Nicht nur als Pot-Limit Omaha-Spezialist, sondern auch als Blogger ist Phil Galfond eine Instanz. Auf seiner Homepage stieß der Highroller, der mittlerweile nach Kanada ausgewandert ist, nicht nur einmal eine interessante Debatte an und auch sonst publiziert er immer wieder interessante Beiträge.
Dies gilt seit vergangenen Dienstag umso mehr, denn Galfond veröffentlichte quasi seine Autobiographie als Pokerspieler. Diese ist spannend und kurzweilig, aber auch lang – daher veröffentlichen wir sie (leicht gekürzt) bis zum Wochenende in drei Teilen, und natürlich auf Deutsch! Viel Vergnügen.
Ich werde oft gefragt, wie ich zum Poker kam oder ob ich die Schule abgebrochen habe, um Profi zu werden. Im Folgenden erzähle ich Teile meiner Geschichte als Pokerspieler, als ich zwischen 18 und 22 Jahre alt war. Zum Teil geht es um Poker, zum Teil auch um anderes. Dabei erzähle ich wahrlich nicht alles, was sich in dieser Zeit in meinem Leben abgespielt hat, doch dürfte der Beitrag allen Lesern einen guten Eindruck von mir geben.
Die Anfänge
Ich begann zum Spaß Online-Poker zu spielen, als ich Studienanfänger an der University of Wisconsin war. Ich zahlte 50 $ ein und spielte 10 $-Sit-n-Gos. Natürlich wusste ich damals kaum etwas über Bankroll-Management. Ich hatte ein paar Tausend Dollar auf meinem Bankkonto, das meiste stammte von meiner Bar-Mizwa und zwei Sommern, in denen ich in einem Sommercamp als Betreuer aushalf. Meine Eltern bezahlten das Studium, die Wohnung und das Essen, und da ich nie Geld für etwas anderes als Videospiele ausgab, war das Geld nicht knapp. Ich zahlte weitere 50 $ ein.
Kurz vor meinem zweiten Studienjahr hatte ich aus den 50 $ ein paar Tausend gemacht. Ich hatte einige Bücher gelesen, hatte mich bei 2+2 angemeldet, den PokerTracker gekauft und gewann mit Sit-n-Gos ca. 30 $ pro Stunde. Ich hatte einen Job als Nachhilfelehrer am College bekommen, der ziemlich gut bezahlt war (etwa 17 $ die Stunde). Das College schickte immer einen Zeitplan herum, in den man sich eintragen konnte.
Ich trug mich nie ein.
Mein Nebenjob war Poker und ich liebte ihn. Ich brauchte kein zusätzliches Geld, aber der Gedanke, damit so viel Geld zu gewinnen, war sehr aufregend. Und noch wichtiger war, dass ich mich mit anderen messen konnte.
Während der Highschool spielte ich Football und obwohl unsere Mannschaft miserabel war, war sie mein Leben. Ich liebte Football und den Wettkampf. Nach einem Jahr der Sehnsucht entdeckte ich einen Ersatz, um meinen Durst nach Wettkampf zu stillen.
Da ich von obsessiver Natur bin, tauche ich voll in etwas ein, das mich interessiert. Ich trainierte und spielte rund um die Uhr (vor allem spielte ich… ich war nie ein großer Lerner). Poker war wie ein Videospiel, und ein tolles dazu, und ich war auf den Aufbau meiner Bankroll, meinen ROI und die Limits, die ich schlagen konnte, konzentriert.
Die meisten Nächte verbrachte ich am Bildschirm direkt neben meinem Bett, auf dem sich Wäsche türmte. Ich bin ein introvertierter Mensch, daher bin ich gern allein. Genau genommen brauche ich das sogar. Ich mag Menschen, aber wenn ich zu lange unter vielen bin und nicht wegkann, lähmt mich das. Ich brauche Zeit für mich, um mich zu erholen. Mein Zimmer bedeutete Poker und Zeit für mich allein – es war der Himmel.
Mein Himmel gehörte zu einer Dreizimmerwohnung. Ich teilte diese mit zwei Mädchen, von denen eine sicher war, dass ich schwul sei. Vermutlich lag dies daran, dass ich an der Außenseite meiner Tür ein Poster hängen hatte, auf dem eine Katze mit einer Tiara abgebildet war, die “I’m a Princess” las (ich fand das lustig) und sie mich nie mit einem Mädchen sah.
Caroline und Shannon hatte ich an der Uni kennen gelernt. Sie hatten eine dritte Frau gesucht, die mit ihnen in die WG einziehen wollte. Caroline fragte eine Freundin, ob sie jemand kenne, der eine Wohnung braucht. Ich machte immer alles auf den letzten Drücker und dieses Mal wurde dies belohnt. Caroline und Shannon waren die besten Mitbewohner, die man sich wünschen konnte. Ich wohnte drei Jahre mit ihren zusammen, und obwohl wir nicht mehr zusammen wohnen, würde ich sie bis heute als zwei meiner besten Freunde bezeichnen.
Ich war wirklich glücklich, dass es so gekommen war. Caroline kannte ich kaum und Shannon hatte ich noch nie gesehen, als sie mich wegen des Zusammenziehens „interviewten“.
Zu dem Interview gehörten Fragen wie „Nimmst Du Heroin“, „Was ist Deine Lieblingsfarbe“ und „Hast Du Heroin“.
Ich hatte keins, aber sie nahmen mich trotzdem.
Meine Lieblingsfarbe ist grün.
Auf dem Weg zum Pokerprofi: Phil GalfondAusbildung
Ich entschied mich für Philosophie als Hauptfach. Ich wusste nicht, wohin das führen würde, und es interessierte mich auch nicht sonderlich. Ich fand den Unterricht ziemlich spannend, und das ist viel mehr als ich über jeden anderen Unterricht in meinem Leben sagen kann. Als Schüler war ich immer ein Versager und entwickelte schon früh schlechte Angewohnheiten. Später meinte meine Mutter, sie hätte mich zu mehr Fleiß anstacheln solle, aber ich hätte immer Einsen gehabt.
Ich schaffte es, praktisch ohne Aufwand durch die Middle School und High School zu kommen, doch gegen Ende litt meine Durchschnittsnote. Ich weiß nicht, was das bedeutet, aber ich hatte nie genug Interesse, um meine Hausaufgaben zu machen oder zu lernen. Ich war in den Prüfungen gut und darauf verließ ich mich.
Am College war es nicht anders. Im Grunde war es so: Es gab weniger Hausaufgaben und mehr Prüfungen, und die meisten Lehrer wussten nicht, ob ich in der Klasse saß oder nicht.Da war ich also. Ich ging zum College, hatte eine neue Leidenschaft, musste kaum hingehen und hatte meinen Ort, an dem ich mich wohlfühlte (mein Zimmer). Wir alle wissen vermutlich, wie die nächsten Jahre abliefen.
Ich verbrachte 50 % der Zeit mit Schlafen, 40 % mit Poker, 5 % mit meinen Mitbewohnerinnen und anderen Freunden und 5 % am College.
Ich stieg von 20 $-SnGs auf 30 $ und dann auf 50 $ auf. Ich spielte und trainierte, und ich liebte, was ich tat. Ich erzielte weiterhin gute Ergebnisse und versuchte bei der SNG-Gemeinde ein wenig Anerkennung zu bekommen.
Ich hatte einige Pokerfreunde, die meisten hatte ich auf 2+2 kennen gelernt und verkehrte nur online mit ihnen. Außerdem hatte ich zwei „lebende“ Pokerfreunde. Ich zeigte ihnen, wie man SNGs spielt, und sie machten schnell Fortschritte. Mir gefällt der Gedanke, dass es daran lag, weil ich ein guter Lehrer war.
Ich versuchte mich auch wieder am Improvisationstheater. Im ersten Studienjahr hatten Caroline und ich einen Kurs belegt und ich war nie wieder hingegangen. Am Ende des Studienjahrs sprach Caroline vor und wurde angenommen. Sie erzählte mir, dass unsere frühere Lehrerin nach mir gefragt hatte und ermunterte mich vorzusprechen.
Ich glaube nicht, dass ich darin gut bin. Die meisten sind weniger scheu als ich und auf der Bühne draufgängerischer. Ich war überrascht, dass sie mich nächste Woche noch einmal hören wollten. Das ging neun Anderen auch so, aber diese waren verdammt gut. Verdammt witzig.Ich hatte das Gefühl, sie seien klar besser als ich, umso mehr war ich überrascht, dass ich angenommen wurde. Ich weiß nicht warum, aber ich vermute, sie attestierten mir eine Menge Potential.
Das Meiste über das Improvisationstheater Atlas lasse ich aus, da Ihr vermutlich mehr über Poker erfahren wollt. Kurz gesagt wurden drei von unserer Klasse als feste Mitglieder des Ensembles angenommen.
Neben Poker war Atlas mein Leben. Ich investierte pro Woche 8 bis 14 Stunden darin und die Jungs und Mädels von Atlas waren meine besten Freunde.
Mein Leben bestand also aus Poker, Atlas, Poker, Poker, Freunden, Atlas, Poker, Studium, Poker, Poker, Atlas.
Mein Aufstieg beim Poker ging weiter, von 50 $ auf 100 $. Zu Beginn meines Junior-Jahrs gewann ich pro Stunde 100 $ bis 200 $ und begann, 200 $-, 1.000$ und sogar 2.000$-SNGs zu spielen (das Bankroll-Management hatte ich immer noch nicht vollständig verstanden.)
Fortsetzung morgen
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 17.05.2012.