Immer Ärger mit dem Personal. Besonders einen guten Chauffeur zu finden, ist keine leichte Sache. Entweder schläft er mit dem Kindermädchen oder verkauft heimlich kompromittierende Fotos an die Presse. Mir wäre das egal, Kindermädchen habe ich keines, obwohl ich manchmal eines bräuchte, und mit der Presse hätte ich auch keine Probleme. Aber vor allen Dingen hatte ich keinen Transfer vom Flughafen zum Hotel, obwohl mir Mike Svobodny doch seinen Fahrer schicken wollte. Wobei das hat Tradition und ist inzwischen so eine Art „running gag“ zwischen uns. Mindestens zweimal im Jahr sehen wir uns. Einmal beim Backgammon Einladungsturnier von Cancun und einmal in Monte Carlo zur EPT. Ein paar Tagen vor den jeweiligen Events telefonieren und dieses Gespräch endet dann stets mit einem freundlichen „Christoph, ich schick dir dann meinen Chauffeur zum Flughafen“. Worauf ich als höflicher Deutscher immer erwidere, das sei nicht notwendig und Mike Svobodny als ebenso höflicher Brite darauf beharrt.
Ich habe aus Mexiko gelernt. Damals kam der angekündigte Chauffeur nicht, weil er entweder mich nicht gefunden hatte oder den Flughafen nicht oder sein Auto nicht. Was weiß ich? Und ich stand dann da am Flughafen irgendwo in Südamerika und hatte nicht einmal den Namen von meinem Hotel notiert. Diesmal stand ich zwar wieder alleine am Flughafen, nur diesmal eben schlauer und vor allen Dingen per SMS von Mike informiert. Sein Chauffeur habe überraschend seinen freien Tag. Kein Problem. Eines der betrügerisch teueren Taxis geentert und ab zu meiner Fünfeinhalbsterne Herberge „Le Meridien“.
Dann in Schale geworfen beziehungsweise das Trikot meines Monte Carlo Sponsors „T6“ angezogen und ab zum EPT Event. Tony G. als oberster Repräsentant sowieso vor Ort und ebenso wie ich ihm kurzen schwarzen Poloshirt mit „T6“ Logo auf der Brust. Ausländische und deutsche Prominenz vor Ort und auch meine österreichischen Freunde in Mannschaftsstärke. Und dann sind mir noch die hübschen Mädchen aufgefallen, ebenfalls im dunklen Sponsor-Poloshirt. Erfreut dachte ich, dass die von Tony G. abgestellt wurden, um sich ums Team zu kümmern. Kleine Nackenmassage und so weiter. Aber weit gefehlt, die Mädchen waren richtige Spielerinnen und im Main Event dabei.
Hintergrund der Story. Am Vorabend war die stets gut besuchte EPT Players Party und da durften die T6-Mädchen dann nicht teilnehmen, weil sie eben „gebranded“ waren – wie es neudeutsch so heißt. Jedenfalls hatten sich die Bosse von T6 so darüber geärgert, dass sie allen Mädchen, die beim ersten Versuch Herz von Treff unterscheiden konnten, das Buy-in für das Main Event bezahlt haben. Selbstverständlich ist dann zum Beispiel Sandra weiter gekommen als wir Profis. Für Tony G. war das Turnier nach einer guten Stunde vorbei und auch ich habe den zweiten Tag leider nicht erleben dürfen. (Im Gegensatz zu Sandra).
Mit Daniel Negreanuam Tisch
Dabei hatte ich vom Start weg einen schönen Tisch mit reichlich Action und wenig Konkurrenz, aber irgendwann wurde ich versetzt und musste mich gleich mit Daniel Negreanu und Chad Brown messen. Ob man mir das jetzt glaubt oder nicht, Daniel Negreanu hat sich eingehend nach meinen Artikeln erkundigt. Irgendjemand musste ihm das wohl übersetzt haben oder er kann doch viel mehr deutsch als er gewöhnlich zugibt.
Der Tisch war entsprechend umlagert von Kameras, Fotografen und Autogrammjägern. Ich wollte aber trotzdem ein paar Worte mit meinem Freund Casey Kastle wechseln und habe mich nach einer gepassten Hand kurz durch das Gedränge gewühlt. Aus den Augenwinkeln sehe ich die Dealerin, wie sie Karten austeilt und als hätte ich es gespürt, starte ich einen Sprint durch all die menschlichen Hindernisse und erreiche meinen Platz eben noch in der letzten Sekunde, bevor meine Karten eingezogen worden wären. Die Asse, mein Gegner am Flop zwei Paar. Ich war schlecht, ohne es zu wissen. Das ganze Geld wanderte hinein und ich gewinne dann am River, weil sich die kleine Karte paart. Aufgedoppelt, dank einer athletischen Leistung der Sonderklasse. Nur genutzt hat es mir nicht viel. Zwei Bad Beats später war das EPT-Finale für mich beendet.
Am nächsten Abend habe ich erst ein wenig mit Katja Thater geplaudert und mich dann auf die Suche nach dem größten Cashgame gemacht. Pokern in Monte Carlo, das hört sich nach großen Pots und spektakulären Partien an. Allerdings die Rake ist auch außerordentlich spektakulär. Im Sun-Casino zum Beispiel zahlt man am „NL Hold´em €5.000 Buy-in Tisch“ pro Stunde satte €200 Rake. Trinkgeld selbstverständlich nicht inkludiert und zahlen muss man im Vorhinein. Wer dann endgültig all-in geht, wohlmöglich kurz nach der vollen Stunde, ist doppelt beschädigt.
Einmal größer alsKatja Thater
Am Tisch viel Pokerjugend. Junge italienische Gesichter, die in den Staaten niemals auch nur ein Bier bestellen dürften, ohne einen Ausweis zu zeigen, aber hier im Sun-Casino selbstverständlich am höchsten Tisch zocken und mitten drinnen mein Freund Abu. Ein reicher Libanese, der in Zypern lebt, aber sein Geld in Odessa investiert hat. Die erste Hand, die ich mitbekomme, schieben drei Spieler jeweils mehr als €7.000 in die Tischmitte. Der Klassiker Ax Kx versus 8x 8x und dann eben noch Abu mit J 4 . Muss man natürlich bezahlen und schon ist ein Junge im Flop und Turn und River ändern nichts weiter.Bei Megaumsätzen verschleiße ich gleich einmal ein Buy-in. Dann packe ich das zweite aus und bekomme etwas Hunger. In diesem noblen Casino wird nicht an den Tisch serviert. Man muss im Restaurant essen und selbstverständlich trotzdem die Rake bezahlen. Wenn man gute Manieren hat und sorgfältig kaut, kommt der Salat nach Art des Hauses auf €42 plus die 30 Minuten machen locker noch einmal €100 aus. Andererseits, wer weiß, was ich mir während meiner gesunden Mahlzeit für Bad Beats erspart habe. Vielleicht ein völlig neues Konzept für schlechte Form. Man drückt einfach die stündlichen €200 ab und verlässt das Restaurant überhaupt nicht. Es hat in meinem Leben schon Abende gegeben, da wäre das die wesentlich günstigere Variante eines Casinobesuches gewesen.
Aber nicht in dieser Nacht. Black Jack sei Dank stand ich dann um fünf in der Früh zitternd auf der Straße vor dem Casino und wartete in der kühlen Morgenluft auf ein Taxi. Mehr als zwanzig Minuten und mich in Gedanken an dem mysteriösen Chauffeur von Mike Svobondy sehnend.
Der zweite Abend im Sun-Casino lief dann recht ähnlich und es gibt nichts Spektakuläres zu berichten. Ganz im Gegensatz zu meinem Frühstück an meinem Abreisetag. Was mir da passiert ist, hat mich dann mit allen Transferproblemen meines Aufenthaltes versöhnt.Falls Sie es bisher nicht wussten, Tony G. hat einen Bruder und einen Mercedes. Auto und Bruder sind quasi irgendwie miteinander verwachsen. Tony G. nimmt den Flieger und sein treuer Bruder nimmt die Autobahn. Vilnius – Monte Carlo, Kopenhagen – Barcelona oder London – Istanbul. Alles kein Problem. Sobald Tony G. aus dem Flugzeug klettert steht er da, der so genannte „Tony G – Mercedes“ samt dem immer gut gelaunten Bruder. Das Feinste vom Feinsten selbstverständlich. Und wie ich da ganz unschuldig und ohne irgendwas zu erwarten beim Frühstück sitze, kommt der treueste aller Brüder, holt mich ab und bringt mich zum Flughafen. Vor lauter Rührung habe ich dann auch noch im Flieger mein T6-Poloshirt getragen. Wenn Sie also demnächst ein paar Stewardessen über „value bet“ und „drawing hand“ plaudern hören, wissen Sie warum.
Christoph Haller
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 17.04.2008.