Mit dem Artikel Poker Rigged? löste Kollege Arved Klöhn vergangene Woche eine der größten Diskussionen aus, die es je auf PokerOlymp gab. Immer wieder geschieht es, dass aus verschiedenen Gründen Betrug beim Poker vermutet wird, und zwar vor allem dann, wenn Dinge passieren, die „unmöglich“ scheinen.
Schon im Vorjahr hatte sich Arved dazu geäußert, wie unwahrscheinlich bzw. wahrscheinlich es ist, dass ein Spieler bei einer WSOP zwei oder mehr Bracelets gewinnt – auch dies ist in den Augen vieler Beobachter eigentlich ausgeschlossen.
Im Cardplayer äußerte sich zu diesem Thema nun auch der amerikanische Profi Steve Zolotow, der selbst bereits in den Genuss von zwei Bracelets kam, allerdings nicht im selben Jahr. Hier sein Beitrag in deutscher Übersetzung:
Kürzlich zeigte sich David Heyden überrascht, dass es fast jedes Jahr einen Spieler gibt, der zwei oder mehr Bracelets bei der WSOP gewinnt. Vermutlich kennt kaum jemand David Heyden. Obwohl er ein ruhiger und bescheidener Spieler ist, wird er seit Jahren für einen der besten Seven-Card-Spieler gehalten. Zuletzt konzentrierte er sich mehr auf NLHE, weil es dort mehr schlechte Spieler gibt. Wenn man überlegt, wie schwer es ist, überhaupt ein Bracelet zu gewinnen, scheint es zunächst sehr bemerkenswert zu sein, dass man in einem Jahr sogar zwei gewinnen kann.
Ich hielt die mathematische Aufgabe für reizvoll, zu ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist. Das Problem ist, dass es bei der WSOP um die 60 Turniere gibt. Bei manchen machen mehr als 4.000 Spieler mit, bei anderen weniger als 200. Einige Spieler nehmen nur an einem Turnier teil, andere an mehr als 20.
Im Allgemeinen ziehen die Turniere mit hohen Startgeldern und kleinen Feldern die besten Turnierspieler an. Diese wiederum sind diejenigen Spieler, die die wahrscheinlichsten Kandidaten für mehrere Turniersiege sind. Es war absolut notwendig, eine Methode zu entwerfen, mit der man die Wahrscheinlichkeit ermitteln kann, dass jemand mehr als ein Turnier gewinnt. Außerdem gibt es ein Super-Highroller-Turnier mit einem Buy-In von 1 Million Dollar. Neben einigen reichen Spieler zieht dies auch die besten Turnierspieler an. Hier meine Annäherung:
Als Ausgangspunkt nehmen wir an, dass nach 25 Turnieren mit 25 Siegern (von denen einige sehr stark sind), nicht jeder jedes weitere Turnier mitspielt. Je mehr Turniere absolviert werden, desto größer wird diese Gruppe von Spielern. Nehmen wir an, dass die Wahrscheinlichkeit, dass einer davon ein weiteres Turnier gewinnt, bei etwa 10 Prozent liegt. (Das ist für Turniere mit 200 Teilnehmern vielleicht wenig, für Turniere mit 3.000 Teilnehmern aber viel.) Die Wahrscheinlichkeit in jedem einzelnen Turnier, dass es keinen Wiederholungssieg gibt, beträgt somit 90 Prozent. Da noch mehr als 35 Turnier zu absolvieren sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass keiner der bisherigen Sieger noch einmal gewinnt, 0,9 hoch 35, also weniger als 3 Prozent.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler mehrere Turniere gewinnt, ist also größer als 30 zu 1. In dieser Annäherung ist allerdings nicht berücksichtigt, dass ein Spieler in den ersten 25 Turnieren einen zweiten Sieg landen könnte, und die Zahl von 90 Prozent wird auch in den letzten Turnieren verwendet, in denen mehr als 30 bisherige Sieger in einem Feld mit 200 Spielern teilnehmen könnten. Nimmt man dies alles zusammen, ist 30 zu 1 vermutlich eher niedrig angesetzt, doch hat man zumindest eine ungefähre Idee, warum einiges für einen mehrfachen Bracelet-Gewinner spricht.
Wem dies unglaubwürdig erscheint, dem sei das berühmte Geburtstagsproblem empfohlen: Wie viele zufällig ausgesuchte Personen braucht man, damit die Wahrscheinlichkeit für zwei Personen mit demselben Geburtstag über 50 Prozent liegt? Die überraschende Antwort lautet, dass schon bei 24 Personen ein doppelter Geburtstag wahrscheinlicher ist. Schon bei 60 Personen beträgt die Wahrscheinlichkeit mehr als 99 Prozent. Wer mehr über dieses Problem wissen will, findet bei Wikipedia eine gute Erklärung.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.05.2012.