Es ist Zeit für den Showdown, aber niemand dreht seine Karten um. Zur gleichen Zeit passieren verschiedene Dinge. Spieler, die nicht an der Hand beteiligt waren, werden sofort ungeduldig. Der Geber fordert einen der beiden Spieler auf, seine Hand aufzudecken.
Währenddessen erleben die am Pot beteiligten Spieler einen spannenden Moment, da ihre Karten mit zunehmender Zeit stärken werden. Die Gedanken rasen. Die Blicke sind starr. Wir alle kennen und lieben diese Unterbrechung, bei der ein Ass als höchste Karte auf einmal eine Chance auf den Sieg zu haben scheint.
Diese bekannte Verzögerung am Ende einer Hand kommt in vielen Versionen vor. Vielleicht haben gleich mehrere Spieler den River gecheckt. Oder zwei Spieler mit Draws haben sich in eine Raise-Schlacht verwickelt und beide haben nichts getroffen. Oder es haben sich Dinge zugetragen wie in den beiden folgenden Händen…
Die Qual des Sieges
In einer Partie mit Blinds von 40 $/80 $ und insgesamt drei Spielern, raiste ich mit 3 3 vom Button. Der Small Blind callte und der Big Blind reraiste. Ich callte und der Small Blind ebenfalls. Auf dem Flop kamen A 6 5 . Beide Spieler checkten und ich setzte. Beide callten.
Auf dem Turn kam die 2 . Der Small Blind checkte und der Big Blind setzte. Ich callte und der Small Blind ebenfalls. Auf dem River kam der K und wir saßen vor einem Board mit A 6 5 2 K . Wir checkten alle.
Nach dem anschließenden Zögern aller Beteiligten war klar, dass niemand eine besonders gute Hand hatte. Der Small Blind verkündete „Die Nuts ohne Paar“ und drehte seinen geplatzten Flush Draw um: Q J . Der Big Blind und ich warfen uns einen kurzen Blick zu und hofften beide darauf, der andere würde seine Karten im Muck verschwinden lassen.
Er schaute sich noch einmal seine Karten an, dann mich, dann das Board, dann noch einmal seine Karten, und schließlich begann er, seine Karten umzudrehen. Verdammt! Das hieß, ich konnte nicht gewinnen. Er würde seine Hand nur zeigen, wenn er ein Paar schlagen konnte und das bedeutete, dass er ein Paar hatte und meines in großen Problemen steckte.
Aber, Moment. Es ware ja denkbar, dass er eine Zwei hat, oder? Immerhin hatte er auf dem Turn gesetzt, als eine Zwei kam. Er hatte jedoch vor dem Flop gereraist. Welche andere Karte konnte er in Gottes Namen haben? Eine Dame? Einen Buben? Ich griff nach Strohhalmen.
Nach einer Sekunde, die mir wie eine Minute vorkam, drehte er schließlich 2 3 , womit er ein Paar Zweien hatte. Kein Wunder, dass ich nicht darauf gekommen war. Na und? Entscheidend war, dass mein Paar Dreien die beste Hand war. Und jetzt schieb mir mal zügig den Pot rüber!
Der Nervenkitzel bei der Niederlage
Vor einigen Jahren sah ich ein Interview mit der Tennislegende Ivan Lendl. Ich horchte auf, als er folgendes sagte. „Ich versuche, in meinen Matches weniger nachzudenken.“
Ich glaube, ich weiß, was er meinte. Es ist wie im Heads-Up mit einem Spieler, dessen Wortschatz nur aus „Bet“ und „Raise“ besteht. Häufig entscheide ich mich schon früh in der Hand, mir den Showdown anzusehen.
In einer Partie mit Blinds von 20 $/40 $ hatte ich auf dem Button 6 6 . Alle vor mir foldeten und ich raiste. Charlie, der Spieler, der immer mit Chips um sich warf, raiste im Small Blind. Der Big Blind foldete und ich callte. Wir waren im Heads-Up und ich hatte Position.
Kaum hatte ich seinen Reraise gecallt, setzte Charlie, ohne sich den Flop anzusehen.
Wie Kent, der No-Limit-Spieler sagt, “Welch ein Druck.” Juckte mich das? Nicht im geringsten. Da ich ihn unabhängig von den Karten bis zum Ende callen wollte, callte ich, ohne den Flop abzuwarten. Dann kam der Flop. Qx 9x 2x , als ob es eine Rolle spielte.
Erneut setzte er auf dem Turn, ohne sich diesen anzusehen. Impulsiv callte ich ebenfalls, ohne den Turn abzuwarten. Dann sahen wir die Turn-Karte: Eine zweite Neun. Wir hatten einen eleganten Rhythmus erreicht. Der Geber war schnell und zuverlässig. Wir Spieler sahen wie in Wimbledon jeden Schlag kommen, stöhnten dabei aber weniger.
Natürlich setzte Charlie auch auf dem River, ohne die Karte abzuwarten und mit meinem Kriegsstolz callte ich gleichzeitig, bevor ich sie gesehen hatte. Die Setzfolge war damit beendet.
Schließlich sahen wir die River-Karte – eine Dame –, die zwei Paare auf das Board gebracht hatte: Qx 9x 2x 9x Qx . Mein starrköpfiges Paar Sechsen war ein entwertet worden und ich hatte nur noch eine grandiose Sechs als höchste Karte. Ich war nie ein guter Tennisspieler gewesen.
Charlie kann nichts erschüttern. Er ist eine Mischung aus die Ruhe selbst und zufriedener Kunde.Seelenruhig sagte er, „Guter Call, ich habe nichts getroffen.“
“Wie schlecht ist Deine Hand denn?” fragte ich.
Ich war wieder an diesem magischen Moment angekommen. Er hatte nichts und ich hatte gar nichts. Dennoch konnte ich es mir nicht verkneifen, mir ein Gewinnszenario zurechtzuspinnen.Manchmal treffen Tennisspieler den Ball nicht gut und dieser wäre ins Aus gegangen, wenn der Gegner ihn nicht berührt hätte. Kann ich nicht immer noch gewinnen, weil Charlie ein niedrigeres Paar hat? Oder gar 2 3 wie in der ersten Geschichte?
Charlie drehte J 10 um und hatte einen geplatzten Straight Draw. Ich sah mich einem unbezwingbaren Buben als höchste Karte gegenüber. Ich räusperte mich und sagte verlegen, „Oh, das ist eine schöne Hand.“ Wir mussten alle herzlich lachen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.01.2009.