Rake an den Anbieter.
Mit anderen Worten: In diesem Beispiel sorgt die Rake dafür, dass die schwächeren Spieler deutlich schneller ihr Geld verlieren, deutlich weniger spielen und für den besseren Spieler nur ein Bruchteil des von ihnen verlorenen Geldes als Gewinn übrig bleiben.
In welchen Fällen wirkt sich Rake besonders dramatisch aus?
Je geringer die Skill-Unterschiede zwischen Gegnern, je niedriger die eigene Edge, desto deutlicher fällt die Rake ins Gewicht. Nimmt man einen Gegner vollständig innerhalb von ein paar hundert Händen aus, macht es wenig, wenn die Seite nebenher ein paar BB / 100 einbehält. Braucht der Prozess des Ausnehmens viele tausend Hände, fällt die Rake wesentlich deutlicher ins Gewicht.
Ähnliches gilt bei Turnieren. Bei einem ROI von 30% kann man eine Rake von 10% verschmerzen. Doch je niedriger der ROI, desto mehr macht die Rake prozentual aus, bis sie irgendwann alle Gewinne auffrisst. In dem jetzigen Poker-Ökosystem unterscheiden schon auf den mittleren Stakes sich die Spieler hinsichtlich ihrer Fähigkeiten nur noch marginal. Hierbei fällt die Rake maximal ins Gewicht und frisst, wenn sich die Skills der Spieler weiter angleichen, irgendwann sämtliche Gewinne auf.
Wie viel Rake geht pro Jahr aus dem System?
Betrachtet man die Rake nicht von der Spielerperspektive, sondern von der Seite der Anbieter, kann man abschätzen, wie viel Geld dem Poker-Ökosystem jährlich entzogen wird. Die absoluten Zahlen sind erschreckend hoch.
Bwin.Party ist als börsennotiertes Unternehmen verpflichtet, die Umsatzzahlen pro Quartal anzugeben. Im ersten Quartal 2012 erwirtschaftete das Unternehmen allein über PartyPoker einen Ertrag von $52,5 Millionen über das Poker-Angebot. Auf das Jahr hochgerechnet ergibt das einen Ertrag über mehr als $200 Millionen.
Rechnet man diese Zahl auf PokerStars hoch, welches laut Pokerscout.com circa das zehnfache Spieleraufkommen hat, kommt man auf 2 Milliarden Dollar pro Jahr oder 5,5 Millionen Dollar pro Tag.
Von diesen zwei Milliarden geht zwar ein massiver Teil über Promos und Cashback wieder an die Spieler zurück, doch bleibt nach grobem Überschlag noch ein Betrag von einer Milliarde Dollar, der jährlich aus dem System gezogen wird. Diese Zahl mag zwar nicht akkurat sein – da PokerStars keine Zahlen veröffentlicht, kann sie es auch nicht sein – doch die Größenordnung stimmt.
Man muss sich verdeutlichen, was diese Zahl bedeutet: Allein um das jetzige Ökosystem von Pokerstars aufrecht zu erhalten, müssen jährlich eine Milliarde Dollar von Spielern eingezahlt werden. Und dabei wurde noch nichtmal berücksichtigt, dass einige Spieler Gewinne auscashen und so dem System noch mehr Geld entziehen.
Um diese Summe in das System zu pumpen, müssten zum Beispiel jährlich eine Million Spieler 1.000 Dollar einzahlen.
Zu viel Rake zerstört das Poker-Ökosystem
Faktisch alle Pokeranbieter erleben derzeit das Phänomen, dass die Einzahlungen nachrückender Spieler nicht mehr ausreichen, um die Rake und Gewinne der guten Spieler in gewohntem Maße zu finanzieren.
Dies wird an verschiedenen Symptomen sichtbar:
- 1. Die Seiten setzen verstärkt darauf, gezielt Netto-Einzahler zu gewinnen (z.B. iPoker indem es entsprechende Skins bevorteilt).
- 2. Die Seiten reduzieren das Cashback und Rakeback für Vielspieler (z.B. onGame über das Vielspieler massiv benachteiligende Essence-Cashback-System).
- 3. Die Seiten ändern die Rakeberechnungen (z.B. PokerStars).
Wird weniger Geld eingezahlt, als über Rake und Gewinnausschüttungen aus dem System genommen wird, sinkt die Liquidität des gesamten Systems. Es ist weniger Geld im Umlauf, es wird weniger Geld gewonnen, die Spiele werden trocken, unattraktiv und die Spieler wandern ab oder suchen sich eine neue Freizeitbeschäftigung oder einen richtigen Beruf.
PokerStars hat als erster Anbieter Anfang des Jahres die Rake gesenkt. Die prozentuale Rake wurde von 5 auf 4,5% reduziert und das Cap um 20ç auf $2,80. Dies war nur zum Teil ein Zugeständnis an die Spieler. Vorrangiger Grund war jedoch, das Ökosystem der Seite lebendig zu halten.
Eine Seite, die übers Jahr gerechnet dem System mehr Geld entzieht als eingezahlt wird, zerstört langfristig die gesamte eigene Basis und beraubt sich selbst der Existenzgrundlage, nämlich den Spielern, die attraktive Spiele erwarten und bereit sind, dafür Geld einzuzahlen. Die Anbieter können noch so laut die Werbetrommel rühren, neue Netto-Einzahler suchen und Gewinnern Vorteile nehmen – am Ende muss die Branche einsehen, dass es kein unbegrenztes Wachstum gibt und dass bei einer gewissen Summe das Maximum der möglichen Einzahlungen getätigt ist.
Insgesamt mögen weltweit die Hobby-Pokerspieler vielleicht bereit sein, zwei Milliarden Dollar jährlich im Online-Poker zu versenken. Jeder Einzelne tätigt seine Einzahlung in der Erwartung, für das Geld eine gewisse Zeit Spaß zu haben und in der vagen Hoffnung, einen Gewinn zu machen. Zieht man zu viel dieser Einzahlungen über die Rake wieder aus dem System, minimiert man die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einzelner noch Gewinn macht, nimmt ihm dadurch den Spaß am Spiel und sorgt dafür, dass er nicht noch mal einzahlt.
Kippt die Balance zwischen Einzahlungen, Rake und ausgezahlten Gewinnen zu sehr in Richtung Rake, erlebt man genau die Versauerung des Systems, die wir seit etwa zwei Jahren beobachten können. Im Vollzug dieses Kreislaufes kannibalisieren sich die Pokeranbieter gegenseitig, nehmen die Vielfalt aus dem Markt und müssen reihenweise Insolvenz anmelden, da sie nicht mehr genügend einzahlende Spieler haben, um ihre Kosten zu decken.
Dabei haben wir das Ende der Fahnenstange noch nichtmal erreicht. In der Hoffnung, dass durch eine Öffnung des amerikanischen Marktes ein neuer Boom einsetzt und ungeahnte Mengen frischen Geldes in das System gepumpt werden, harren viele Anbieter aus. Doch das Auftreten eines neuen Marktes wird den Anbietern am Ende auch nur Zeit kaufen, wenn weiterhin mehr taxiert wird als eingezahlt wird.
Den Spielern wird derweil alles abverlangt – über Kasino, Side-Games und Wetten legen die meisten Anbieter ihnen immer neue Optionen in den Weg, möglichst schnell ihr Geld an den Betreiber abzutreten. Das Ziel scheint inzwischen nicht mehr zu sein, die Poker-Spieler über attraktive Poker-Angebote auf der Seite zu halten, sondern ihnen möglichst schnell die Einzahlung abzunehmen, bevor sie auf die wahnwitzige Idee kommen könnten, sich etwas auszahlen zu lassen.
Zusammenfassung
Als Zusammenfassung dieses Artikels sollen kurz und knapp noch einmal die Gründe darlegt werden, warum Online Poker schwerer geworden ist und immer weniger Spieler langfristig Gewinne erzielen können.
In den letzten 10 Jahren hat sich Online-Poker rapide entwickelt – aus einer Nischensparte ist ein Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen geworden. Während in den ersten Jahren viele Spieler ein leichtes und gutes Einkommen durch Online-Poker hatten, sind inzwischen nur noch sehr wenige langfristig erfolgreiche Spieler übrig geblieben.
Warum Online-Poker schwerer geworden ist hat dieser Artikel in sechs Teilen beleuchtet und dies soll hier zusammengefasst werden.
I - Die Spieler haben Strategien entwickelt
Während die ersten Online-Spieler, auch die erfolgreichen, in den Jahren bis 2006 größtenteils ohne oder nur mit einem sehr vagen Strategie-Verständnis spielten, haben in den letzten Jahren fast alle Spieler Zugang zu sehr ausgefeilten Strategien, Trainingsseiten und Foren.
Einfaches tightes und aggressives Spiel reicht nicht mehr, das Konzept versteht inzwischen fast Jeder, auch auf NL25. Wer nicht schon von halbwegs kompetenten Grindern ausgenommen werden will, muss diesen Paroli bieten können. 08/15-Poker reicht da schon lange nicht mehr aus.
II - Die Spieler werden unterrichtet
Unzählige Angebote im Netz bieten den Spielern inzwischen die Möglichkeit, ihr Spiel zu verbessern. Allen voran schreitet PokerStrategy.com, welches Spielern eine umfangreiche Ausbildung anbietet und es ihnen ermöglicht, grundlegende Konzepte einfach und verständlich zu erfassen.
Mit einem ausgeklügelten Belohnungssystem werden die Spieler dort erzogen, möglichst gut zu spielen. Bei den meisten Spielern mag das zwar nicht ausreichen, profitabel zu spielen, aber viele kommen dicht ran und sind lange nicht mehr die Fische, die sie ohne PokerStrategy gewesen wären.
Andere Seiten wie Cardrunners, LeggoPoker oder das Twoplustwo-Forum tun Übriges, um schwachen Spielern das Pokerspielen beizubringen. Das ist schön für diese Spieler, aber sorgt eben auch dafür, dass diese als potentielle Fische größtenteils ausfallen.
III - Der Boom ist vorbei, die Spieler wandern ins Kasino ab
Die höchste Zahl täglich aktiver Spieler erreichte die Online-Poker-Branche Ende 2009. Über 130.000 Echtgeldspieler tummelten sich damals täglich an Tischen von PokerStars, Full Tilt, iPoker und Co. Danach ging es deutlich bergab – spätestens seit dem Schwarzen Freitag im April 2011 und der Full-Tilt-Pleite Ende Juni 2011 nahmen die Spielerzahlen drastisch ab.
Inzwischen sind nur noch knapp 80.000 Spieler täglich online. Damit haben sich die Spielerzahlen in den letzten zweieinhalb Jahren fast halbiert. Getroffen hat es dabei vor allem kleinere Seiten, die entweder in Netzwerken aufgegangen sind oder zur Gänze vom Netz gingen. Ausschließlich PokerStars als unumstrittener Marktführer mit inzwischen über 50% des Spieleraufkommens spürt noch nichts von diesem Trend.
Fast alle Online-Poker-Seiten bieten inzwischen sogenannte Side-Games an: Blackjack, Roulette, Automaten oder Bingo. Viele potentielle Poker-Fische verlieren einen guten Teil ihrer Bankroll auf diesem Weg und entziehen diese so der Poker-Gemeinschaft.
Sicherlich, einige Spieler werden auch durch das Kasino zum Poker gelockt, doch unterm Strich verliert Poker mehr Geld an das Kasino als zugeführt wird.
Mit der Absicht, den Spielern möglichst schnell und effektiv das Geld abzunehmen, wird auf allen Seiten außer PokerStars massiv für die Side-Games geworben. Der Effekt ist, dass die Fische ihr Geld zunehmend in Daddel-Spiele stecken, anstatt es auf dem Pokertisch zu lassen.
IV - Die Poker-Software macht das Spielen unattraktiv
Dieser Grund ist etwas irritierend – die Software von PokerStars, 888 und Co. hat sich in den letzten Jahren massiv entwickelt: Auto-Buy-In, geschmeidiges Multi-Tabling, sehr schnelle Spiele, Rush- und Zoom-Poker und vieles andere erleichtern dem Grinder das Leben ungemein.
Doch für schwächere oder Gelegenheitsspieler ist diese Entwicklung eher unangenehm. Diese wollen einen schönen Abend vor dem Rechner verbringen und nicht in Windeseile ausgenommen werden. Sie wollen chatten, Emotionen spüren, Spaß haben und nicht mit lauter totenstillen Spielern, die ebensogut Bots sein könnten den Tisch teilen.
Die Fische fühlen sich in der an die Grinder angepassten Umgebung schlicht nicht mehr wohl.
V - Tools und Tracker erschweren das Spiel
Auch dieser Grund ist irritierend – natürlich erleichtern Programme wie Holdem Manager oder PokerTracker zunächst das Spiel.
Da aber inzwischen fast jeder Spieler ein solches Tool nutzt, hat man nicht mehr automatisch einen Vorteil, wenn man einen Tracker installiert. Wer keinen Tracker hat, wird es sehr schwer haben und wer seinen Tracker nicht optimal nutzt ebenfalls.
Die von den Programmen zur Verfügung gestellten Informationen und Statistiken geben dem Pokerspiel eine ganz neue Dimension. Wer seinen Tracker nicht hinreichend konfiguriert und lernt mit den angebotenen Statistiken der Gegner optimal umzugehen, bleibt hinter seinen Gegnern zurück, die wahrscheinlich besser mit ihren Trackern umzugehen verstehen.
Die Tracker machen das Spiel und die Strategien schlicht nochmals eine Stufe komplexer.
VI - Die Rake blutet das System aus
Geschätzt 2 Milliarden Dollar (2.000.000.000) werden jährlich allein von PokerStars über Rake eingezogen. Dieses Geld geht dem Poker-Kreislauf zu großen Teilen verloren.
Wird dieses Geld nicht Jahr für Jahr von den Spielern eingezahlt, blutet das System Stück für Stück aus. Dieser Prozess ist bei faktisch allen kleineren Seiten deutlich sichtbar geworden. Auf den niedrigeren Limits macht die Rake bei jedem Spieler um die vier Big Blinds auf 100 Hände aus. In der aktuellen Spielumgebung ist das für die meisten Spieler eine unüberwindbare Hürde. Zu viele Spieler sind unterm Strich Verlierer.
Nimmt die Rake zu viel Geld aus dem System beobachtet man einen simplen, aber fatalen Effekt: Es ist weniger Geld im Umlauf, es wird weniger Geld gewonnen, die Spiele werden trocken, unattraktiv und die Spieler wandern ab oder suchen sich eine neue Freizeitbeschäftigung oder einen richtigen Beruf.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.06.2012.