Eine der wichtigsten Entscheidungen, vor die man bei Limit Poker gestellt wird, besteht darin, ob man jemanden mit einem Raise aus dem Pot treiben sollte. Das kann ein sehr kompliziertes Problem sein. Das Studium einer vereinfachten Version der Frage aber sollte einem einen Hinweis darauf geben, was in weniger einfachen Situationen zu tun ist.
In meinem hypothetischen Szenario gibt es drei Spieler, den Setzenden zur Rechten, Sie und einen möglichen Caller zur Linken. Es kommt noch eine Karte. (Kommt noch mehr als eine Karte, ist die Herangehensweise an das Problems gleich. Kommt jedoch keine Karte mehr, dann ändert sich die Sachlage. Auf diese Situation wird in diesem Artikel nicht eingegangen.)
Außerdem setzen wir voraus, der Spieler nach Ihnen wird auf einen Raise immer folden und auf einen Call Ihrerseits immer callen. Falls Sie raisen, dann gehen wir davon aus, dass der Spieler, der ursprünglich bettete, weder folden, noch raisen wird. Er wird einfach callen. Das heißt, wenn es keine weiteren Bets gibt und Sie am Ende die beste Hand haben, dann gewinnen Sie den gleichen Betrag, unabhängig davon, wie Sie spielen. Der einzige Vorteil eines Calls besteht darin, eine Bet zu sparen, wenn Sie der Spieler zu Ihrer Rechten schlägt. Können Sie mir soweit folgen?
Die drei letzten Annahmen bestehen darin, dass auf der letzten Straße nicht gesetzt wird, dass Sie die Chancen, Ihre beiden Gegner zu schlagen, einschätzen können, und dass diese zwei Chancen voneinander unabhängig sind. Hat Sie der ursprünglich Better in 20% der Fälle und der mögliche Caller zu 10% geschlagen, dann werden Sie in 72% der Fälle (80% x 90%) vorne liegen. Die Annahme der Unabhängigkeit macht bei Stud und Draw Poker Sinn, bei Hold’em aber nicht. Sehen Sie weshalb?
Ich werde dieses Problem ohne algebraische Gleichungen angehen. Algebra liefert eine allgemeine Lösung, würde aber den meisten meiner Leser nicht gefallen. Hier ist ein Ansatz nach gesundem Menschenverstand.
Ich werde das Problem angehen, indem ich das Risiko und den Ertrag betrachte, der mit einem Call verbunden ist. Das Risiko besteht natürlich in der Möglichkeit, dass Sie ein Call den Pot kostet. Es ist nicht gleich der Wahrscheinlichkeit, der Overcaller schlägt Sie. Es ist die Wahrscheinlichkeit, er schlägt Sie, der Spieler zu Ihrer Rechten aber nicht. Besitzt der ursprünglich Setzende eine 40%-ige Chance, Sie zu schlagen, und der Caller eine 10%-ige Chance, dann kostet Sie ein Call in 6% der Fälle (10% x 60%) den Pot. Und wieviel kostet es genau, wenn das passiert? Es ist die Zahl der Bets im Pot, bevor der Spieler zu Ihrer Rechten setzte, plus drei. War der Pot also vier Bets groß, dann riskiert Ihr Call sieben Bets. Die vier ursprünglichen Bets, die zwei, die Sie nach einem Call des ursprünglich Bettenden gewonnen hätten, plus die eine, die Sie jetzt verlieren. Anders gesagt, Ihr Call könnte im Verlust einer Bet statt im Gewinn von sechs Bets resultieren, ein Unterschied von sieben Bets.
Die Kehrseite der Medaille ist, ein Call spart eine Bet, wenn Sie der Spieler zu Ihrer Rechten schlägt. Wenn Sie callen und beide Spieler schlagen, dann gewinnen Sie den gleichen Betrag, als wenn Sie raisen und einmal gecallt werden. Das könnte es wert sein, eine Bet zu sparen. (Im wirklichen Leben könnte auf einen Raise Ihrerseits sogar ein Reraise kommen, der Sie zwei Bets kostet.) In dem Fall, in dem Sie den ursprünglich Setzenden in 60% der Fälle und den Caller zu 90% schlagen, spart ein Call in 40% der Fälle eine Bet. Es kostet aber in 6% der Fälle den Pot plus drei Bets. Was ist schlimmer? Es hängt von der Größe des Pots ab. Beinhaltet der Pot drei Bets oder weniger, dann ist ein Call besser. Eine zu 40% gesparte Bet ist mehr als 6% von sechs Bets (3+3). Ist der Pot aber ursprünglich vier Bets groß, dann ist es besser zu raisen, da 6% von sieben Bets mehr als 40% von einer Bet sind.
Diejenigen, die an dieser Methode zweifeln, können das Ergebnis auf andere Weise überprüfen. Falls man raist, gewinnt man in 60% der Fälle den ursprünglichen Pot plus zwei Bets und verliert zu 40% zwei Bets. Callt man, gewinnt man den Pot plus zwei Bets in 54% der Fälle (60% x 90%) und verliert zu 46% eine Bet. Ist der Pot zu Beginn drei Bets groß, dann beträgt Ihr Erwartungswert bei einem Raise 5 Bets x 60% – 2 Bets x 40% oder 2,2 Bets. Ihr Erwartungswert bei einem Call ist 5 Bets x 54% – 1 Bet x 46% oder 2,24 Bets. Ein Call ist besser. Beträgt die Potgröße zu Beginn vier Bets, dann ist der Erwartungswert eines Raises 6 Bets x 60% – 2 Bets x 40% oder 2,8 Bets. Ein Call liefert einen Erwartungswert von 6 Bets x 54% – 1 Bet x 46% oder 2,78 Bets. Jetzt ist ein Raise besser.
Einen hab ich noch. Diesmal schlägt uns der Setzende mit 70%-iger Wahrscheinlichkeit. Wir müssen aber trotzdem einen Raise in Erwägung ziehen, da der Spieler hinter uns eine 25%-ige Chance besitzt, uns zu schlagen. In 7,5% aller Fälle (25% x 30%) kostet uns ein Call den ursprünglichen Pot plus drei Bets. Gleichzeitig kostet ein Raise in den 70% der Fälle eine Bet, in denen Sie der Spieler zu Ihrer Rechten schlägt. Ein Call spart in 70% der Fälle eine Bet. Sind 70% einer Bet mehr als 7,5% des ursprünglichen Pots plus drei Bets? Das ist der Fall, wenn der ursprüngliche Pot nur sechs Bets oder weniger beinhaltet. In diesem Fall ist ein Call besser. Ist der Pot größer, dann sollte man in den sauren Apfel beißen und raisen, insbesondere dann, wenn man keinen Reraise zu fürchten hat.
David Sklansky
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.04.2008.