Am Dienstag hat Full Tilt seine Pforten wieder aufgemacht – zigtausende Spieler waren inzwischen wieder online und ich mischte mich unter dieses Volk. Wie sieht’s aus bei Full Tilt?
Eigentlich spiele ich ja nur noch wenig online, sondern schreibe lieber darüber, dass es schwerer geworden ist und dass Viele die Spiele nicht mehr schlagen können oder zumindest nicht mehr davon allein leben können.
Die Neueröffnung von Full Tilt hat mich dann aber doch ein wenig neugierig gemacht. In erster Linie wollte ich wissen, was meine Kasse da eigentlich noch so hergibt. Es war ein sehr überschaubarer Betrag – aber es hätte immerhin für eine gute Flasche Wein gereicht. Erstaunlich war aber, was mein Punkte-Konto mir offenbarte – über 100k Punkte – das entspricht dann schon einer größeren Kiste Wein.
Aber da Wein bei Full Tilt wenig überraschenderweise gar nicht im Shop erhältlich ist und ich ohnehin keine Verwendung für so eine gartenbachsche Wein-Menge hätte, kaufte ich mir von den Punkten vier Ring-Game-Tickets zu je $100.
Diese Tickets sind eigentlich eine praktische Idee, um Boni unter das Volk zu bringen. Man kann sich damit sofort in Cashgames einkaufen und kann alle Gewinne behalten. Damit man den Wert des Tickets auch gutgeschrieben bekommt, muss man dieses freispielen. Das kostet aber ein durchaus beträchtliches Spielvolumen – bei mir circa 7.000 Hände pro Ticket. Die Wahrscheinlichkeit, dass man beim Freispielen irgendwann das gesamte Ticket bustet, dürfte wohl recht dicht bei 100% liegen. Bis dahin kann man die Dinger aber wie einen Teil seiner Bankroll betrachten.
Ich nahm mir meine vier Tickets und setzte mich an die Rush-Tische. Nach einer knappen halben Stunde fiel mir dann der größte Nachteil dieser Tickets ins Auge – an einem der Tische hatte ich ein paar Hände verloren und konnte nicht mehr nachladen. Mein Ticket stand bei $37, da fehlten $13 für’s volle Buy-In. Nun konnte ich aber weder das Ticket mit einem anderen kombinieren, noch aus meiner restlichen Bankroll nachladen, weil ich mich mit diesem Ticket eingekauft hatte.
Diese kleinen Biester zwingen einen zum Spiel mit einem kleineren Stack und im drastischsten Fall gar zum Short-Stack-Spiel. Es soll ja Leute geben, die das mögen und beherrschen, aber ich zähle absolut nicht zu ihnen. Es ist wohl der größte Nachteil eines solchen Tickets, dass man die Auflage nicht aus der eigenen Tasche nachfüllen kann.
Was fällt sonst noch bei Full Tilt auf? Die Rush-Tische sind ein Stück weit hektischer als die Zoom-Tische bei PokerStars. Die Timebank ist minimal und wird nicht automatisch aktiviert. Außerdem gibt es keine Hotkey-Funktion wie bei Stars. Ich hab zwar meinen Table-Ninja entstaubt, um ohne auf die Knöpfe zielen zu müssen, folden, raisen und callen zu können, aber das Programm wirkt gegenüber der von PokerStars direkt angebotenen Hotkey-Funktion inzwischen reichlich altbacken.
Dafür rattern in der Full-Tilt-Lobby fleißig meine Full-Tilt-Punkte am Rand hoch und versuchen mich zu motivieren, noch die nächste VIP-Stufe zu erreichen. Ein relativ cleverer Anreiz, wie ich finde – zumindest solange man noch nicht im Diamand-Level angelangt ist.
In meinem Bonus-Account versteckte sich ferner ein so substantieller Deal-Me-In-Bonus, dass ich jetzt schon abschätzen kann, dass ich diesen bestenfalls zur Hälfte abspielen werde. Offenbar hat Full Tilt die Höhe der Boni umgekehrt proportional zum vorigen Spielvolumen der Spieler gewählt. Das kommt mir irgendwie ein wenig dreist vor, aber einem geschenkten Gaul soll man ja nicht ins Maul schauen. So lange der Bonus läuft bekomme ich jedenfalls über 50% Rakeback.
Die Spielqualität an den Tischen ist leider nicht ganz so, wie ich sie mir erhofft hatte. Vermutlich war es auch illusorisch zu glauben, dass die Spielerscharen mit ihrer wiedergewonnenen Roll an den Tischen nun Bazooka gehen. Tatsächlich sitzen bei mir an den Rush-NL50-Tischen ziemlich viele 27/23-Spieler mit 3-Bet-Quoten jenseits der 10% und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese ein ganzes Stück besser spielen als ich.
Aber damit ist Full Tilt wieder ganz bei sich – die Spiele sind eben ein Stück weit tougher als anderswo. Ob es mich nach meinem Deal-Me-In-Bonus noch bei Full Tilt halten wird, weiß ich nicht. Die Option direkt zu PokerStars auszucashen erscheint mir recht verlockend und die dortigen Zoom-Tische kommen mir inzwischen im Vergleich zu Rush wesentlich gemütlicher vor. Und sollte es ganz schlecht für mich laufen, kann ich ja immer noch einen Artikel schreiben, wie viel schwerer Online-Poker doch geworden ist.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 09.11.2012.