Der übliche Ratschlag für die Spielweise gegen Kontrahenten, die zu oft callen, ist genauso einfach wie vernünftig: Bringen Sie mehr Value Bets und bluffen Sie seltener. Dies ist eine solide und profitable Strategie, die ich nicht auf den Kopf stellen will.
Allerdings glaube ich nicht, dass man seine Gewinne maximieren kann, wenn man der strengen Regel folgt, eine Calling Station nie zu bluffen. Da loose Spieler mit höherer Wahrscheinlichkeit schlechte Karten haben als tighte Spieler, kann man sie sogar in manchen Situationen profitabel bluffen, in denen dies gegen tightere Spieler nicht funktionieren würde. Notwendig ist dafür lediglich Hartnäckigkeit und die Wahl des richtigen Zeitpunkts.
Werden Sie überspielt?
Spieler, die zu oft callen, werden in der Regel als schlecht eingestuft und meist stimmt das auch. Vor allem wenn diese Spieler Position haben, kann ihre Tendenz, mit fast beliebigen Karten Raises vor dem Flop und Continuation Bets zu callen, ziemlich verheerende Folgen für einen Spieler haben, welcher der tight-aggressiven Spielweise folgt, wie sie von den meisten Pokerstrategen empfohlen wird. Bedenken Sie, dass die übliche tight-aggressive Strategie bei No-Limit Hold’em darin besteht, vor dem Flop zu raisen, unabhängig von den Karten auf dem Flop zu setzen und anschließend auf dem Turn aufzugeben, wenn Sie keine starke Hand haben und Ihr Gegner noch immer nicht gefoldet hat. Mit dieser Spielweise verlieren Sie gegen einen loosen Spieler, der Position auf Sie hat, ziemlich viele Pots, weil Sie entweder auf dem Turn die bessere Hand folden oder Ihrem Gegner gestatten, mit einer schwachen, aber besseren Hand den Showdown zu erreichen.
Noch schlimmer ist sogar, dass ein looser Spieler, der sich daran gewöhnt hat, wie Sie auf dem Turn die Hand aufgeben, möglicherweise foldet, wenn Sie ein Monster haben und weitersetzen. Obwohl ein tight-aggressiver Spieler vermutlich immer noch Gewinne erzielt, wenn er Out of Position gegen eine Calling Station spielt, verliert er dennoch viel Geld, falls er sich nicht dem loosen Spiel seines Gegners anpasst.
Wie man die Fehler der Calling Stations ausnutzt
Wie der Name schon sagt, besteht die Fehlerhaftigkeit des Spiels einer Calling Station darin, dass sie zu oft callt. Mit anderen Worten spielt sie zu viele Hände und investiert mit ihnen mehr Geld, als diese wert sind. Dies ist aus zwei Gründen schlecht, wobei ein Grund offensichtlicher als der andere ist.Der offensichtliche Grund besteht darin, dass die Calling Station viel zu viel Geld investiert, wenn sie zurückliegt. Das bedeutet, sie callt mit der schlechteren Hand, ohne ausreichende Chancen auf Verbesserung zu besitzen. Entsprechend einfach ist die Methode, diesen Fehler auszunutzen, nämlich mit mehr Händen Value Bets zu bringen, weil Sie darauf vertrauen können, dass Ihr Gegner Sie mit schlechteren Händen bis zum Ende callt.Das Risiko, die schlechtere Hand zu haben, ist aber nicht der einzige Grund, warum Calls mit einer schwachen Hand teuer sind. Manchmal ist es auch dann korrekt, eine schwache Hand zu folden, obwohl man glaubt, sie sei im Moment die beste, wenn diese wenig Aussichten auf Verbesserung bietet und keine weitere Action verträgt. Gegen Spieler, die diese hoffnungslosen Hände nach einer einzelnen Bet nicht folden, ist es profitabel, eine zweite und bisweilen eine dritte Salve abzufeuern.
Ein Beispiel
Ich möchte Ihnen dies anhand eines Turniers illustrieren, das ich kürzlich gespielt habe. Ich hatte gerade meinen Platz in einem wöchentlich stattfindenden 1.000 $-Online-Turnier eingenommen und überprüfte die Anmerkungen über die anderen Spieler am Tisch. Die meisten waren ziemlich starke und recht bekannte Turnierspieler, wie auch der Spieler zu meiner Linken. Die einzige Ausnahme stellte der Spieler zwei Plätze rechts von mir dar, über den ich notiert hatte: „Unfassbare Calling Station“.
Zufälligerweise saß die Calling Station in der ersten Hand auf dem Button, während ich im Big Blind und der starke Spieler zu meiner Linken in UTG war. Bei Blinds von 10/20 raiste Letzterer auf 70 und bekam vier Caller, darunter den loosen Spieler auf dem Button. Nun war ich mit Ax Jx im Big Blind am Zug.
In der Regel folde ich Ax Jx selbst dann gegen einen Raise aus erster Position, wenn es sich um einen bekanntermaßen loose-aggressiven Spieler handelt. Obwohl meine Hand für einen Call zu schwach war, kam ich zu dem Schluss, dass der Spieler in UTG zwar mit vielen Händen in dieser Situation raisen, aber nur mit sehr wenigen einen Reraise callen würde. Außerdem vermutete ich, dass die anderen Spieler mit einem hohen Paar eher gereraist hätten, wodurch sich eine gute Gelegenheit für ein Squeeze Play bot.
Der einzige Spieler, dem ich einen Call zutraute, war der loose Kontrahent auf dem Button, doch erschien mir Ax Jx angesichts des vielen Dead Money gegen sein Call-Spektrum recht aussichtsreich. Daher reraiste ich auf 420 und wie erwartet foldeten alle Spieler bis auf den Button. Nichts können Calling Stations besser als callen. Bei jedem anderen Spieler hätte ein Call dazu geführt, dass ich nur noch bei einem perfekten Flop weiteres Geld gesetzt hätte. Mit meinem hohen Reraise gegen einen Raise aus UTG repräsentierte ich eine Premium-Hand und selbst wenn einige Spieler schlau genug waren, ein eventuelles Squeeze Play zu vermuten, mussten sie doch erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine starke Hand bei mir zu groß war, um ohne ein wirklich gutes Blatt profitabel callen zu können.
Dies gilt aber nicht für die “unfassbare Calling Station”. Bei so vielen Spielern im Pot konnte sein erster Call praktisch alles bedeuten. Trotz seiner loosen Spielweise hielt ich es nicht für möglich, dass er ohne vernünftige Hand gecallt hatte. Vielmehr vermutete ich eine „ordentliche“ Hand wie 8x 8x oder Ax Qx , mit der er sich trotz der von mir signalisierten Stärke nicht zu einem Fold durchringen konnte.
Auf dem Flop kamen Kx 9x 5x in drei verschiedenen Farben. Keine Hilfe für meine Ax Jx , aber ein guter Flop, um gegen einen Spieler, dem ich keine besonders gute Hand zutraute, eine weitere Bet abzufeuern. Aus diesem Grund hielt ich eine Bet auf dem Flop für profitabel und setzte 600, aber die dickköpfige Calling Station callte erneut!
Auf dem Turn kam eine Qx , die mir einen Gutshot brachte. Das war zwar keine große Hilfe, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass die Hand dieses Spielers für diese heftige Action nicht ausreichen konnte. Kluge und tighte Spieler callen ohne Monster keinen hohen Reraise vor dem Flop und eine hohe Bet auf diesem Flop. Aber dieser Gegner war weder klug noch tight. Aus Erfahrung wusste ich, dass er mit mehr Händen diese Action mitging, als es sinnvoll war.Zweifellos schien dies nicht der ideale Spieler für einen Bluff zu sein. Andererseits befand ich mich nun in einem riesigen Pot mit einem Gegner, der vermutlich keine besonders starke Hand hatte, und somit doch einer idealen Situation für einen Bluff.
Calling Stations muss man mehr von einem Fold überzeugen als andere Spieler, aber mit genügend Überzeugungskraft kann man sie in Situationen bluffen, in denen dies gegen andere Spieler nicht möglich ist. Beispielweise würde ich auf diesem Turn gegen keinen anderen Spieler an diesem Tisch ein All-In auch nur in Betracht ziehen, da keiner von ihnen an diesen Punkt der Hand gelangt wäre, ohne mit großer Freude zu callen. Aber in dieser Situation ging ich mit meinen letzten 2.000 All-In und mein Gegner foldete.
Wann diese Spielweise funktioniert
Ich habe mich in diesem Fall sehr allgemein ausgedrückt, aber wie bei fast allem was Poker betrifft, kommt es auf den Spieler an. Verschiedene Spieler, die man alle als Calling Stations bezeichnen kann, callen in verschiedenen Situationen aus verschiedenen Gründen. Manche können auf die eine Weise geblufft werden, manche auf eine andere und die hartnäckigsten gar nicht. Einige Prinzipien für Bluffs gegen Calling Stations sollten Sie sich aber einprägen:
1. Es ist wichtig, maximalen Druck auszuüben. Dass mein Beispiel aus einem Turnier stammt, ist kein Zufall. Viele Spieler sind in der Regel viel zu loose, aber viel zu tight, wenn es in einem Turnier um ihre letzten Chips geht. Gegen diese Spieler können Sie sehr profitabel bluffen, sofern Sie bereit sind, deren gesamte Chips aufs Spiel zu setzen und wenn diese nach einem Fold noch genug Chips haben, um eine Chance auf den Turniersieg zu besitzen. Dies gilt vor allem in den frühen Phasen großer Turniere, wenn die Stacks groß sind und die Spieler große Distanzen zurückgelegt haben, um mitzuspielen.
2. Bluffen Sie keinen Short Stack. Dies ist eine logische Folge von Regel 1. Auf einen Spieler mit wenigen Chips können Sie keinen Druck ausüben. Spieler, die in einem Turnier nur noch wenige Chips haben, wollen entweder verdoppeln oder nach Hause gehen und sind selten in der Stimmung, eine potenzielle Gewinnerhand zu folden. Ähnliches gilt für Spieler, die sich mit kleinen Stacks an einen Cashgame-Tisch setzen, um die schwierigen Situationen mit großen Stacks zu vermeiden. Da diese Spieler nicht genug Chips haben, um vor einer schwierigen Situation zu stehen, sollten Sie dies auch nicht versuchen.
3. Seien Sie in Partien mit Limits vorsichtig. Sie können keinen maximalen Druck ausüben, wenn Ihr Gegner für einen Call Pot Odds von 6 zu 1 bekommt. Dennoch gibt es vergleichbare Situationen, in denen die Bereitschaft eines Gegners, schwache Hände zu spielen, profitable Bluffs ermöglicht.
4. Es ist nicht schlimm, erwischt zu werden. Versuchen Sie es aber nicht noch einmal. Calling Stations suchen nach Ausreden für einen Call. Sobald sie einen Bluff von Ihnen verfolgt haben – auch wenn der Gegner jemand anders war – werden sie keine Hand mehr folden. In ihren Augen sind Sie ein Bluffer, daher ist es an der Zeit, tighter zu spielen, mehr Value Bets zu bringen und nie zu bluffen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.02.2009.