Pünktlich zum Wochenende präsentieren wir den Abschluss von Phil Galfonds Reise in die Vergangenheit, die interessante Einblicke in dessen Anfänge als Pokerspieler bietet. In unserer dreiteiligen Serie kann man leicht gekürzt in deutscher Übersetzung nach Teil 1 und Teil 2 nun auch den Rest nachlesen.
Der erste Sommer
Im Sommer des Jahres 2006 flog ich zu meiner ersten WSOP nach Las Vegas. Mit Peter Jetten, Alan Sass, Max Greenwood, Andrew Robl und dem vorher erwähnten Dan Quinn mietete ich ein Haus.Ich lernte in diesem Sommer mehr über Poker als bisher in einem ganzen Jahr. Poker verband uns und über Poker unterhielten wir uns. Wir waren alle aufstrebende Spieler und das gemeinsame Lernen brachte uns alle voran.
Natürlich hatten wir auch Spaß (für meinen Geschmack zuviel). Wir waren jung und zum ersten Mal länger in Las Vegas, daher feierten wir auch viel. Der Sommer war wirklich ziemlich anstrengend für mich, da ich nicht viel allein sein konnte.
Während dieses Sommers startete ich auch meine ersten Angriffe auf höhere Limits. Ich spielte weiterhin vor allem 5$/10$ und 10$/20$, doch versuchte ich mich bei geeigneten Tischen auch auf 25$/50$ und 50$/100$.
An einem Tag gewann ich auf UB bei 10$/25$ und 25$/50$ ca. 100.000 $ und verlor das Geld direkt wieder. Die Partien waren nicht sonderlich gut für mich, da ich es die meiste Zeit mit Taylor Caby und Prahlad Friedman zu tun hatte. Also fing ich an, auch auf Full Tilt zu spielen. Ich glaube, ich habe darüber schon öfter gesprochen, aber in diesem Sommer spielte ich eine der denkwürdigsten Hände.
Alle waren weg. Die meisten gingen feiern und Andrew spielte irgendwo Poker. Ich saß allein im Wohnzimmer und spielte mit meinem Laptop online gegen10lbBASS. Die Hand verlief so.
$50/100 NLHE-HUIch habe Kx Qx suited.Er raist vom Button auf 300 $.Ich reraise auf 1.111 $.Er callt.
Der Flop bringt 2x 3x 6x in drei Farben.Ich setzte 1.111 $. Er callt.
Der Turn bringt eine 2x in der vierten Farbe.Ich checke, er setzt 3.300 $ in den Pot mit 4.444 $ und lässt mir etwa 3.200 $ übrig.
Ich überlege (aber nicht lange, da es damals keine zusätzliche Bedenkzeit gab.)
Vor dem Flop hätte er mit einer Zwei nicht gecallt und er würde mit einer Sechs nicht so viel setzen. Er konnte ein Overpair oder ein Set haben, doch das war sehr unwahrscheinlich. Er war der Spielertyp, der auf vielen Flop floatete. Konnte ich All-In gehen? Offenbar zwang mein bisheriger Gedankengang mich dazu.
Als ich mich zum All-In entschied, raste mein Herz. Ich lag an diesem Tag bereits 20.000 $ hinten und hatte nicht mehr viel Geld übrig. „Ich sollte nicht so hoch spielen“, dachte ich. Tommy hatte mir anderes beigebracht.
Ich nahm die Maus und schob den Regler zum Anschlag. All-In.
Er begann zu überlegen. Als seine Bedenkzeit verstrich, überlegte ich mir, womit er so lange nachdenken konnte. Ich hatte offen gestanden keine Idee. Vielleicht hatte er mit 55 gesetzt und setzte mich jetzt auf ein Overpair? (Herzklopfen). Nun, wenn er callt, habe ich immer noch sechs Outs. Gut gespielt, Phil. Kein Problem.
Mit noch einer halben Sekunde Bedenkzeit callte er. Mein Herz rutschte mir in die Hose.
Seine Karten wurden umgedreht: Kx Jx offsuit.
Mein Herz raste. Ich hatte gerade 10.000 $ mit riesiger Equity im Pot untergebracht. Gut gemacht, Phil. Das ist toll. Damit gleiche ich die Verluste des Tages aus und kann vielleicht sogar noch ins Plus kommen.
River: Bube???
Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Das hätte nicht passieren dürfen. Mehr fühlte ich nicht. Ich war am Boden zerstört. Ich hatte kein Geld mehr auf meinem FTP-Account, und damit war es das für mich.
Wenig später kam Andrew heim und fand mich, wie ich im Dunklen auf der Couch saß. Ich erzählte ihm, was geschehen war. Er erzählte mir, dass er gerade im Bellagio gegen Wayne Newton einen großen Pot verloren hätte. Er war aber nicht am Boden zerstört, sondern ließ ein typisches Robl-Lachen vom Stapel (wer ihn kennt, weiß, was ich meine).
Auch die anderen kamen heim. Ich erinnere mich, dass ich mit Max lange über meine Niedergeschlagenheit redete. Alle waren verständnisvoll und wollten mich aufrichten.Läuft etwas schief, egal was, kam ich darüber nicht hinweg. Dagegen musste ich etwas tun. In dieser Nacht entwickelte ich einen Plan – zurück auf 5$/10$, endlos grinden und das Geld zurück gewinnen. Fertig. Trauer weg, Ziel aktiviert.
Am nächsten Tag war ich wieder an der Arbeit. Ich hatte eine Vision und fühlte mich motiviert.In diesem Sommer traf ich auch durrrr, den man heute eher als Tom Dwan kennt. Während dessen schlossen wir nur lose Freundschaft und es dauerte bei zum Herbst und den folgenden Sommer (in dem wir zusammenzogen), bis wir gute Freunde wurden und er mich den Dang-Brüdern vorstellte. Diese drei Spieler trugen sehr stark zur Verbesserung meines Spiels beim, vor allem bei PLO.
Mein Jahr als Senior
Der Herbst kam und ich ging wieder an die Uni. Alles war wie früher.
Zu diesem Zeitpunkt stellte ich fest, dass ich mit Poker 500 $ pro Stunde verdiente. Ich sah meine Professoren an und hörte kein einziges Wort. Ich dachte über Poker nach, meine nächste Session, meine Strategie, meine Ziele. Ich konnte die Uni nicht ernst nehmen.
Nach einigen Wochen beschloss ich meinen Abgang. Ich erzählte es meinen Eltern, zeigte meinem Vater meiner PT-Kurven und meine Hände. Ich erklärte es beiden, so gut ich konnte.
Später erfuhr ich, dass meine Mutter wegenn meiner Entscheidung sehr niedergeschlagen war, doch damals zeigte sie es nicht. Dafür bin ich dankbar. Hätte ich gewusst, dass ich ihr das Herz brach, hätte mir das viel Energie genommen.
Sie sagte, sie würde es nicht verstehen, vertraue mir aber, dass ich eine kluge Entscheidung träfe. Mein Vater verstand es. Er sagte, ihm wäre es lieber, wenn ich an der Uni bliebe, aber er würde genauso handeln.
Ich war jetzt also Pokerprofi.
Mein Freund Dan war zufälligerweise gerade nach Madison gezogen. Wir brachten uns gegenseitig voran. Ich baute meine Bankroll auf und versuchte es erneut auf 25 $/50 $ und 50 $/100 $. Es funktionierte wieder nicht und ich stieg ab.
Entscheidend für mich war, dass ich absteigen konnte. Manche konnten das nicht, aber ich immer. Ich versuchte es mit 4 bis 5 Buy-Ins auf dem höheren Limit und stieg sofort wieder ab, wenn es nicht klappte. Das kann man nicht jedem empfehlen, aber bei mir funktionierte es.Manchmal kam Dan mit seinem Laptop vorbei und wir pokerten den ganzen Tag. Ich hatte jetzt ein größeres Zimmer.
Hatte eine neue Wohnung, die etwa gleich billig war. Ich gab wirklich wenig Geld aus, bis ich zwei Jahre später nach New York zog. Caroline war zwei Semester in Südafrika, daher zog ich mit Shannon auf die andere Straßenseite.
Auf dem Weg zum Pokerprofi: Phil GalfondRückblick
Ich gab die Uni also auf, um Poker zu spielen. Würde ich das wieder tun? Bereue ich es?In Wahrheit bereue ich es und noch mehr, dass ich mich so früh schon so stark auf Poker konzentrierte. Es macht mir nichts aus, dass ich kein Diplom habe (in Philosophie wäre es eh nichts wert), aber ich bedaure, dass ich kein College-Student war. Ich vermisse ein Stück meiner Jugend.
Natürlich hing ich mit meinen Freunden herum, von denen einige Studenten waren, doch das war nicht dasselbe. Ich hatte andere Ziele und Aufgaben. Ich hatte Angebote von Trainingsseiten, brauchte einen Buchhalter, musste Bankroll-Entscheidungen treffen. Ich wurde zu schnell erwachsen.
Ich wünschte, ich wäre am College geblieben und hätte nebenher ein wenig Poker gespielt, aber nicht so viel, dass es mein Leben komplett aufrieb. Man kann immer an die Uni zurückkehren und ein Diplom erwerben, aber man kann nie wieder 21 Jahre alt sein.
Ich könnte noch mehr zu diesem Thema schreiben, aber das hebe ich mir für einen anderen Beitrag auf. Betrachtet diesen Beitrag bitte nicht als meine Ansicht, wie man mit einer großen Lebensentscheidung umgehen sollte. Darum geht es im nächsten.
Der Rest ist Geschichte
Das restliche Jahr verbrachte ich wie den Anfang. Ich liebte Poker, Atlas, meine Freunde und das Leben im Allgemeinen.
Nach meinem Jahr als „Senior“ änderte sich einiges. Shannon zog weg, und auch viele andere meiner Freunde. Madison ist eine College-Stadt, die Leute machen ihren Abschluss und ziehen weg. So kam ich letztlich nach New York. Ich wollte eine Wohnung kaufen und mich niederlassen und ich wollte nicht, dass meine Freunde wegzogen. Mit einigen Freunden ging es Richtung Big Apple.
Doch davor wohnte ich noch mit drei anderen tollen Freunden von Atlas in einem Haus mit fünf Zimmern in Madison. Mit ihnen erlebte ich ein tolles Jahr. Meine fünf Jahre in Madison waren die schönsten in meinem Leben. Das heißt nicht, dass ich jetzt nicht glücklich wäre. Aber diese Jahre waren voller Gelächter, Spaß, Poker, neuen Freundschaften und es war die Zeit, bevor ich wirklich für etwas verantwortlich war.
In meinem neuen Büro hatte ich viel Platz. Ich hatte nun zwei 30-Zoll-Monitore von Apple und meinen bequemen Aeron-Stuhl. Ein ausklappbarer Tisch fehlte zwar noch, doch insgesamt war das vom Feinsten.
Anfang des Jahres wagte ich einen neuen Angriff auf die höheren Limits. Dieses Mal schaffte ich es. Erst 25$/50$ und 50$/100$, dann 100$/200$ und schließlich 200$/400$. Ich spielte viel Heads-Up und damals liefen auf den höheren Limits auch noch einige gute Shorthanded-Partien. Jedesmal wenn ich jemanden besiegt hatte, stieg auf das nächste Limit auf und duellierte mich mit dem nächsten Platzhirsch.
Der Wettbewerb wurde immer aufregender. Mein Antrieb wurde größer. Das Videospiel war real geworden.
Ende
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 19.05.2012.