Es brodelt in der Hauptstadt. Offenbar soll im Casino Berlin das klassische Spiel abgeschafft werden, doch die Mitarbeiter wollen sich damit nicht abfinden. Am vergangenen Mittwoch trafen sie sich abermals zu einer Demo gegen ihren Arbeitgeber.
Nachdem die letzte Demo direkt vor dem Casino stattgefunden hatte, wurde diesmal vor der Botschaft des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen demonstriert. Der Grund hierfür ist, dass die Westspiel-Gruppe ihren Hauptsitz in NRW hat und die Landesbank NRW deren Mutterkonzern ist.
Bei nasskaltem Wetter und Schneefall fanden sich knapp 50 Mitarbeiter und Sympathisanten, die für den Erhalt des lebendigen Spiels im Casino Berlin demonstrierten. Hintergrund der Kundgebung ist die sich ankündigende Abschaffung des klassischen Spiels im Casino Berlin. PokerOlymp berichtete vergangene Woche..
Im Rahmen der Protestkundgebung gab uns Uwe Harberts – stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des Casinos Berlin – ausführliche und sehr deutliche Antworten zu den aktuellen Problemen des Casinos Berlin und den Vorgehensweisen der Westspiel-Gruppe.
Frage: Warum gehen die Casino-Angestellten überhaupt auf die Straße?
Es gab den Umzug des Casinos Berlin, bei dem klassisches Spiel und Automatenspiel zusammengelegt werden sollte. Doch nach dem Umzug hat unser Arbeitgeber, Westspiel, ausschließlich 200 Automaten aufgestellt und kein klassisches Spiel angeboten. Vierzig Mitarbeiter des Casinos wurden freigestellt. Deswegen haben wir bisher zweimal protestiert – einmal vor dem Casino direkt und jetzt vor der Landesvertretung von NRW.
“Daddelhallen haben wir in Berlin genug.”
Frage: Warum fand der Protest jetzt vor der Landesvertretung NRW statt?
Die NRW-Bank ist die hundertprozentige Mutter der Westspielgruppe und diese hat in der Landesvertretung eine Niederlassung. Wir wollten, dass die Bank als Verantwortlicher und auch Geldgeber der Casinos ihrem ordnungspolitischen Auftrag nachkommt. Die Konzession, die die Westspiel-Casinos erhalten hat, ist schließlich nicht nur eine Genehmigung, sondern ebenso auch eine Pflicht: Die Casinos müssen auch klassisches Spiel anbieten und dies ist seit nunmehr 10 Wochen in Berlin nicht der Fall.Daddelhallen haben wir in Berlin genug – es sind über 400. Da brauchen wir nicht noch eine. Dies wollen wir auch so der Bank als Gesellschafterin der Westspiel-Gruppe klar machen.
Frage: Stimmt es, dass das Casino – so weiterhin kein klassisches Spiel angeboten wird – zum 1.1.2011 schließlich muss?
Das ist Spekulation. Wir sind vom Betriebsrat aus in ständigem Dialog mit der Senatsinnenverwaltung. Diese ist für die Vergabe der Konzessionen zuständig. In wesentlichen Punkten ist die Verwaltung mit uns einer Meinung, vor allem darin, dass ein Automat kein klassisches Spiel ist. Die Verwaltung hat den Arbeitgeber (Westspiel) jetzt letztmalig aufgefordert, dass klassische Spiel wieder anzubieten. Ich denke, dass die Verwaltung bis Weihnachten eine endgültige Entscheidung treffen wird, die hoffentlich derart ist, dass der Betreiber des Casinos das klassische Spiel wieder in vollem Umfang anbieten muss, um die Konzession zu behalten. Dann wäre mit der Wiederaufnahme des Spiels ab Anfang Januar zu rechnen.
Uwe Harberts“Die Westspiel-Gruppe will Personal mit allen Mitteln abbauen.”
Frage: Wie steht es um die Betrugsvorwürfe gegenüber den leitenden Angestellten?
Wir vom Betriebsrat wissen diesbezüglich nichts Offizielles und kennen den Sachverhalt auch nur durch Erzählungen der Betroffenen. Ich kann dazu nur sagen, dass diese Vorwürfe konstruiert und an den Haaren herbeigezogen sind. Das ist eine böswillige Unterstellung der Geschäftsleitung und meiner Meinung nach eine Kompensation, da die Geschäftsleitung den Stellenabbau über Automatisierung nicht so einfach bekommt. Es kann hierbei auch nicht um das Ausräumen von unliebsamem Personal gehen, da der Direktor und die Saalchefs bisher immer ganz linientreu die Westspiel-Vorgaben umgesetzt haben. Die Westspiel-Gruppe will hier schlicht Personal mit allen Mitteln abbauen.
Frage: Wie wird es denn jetzt Ihrer Meinung nach weitergehen mit dem Casino Berlin?
Ich sehe ein Problem darin, dass Westspiel versucht, ein Casino wie eine Verwaltung aufzuziehen und eine Art große Behörde zu bilden. Von dem operativen Geschäft hat man sich immer weiter entfernt. Es geht doch darum, Glücksspiel in einer gesunden Atmosphäre anzubieten. Dazu gehört eben auch Roulette, Blackjack und Poker. Aber das ist von Westspiel alles so nicht gewollt. Gewollt sind nur noch Automaten und am liebsten wäre es, dies noch im Internet anzubieten.Die Verwaltung in Duisburg hat mit dem Tagesgeschäft im Casino nichts mehr zu tun und ist davon auch auf eine gewisse Weise abgehoben. Die meisten Mitglieder der Geschäftsleitung kommen aus dem Bank-Geschäft und haben von dem Geschäft einer Spielbank keine Ahnung. Zumindest tun sie alles dafür, diesen Anschein zu erwecken.Der schlimmste Hintergrund an dieser Entwicklung ist eigentlich dieser: In diesem Jahr hat das Land Berlin die Abgaben der Betreiber um 40% gesenkt. Dies geschah vor allem, damit die Spielbanken ihrem ordnungspolitischen Auftrag nachkommen, das Spiel vollumfänglich anbieten und dafür auch das Personal beschäftigen können. Jetzt ist die Tinte von diesem Gesetz noch nicht einmal trocken und Westspiel hat nichts anderes zu tun, als die Steuersenkung mitzunehmen und das Personal abzubauen. Damit hat Westspiel es auch im Land Berlin geschafft, alle Beteiligten mit Anlauf zu verprellen: Politik, Verwaltung, Mitarbeiter und auch die Spieler.
“Das ist aus wirtschaftlicher Sicht absolut schwachsinnig.”
Frage: Ist denn das klassische Spiel ein Verlustgeschäft, dass der Abbau zumindest aus finanziellen Gründen nachvollziehbar ist?
Nein, keineswegs. Es gibt eher die Überlegung, dass ein automatischer Roulettetisch profitabler ist. Es stimmt zwar, dass das klassische Spiel nicht die profitabelste Kostenrechnungsstelle ist, aber es trägt sich nach wie vor selber. Es ist zwar nicht mehr so wie vor zehn Jahren, aber wenn man das vernünftig aufzieht, kann man damit sehr wohl gutes Geld verdienen. Das macht uns die Konkurrenz am Potsdamer Platz schließlich vor.Die Automaten im neuen Casino stehen quasi leer. Zwar sind 200 davon aufgestellt, aber es sitzen vielleicht zehn Mann davor. Auch an den zwei Roulettetischen sitzen selten mehr als sieben Spieler. Konsequenterweise will Westspiel jetzt noch mehr Automaten aufstellen. Das ist meiner Meinung nach nicht nur aus ordnungspolitischer Sicht, sondern auch wirtschaftlicher Sicht absolut schwachsinnig.
Frage: Welche Rolle spielt die NRW-Bank bei der Westspiel-Gruppe?
Westspiel ist zu 100 Prozent Tochter der Bank und die Bank hat den Umzug des Casinos in nicht unbeträchtlicher Millionenhöhe kreditiert. Der Betriebsrat hat sich nach dem Umzug mit einem Brief an die Bank gewandt und vor allem den wirtschaftlichen Aspekt hinterfragt. Wir haben gefragt, ob sie kein Geld verdienen wollen, ob sie nicht wollen, dass wir für unser Geld arbeiten, ob sie ihren Kredit nicht möglichst verzinst wieder haben wollen. Wir haben diese Fragen gestellt, weil wir einfach nicht mehr verstehen, warum auf das Geschäft jetzt verzichtet wird. Als Antwort erhielten wir: “Wir haben ihren Brief mit viel Interesse zur Kenntnis genommen”.Die NRW-Bank ihrerseits ist übrigens eine Anstalt öffentlichen Rechts, in die das Land Nordrhein-Westphalen auch involviert ist, so dass am Ende auch der Steuerzahler für den Irrsinn hier aufzukommen hat.
“Geld scheint hier keine Rolle zu spielen.”
Frage: Wie haben Sie die Neueröffnung bisher erlebt?
Man hat schon zur Eröffnung scharenweise Gäste verprellt. Es wurden Tausende von Einladungen verschickt und es war bis zur Eröffnung auch alles schön geplant, aber wir konnten am Ende nur sehr wenig davon umsetzen. Die LKWs mit den Spieltischen standen in Berlin vor der Tür des Casinos. Zwei Tage ließ Westspiel sie dort stehen und dann wurden sie von Westspiel zurückbeordert. Allein daran kann man schon sehen, wie absurd die Situation ist. Selbst wenn sich Westspiel entscheiden würde, das Spiel nicht anzubieten, kann man doch zumindest die Tische aufstellen. Geld scheint hier keine Rolle zu spielen. Es werden LKWs quer durch die Republik geschickt, wieder zurückgeholt und keiner kann es sich erklären. Einem Außenstehenden sind die Vorgänge ja gar nicht mehr zu vermitteln, so absurd ist das.
Frage: Geht es der Westspielgruppe vielleicht einfach darum, Fakten zu schaffen?
Das hat man vielleicht versucht und womöglich ist das auch eine Form der Erpressung gegenüber dem Betriebsrat. Vielleicht hat man sich auch erhofft, die Senatsverwaltung für Inneres unter Zwang zu setzen. Aber das hat alles nicht funktioniert. Das Ergebnis ist nur, dass sich jetzt nichts mehr bewegt.Es ist ganz klar, dass der Umzug des Casinos Berlin ein Pilotprojekt von Westspiel ist. Sie haben ganz klar gesagt, dass sie die elektronischen Tische unternehmensweit installieren und damit das lebendige Spiel ablösen wollen. Dabei schaut natürlich ganz Deutschland gespannt zu, denn wenn das so durchkommt, werden die anderen Casinos und Gruppen nachziehen wollen.
Vielen Dank für das offene Interview.
Wir weren weiter verfolgen, was im Casino passiert und die PokerOlymp-Leser auf dem Laufenden halten. Wir werden ebenfalls versuchen, eine Äußerung eines Verantwortlichen der Westspielgruppe zu erhalten.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 09.12.2010.