Der zweite Tag wird für unseren Helden Kurt immer länger und langsam aber sicher verschwimmt alles vor seinem inneren Auge. Auf Englisch “to blur”. Trotzdem ist die Geschichte “WSOP-Brei” vom Feinsten.
Viel Spaß mit seinem Bericht:
Pfabpfab, mein Freund, über den ich bereits geschrieben habe, fand im Cashgame einen Soft-Seat, der sich aber leider auflöste. So kommt er zu mir ins Rio zum Essen. Er taucht vor 20.00 Uhr auf, kurz vor der Dinner-Break. Ich sehe ihn und sage: “What the fuck, warum nur 60 Minuten, gestern hatten wir 90.” Ihm ist es egal, er fragt nur, was ich essen will. Die Zeit reicht leider nicht, um ein vegetarisches Restaurant zu finden und so enden wir wieder im Cafe. Ich bestelle das Chicken Qusedilla aber eben ohne Chicken.
Ich weiß nicht mehr, über was wir beim Essen gesprochen haben, es ging aber nicht um Poker. Als wir fertig sind, fragt er mich, ob er ein bisschen Railbird bei mir spielen darf. “Ich finde es cool.” Er sagt: “Ok, aber wenn es dich nervt, sag sofort Bescheid und ich bin weg.” Ich:” Ja, passt schon.”
Es geht los und ich folde für 45 Minuten. Dann wird mein Tisch aufgelöst. Ich komme an einen neuen Tisch und kriege Seat 6. Joe ist auch da, er hat Seat 1. Ich kenne ansonsten keinen und fange an, mit ihm zu plaudern. “Hi, ich bin Kurt aus Kalifornien. Wo kommst du her?” Es gibt auch einen Australier am Tisch, Jimmy, der prompt in das Gespräch einsteigt. Er hat ein Bier in der Hand. Sehr gut.
Jimmy zieht einen Zettel mit der Payout-Struktur aus der Tasche und guckt nach, wo wir sind. “Wie viel”, frage ich. “3.500”, bekomme ich zur Antwort. Er dreht sich zum Monitor um: “aber nur noch zehn Spieler und wir sind bei 4.000 Dollar”. “Sehr gut”, sage ich. Jimmy und ich verstehen uns blendend. Keiner sonst am Tisch unterhält sich. Die Zeit der Ernsthaftigkeit ist gekommen – außer für Jimmy und mich. Wir machen Witze am laufenden Band. Der Dealer macht einen Kommentar. Wir giggeln und kichern bis der folgende Spot kommt.
Alle folden zu Jimmy auf dem Button. Er erhöht. Ich schaue auf Pocket-Vieren. Meine M ist weniger als 10 und ich gehe all-in. Ich habe aufgehört zu lachen, schiebe meine Chips in die Mitte und erstarre zur Salzsäule. Komischerweise und ganz plötzlich ist es ganz still. Die Big-Blind foldet augenblicklich. Jimmy macht komische Geräusche und – foldet. Ich staple Chips.
“Sorry, ich hatte eine Hand, ich habe hier nicht geklaut, oder so”, sage ich. “Ist ok, ich habe zuerst geraist”, entgegnet Jimmy. Ich mag ihn. Die anderen Spieler am Tisch: es gibt einen runden asiatischen Youngster mit einem Victorypoker.com-Kapuzenpulli. Da ist noch ein Latino um die Dreißig zu meiner Linken. Auch links sitzt eine ultrascharfe Tussi in einem weit ausgeschnittenen T-Shirt, die uns alle wahnsinnig macht. Ich muss mich die ganze Zeit zwingen, ihr nicht auf die Titten zu glotzen. In Seat 10 sitzt ein übergewichtiger Weißer um die Dreißig.
Um ehrlich zu sein, ich kann nichts mehr über einzelne Hände erzählen, alles verschwimmt irgendwie. The Big Blur. Ich bin eine Maschine, die sich um Stacks, Position, Reads, Ranges, Hände und Entscheidungen kümmert. Nur Stacks, Position, Reads, Ranges, Hände und Entscheidungen. In einer Rauchpause versuche ich mich an die letzte gewonnene Hand zu erinnern. Es geht nicht. Die Vergangenheit liegt weit zurück. Es gibt nur die Gegenwart. Es gibt nur Stacks, Position, Reads, Ranges, Hände und Entscheidungen.
Was ich sagen kann, ist, dass ich meine Nikotin-Pissen-Routine perfektioniert habe. Zwischen den Pausen sind zwei Stunden. Wenn die Pause endet, hole ich mir zwei oder drei Flaschen Wasser. Dann nach 40 Minuten warte ich auf einen Moment, in dem ich in Early-Position abhauen, aber vor den Blinds zurück sein kann. Dann stehle ich mich raus und rauche beim Pissen. Spätestens zur Big-Blind bin ich dann wieder da. Bis zur nächsten Pause trinke ich keinen Schluck und alles geht von neuem los. Ich bin eine verdammte Maschine und halte meinen Wasserhaushalt bis in alle Ewigkeit auf Level. Es klappt.
Das einzige Detail in diesen Stunden habe ich aus Twitter. Ich scheine gut zu spielen. Meine Twitter-Updates zeigen, dass ich nach der Dinner-Break von 77k auf 115k gekommen bin. Auch pfabpfabs Twitter zeigt das. Er railt immer noch. Ich hatte Spaß. Alles, was ich von fünf erfolgreichen Stunden erzählen kann, ist: “Ich habe viel gefoldet, irgendwie hab ich mich verdoppelt und ich hatte Fun.”
Stacks, Position, Reads, Ranges, Hände und Entscheidungen.
Oh, doch, an eine Hand erinnere ich mich noch. Ich war aber nicht dabei. Joe limpt UTG. Ihr erinnert euch an Joe, oder? Der straighte TAG, der meine Damen squeeze-3bettet hat und mich vorher verdoppelt hat. Genau der. Ich muss euch was über Joe erzählen. Joe hat keine UTG-Limping-Range! Er kann nur Pocket-Aces haben. Sonst nichts. Ich schaue nach links und der Latino-Typ ist kurz vorm callen. Ich überlege zu callen und mich irgendwie zu verdoppeln. Ich habe aber nur Jack-Deuce-offsuit und folde. Der Latino-Typ callt. Die geile Tussi in der Small-Blind foldet. Der Dicke in der Big-Blind überlegt lange. Er checkt.
Drei Spieler sehen den Flop und es kommt. J83-Rainbow. Der Dicke in der Big-Blind checkt, Joe setzt den Pot und der Latino erhöht. Die Big-Blind foldet, Joe geht all-in. Der Latino snap-callt und deckt KJ-offsuit für Top-Pair auf. Joe zeigt Pocket-Aces. Das Board brickt und der Latino geht nach Hause. Joe hat Unmengen an Chips. Ich lächle. Dann geht das große Folden weiter.
Fortsetzung morgen.
Hier der Link zum Thread bei twoplustwo.com
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.08.2010.