In diesem Artikel möchte ich einige Gedanken darlegen, die in einer Diskussion über eine Hand in einem Internet-Forum für Multi-Table-Turniere aufkamen. Dabei ging es um das Verhältnis von Handanalyse und anderen Fähigkeiten beim Poker. Bevor ich fortfahre, möchte ich Sie kurz in den Kontext der Diskussion einweihen.
Ein Spieler, der an Turnieren mit hohen Startgeldern teilnimmt, veröffentlichte einen Beitrag über eine Hand, die er am Finaltisch eines EPT-Turniers mit einem Buy-In von 20.000 ₤ in London gespielt hatte. Sein Gegner war ebenfalls ein bekannter Spieler, der zumeist Cash Games mit sehr hohen Einsätzen spielt. Die Blinds lagen bei 5.000/10.000 mit einem Ante von 1.000, fünf Spieler saßen am Tisch und die effektiven Stacks betrugen etwa 300.000.
Unser Spieler raiste in UTG mit Ax 9x suited auf 27.000 und sein Gegner callte im Big Blind. Auf dem Flop kamen Ax Kx 8x in verschiedenen Farben und beide Spieler checkten. Auf dem Turn kam mit der 5 ein zweites Karo aufs Board. Der Gegner setzte 37.000 und unser Spieler callte. Auf dem River kam eine 4x in einer anderen Farbe und der Gegner setzte 65.000. An dieser Stelle unterbrach unser Spieler den Fortgang der Hand und fragte die Forumsmitglieder nach der korrekten Spielweise.
Offensichtliche Pot-Kontrolle
In meiner Antwort wies ich darauf hin, dass unser Spieler sich mit seinem Check auf dem Flop in eine sehr unangenehme Lage gebracht hat. Ein Flop mit Ax Kx 8x in verschiedenen Farben trifft viel eher die Hand eines Preflop-Raisers als die Hand eines Preflop-Callers. Daher eignet sich dieser Flop ausgezeichnet für einen Bluff, wenn unser Spieler eine Hand hat, die sehr geringen Showdown-Wert besitzt. Tatsächlich geht der Gegner vermutlich davon aus, dass unser Spieler auf diesem Flop praktisch immer mit einer Hand setzt, die den Showdown ohne Verbesserung nicht gewinnen kann.
Indem er nicht setzt, gibt unser Spieler eine Menge Informationen über seine Hand preis. Meines Erachtens teilt ein Check mit, dass unser Spieler eine Hand mit einem Paar hat, die vermutlich vorne liegt, aber nicht viel Action aushält. Er ist darauf aus, den Pot zu kontrollieren und recht billig den Showdown zu erreichen.
Ich behaupte nicht, dass die Hand unseres Spielers völlig offensichtlich ist. Er könnte ein Ass mit schwachem Kicker, ein Paar Könige oder ein hohes Pocket Pair wie QQ oder JJ haben. (Bei einem niedrigeren Paar wie 77 gehe ich von einer Bet aus.) Zwischen diesen Händen bestehen bedeutende Unterschiede, aber wenn der Gegner auf Turn und River setzt, kann man eigentlich nur noch Bluffs schlagen. Anders gesagt: Da der Gegner selten mit einer schlechteren Hand for Value setzt, kann unser Spieler mit den zuvor genannten Händen im Grunde nur callen, wenn er auf einen Bluff hofft.
Dies ist der Hintergrund der Bestürzung unseres Spielers. Wenn er in dieser Situation mit Ax 9x immer callt, kann sein Gegner dies ausnutzen, indem er mit allen Bluffs aufgibt und mit allen besseren Händen for Value setzt. Foldet er Ax 9x immer, kann sein Gegner dies ebenfalls ausnutzen, indem er unseren Spieler in einem Großteil der Fälle aus dem Pot blufft. Da es relativ eindeutig ist, dass unser Spieler ein Paar hat, muss er in einigen Fällen callen, um Bluffs zu entlarven, und in einigen Fällen folden, um Value Bets aus dem Weg zu gehen. In der konkreten Situation weiß unser Spieler nicht, wie häufig sein Gegner auf dem River blufft, und hat deshalb keine Kenntnis darüber, wie oft er callen muss, um zu verhindern, dass sein Gegner aus einem Bluff auf dem River Kapital schlägt.
Ich nenne dieses Konzept offensichtliche Pot-Kontrolle. Einem versierten Gegner hat unser Spieler durch seine Aktionen verraten, dass sein Handspektrum fast ausschließlich aus mittelstarken Händen besteht. Gegen weniger aufmerksame oder schwächere Kontrahenten ist dies gewiss nicht falsch, sondern häufig eine gute Spielweise. Gegen einen starken Kontrahenten derart viel Informationen preiszugeben, ist jedoch eine gefährliche Ausgangslage.
Besäße unser Spieler konkrete Kenntnisse von den gegnerischen Tendenzen, die er ausnutzen will, wäre ein Check auf dem Flop sehr sinnvoll. Wenn der Gegner zum Beispiel ein extrem aggressiver Maniac ist, wäre Heruntercallen eine gute Spielweise, da dieser vermutlich weit öfter blufft, als dies optimal wäre. Ähnlich verhält es sich, wenn der Gegner passiv ist und nie Bluffs auf mehreren Straßen bringt. Dann ist es am besten, auf dem Flop zu checken, auf dem Turn zu callen und auf dem River zu folden. Aber gegen einen Kontrahenten mit einer unbekannten, aber vermutlich guten Bluff-Quote bringt ein Check unseren Spieler in eine schwierige Lage.
Profitable Setzfolgen
Ich führte meine Argumentation als Grund für eine Bet auf dem Flop an. Da unser Spieler auf dem Flop so häufig blufft, ist Ax 9x innerhalb seines Setzspektrums viel stärker als innerhalb seines Checkspektrums.
Ein anderer Beiträger stellte zur Diskussion, ob es tatsächlich ein Fehler sei, sich selbst in eine Lage zu bringen, in der man die Bluff-Quote des Gegners abschätzen muss. Geht es beim Poker nicht immer darum, einen Hinweis auf das gegnerische Handspektrum zu bekommen? Müsste unser Spieler nicht auch dann Abschätzungen treffen, wenn er nach einer Bet gecheckraist wird?
Poker ist ein Kampf um Informationen, aber Wissen ist nur die halbe Miete. In The Mathematics of Poker zeigen Chen and Ankenman, dass ein Spieler, dessen Hand beiden Kontrahenten bekannt ist, automatisch in einer Situation mit negativem EV steckt. Aus spieltheoretischer Sicht kann er bestenfalls eine Call-Quote festlegen, die seine Verluste minimiert. Wie viel er genau verliert, hängt von der Potgröße ab, aber der Spieler mit dem aufgedeckten Blatt verliert auf jeden Fall Geld, sofern er nicht einen konkreten Fehler seines Gegners ausmachen und diesen ausnutzen kann.
Es ist keine besonders revolutionäre Behauptung, dass das Aufdecken der eigenen Hand beim Poker keine günstige Ausgangsposition ist. In der vorliegenden Hand sind die Karten unseres Spielers nicht exakt bekannt. Dennoch geht es darum, wie Sie Ihr Spiel mit Setzfolgen aufbauen, die mehr verschleiern als verraten und Ihren Gegner dazu zwingen, Einschätzungen zu treffen.
Wenn in diesem Beispiel der Gegner auf dem Flop checkt und callt, beide Spieler auf dem Turn checken und der Gegner auf dem River wieder checkt, ist er derjenige, der zu einer Spielweise mit offensichtlicher Pot-Kontrolle gezwungen ist. Sein Handspektrum entspricht in etwa demjenigen unseres Spielers, wenn dieser den Flop checkt: vor allem Ax , Kx und Pocket Pairs. Ich behaupte aber in diesem Fall, dass unser Spieler nicht nur dann positiven EV besitzt, wenn er Ax 9x hält, sondern mit seinem gesamten Handspektrum. Er hat mehr Informationen über das gegnerische Spektrum als umgekehrt und demzufolge die Möglichkeit, aus der River-Bet Kapital zu schlagen.
Oder mit anderen Worten: In zwei nahezu identischen Situationen mit zwei Spielern in denselben Positionen, den selben Handspektren vor dem Flop, den selben Gemeinschaftskarten und der selben Anzahl von Bets, besitzt eine Situation positiven EV für unseren Spieler und eine Situation positiven EV für den Gegner. Alles hängt von der Setzfolge ab. Wenn unser Spieler auf dem Flop setzt, auf dem Turn checkt und auf dem River wieder setzt, ist er in der profitablen Situation. Sein Gegner hat ihm Informationen übermittelt und die Kontrolle darüber verloren, wann und wie das Geld in den Pot wandert.
Checkt jedoch unser Spieler auf dem Flop, callt auf dem Turn und wird mit einer Bet auf dem River konfrontiert, ist er derjenige, der Informationen und die Kontrolle preisgegeben hat und sich einer unprofitablen Situation gegenüber sieht. Es geht nicht darum, wie unser Spieler mit Top Pair und mittlerem Kicker spielen sollte, sondern mit den meisten Händen seines Spektrums in den meisten Fällen.
Natürlich könnte unser Spieler auf dem Flop immer checken und auf diese Weise nichts über seine Hand verraten. Allerdings würde er auf diese Weise viel Value aufgeben, um einen kleinen Teil seines Handspektrums zu schützen. Dieser Flop hilft viel eher dem Spektrum des Preflop-Raisers als dem Spektrum des Preflop-Callers. Folglich schlägt der Preflop-Raiser unabhängig davon, ob er getroffen hat oder nicht, aus einer Bet Kapital. Mit Nichts bringt er oft bessere Hände zum Folden. Und mit Ax 9x kann er durchaus einen Call oder einen Raise (als Bluff) von schlechteren Händen erwarten, da ein Großteil seines Spektrums Bluffs umfasst.
Der Wert einer Hand hängt nicht nur vom Board und dem gegnerischen Spektrum ab, sondern auch vom Verhältnis zu den anderen Händen des eigenen Spektrums. So merkwürdig es klingen mag: Sofern unser Spieler auf diesem Flop auch häufig blufft, steigt der Wert seiner Hand durch eine Bet. Der Gegner muss gegen das gesamte Handspektrum unseres Spielers antreten, und da Ax 9x innerhalb seines Spektrums für eine Bet stärker ist als innerhalb seines Spektrums für einen Check, gewinnt eine Bet an Wert.
Eine Bet hat den zusätzlichen Vorteil, dass unser Spieler die Pot-Kontrolle behält. Höchstwahrscheinlich wird der Gegner nach einer Bet unseres Spielers auf Turn und River zu ihm checken. Nach einem Check unseres Spielers hat der Gegner aber die Option, auf Turn und River zu setzen und daher mehr Entscheidungsmöglichkeiten, wann und wie gesetzt wird.
Fazit
Manche Casinos erlauben den Spielern, eine Karte Ihres Blatts zu zeigen, um einen Bluff zu provozieren. Zum Beispiel könnte ein Spieler gegen einen übermäßig aggressiven Kontrahenten auf einem Board mit A 3 5 7 9 checken und das A zeigen. Auf diese Weise zeigt er seinem Kontrahenten, dass er keine Straight und keinen Flush haben kann, und wird anschließend eine Bet callen, weil er von häufigen Bluffs seines aggressiven Gegners ausgehen kann.
Dies funktioniert, wenn man weiß, dass ein Gegner einen bestimmten Fehler begeht und wie man diesen ausnutzen kann. Stärkeren Kontrahenten sollten Sie aber nicht die Gelegenheit geben, annähernd optimal zu spielen, da sie dies sonst häufig tun. Vor der Entscheidung für eine bestimmte Spielweise sollten Sie darüber nachdenken, wie eine Setzfolge auf mehreren Straßen Einfluss darauf nimmt, wer die Kontrolle über die späteren Setzrunden hat und welche Informationen für Sie und Ihren Gegner verfügbar werden.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.11.2008.