Der Auftakt bei Event #8 der WSOP war zäh für unseren Helden Kurt. Gerade so eben konnte er seinen Stack einigermaßen zusammenhalten, doch es sollte im Verlauf des Tages besser werden. Lest selbst:
Mittlere Phase
Um etwa 19.00 Uhr ist das Dinner Break und ich bin erschöpft. Außer Folden habe ich nichts gemacht und somit nur 6.000 Chips und einen M unter 10. Was soll’s. Zeit, etwas zu essen.
Ich komme an den Tisch zurück und die meisten Spieler sind schon da, aber nicht der “Gangstertyp.” Ein paar andere Spieler reden über ihn und nennen ihn Mike, da frage ich, ob sie ihn wirklich kennen. Sie fragen zurück, „Wen, den Grinder?“ und ich kapiere, dass der „Gangstertyp“ in Wirklichkeit Michael „The Grinder“ Mizrachi ist. Er ist deshalb so müde, weil er am Vortag bis sechs Uhr morgens wach war und die 50.000 $ Players Championship samt 1,5 Millionen Dollar gewonnen hat.
Teufel noch mal, ich habe den Grinder am Pokertisch geweckt. Alles weitere ist mir egal, meine WSOP ist gerettet!
Die Karten werden wieder ausgeteilt und etwa in der dritten Hand nach dem Essen folden alle zu mir im Cut-Off und ich habe 6x 6x . Mein M liegt bei ungefähr 5. Scheißegal. Ich bin All-In.
Die nächsten beiden folden und der “Profi” im Big Blind ist an der Reihe. Mit einem Call würde er etwa seinen halben Stack riskieren – kein Weltuntergang, aber er stünde bei einer Niederlage ziemlich mies da. Es gefällt mir nicht, dass er darüber nachdenkt, da ich wenig Zweifel habe, dass er auf jeden Fall die richtige Entscheidung trifft. Er denkt etwa eine Minute nach und scheint zum selben Schluss wie ich zu kommen: Scheißegal. Er callt und dreht Ax Qx um. Nur Blanks auf dem Board und ich verdopple bei diesem Coinflip auf 12.000 Chips.
Im Ernst. Ich habe einen Coinflip gewonnen. Ich lüge nicht. Es ist wirklich passiert. Ich bin total aufgeputscht und denke mir, “So gewinnt man Turniere“, als ich meine Chips staple.
„Der Trottel“ reraist und callt anschließend ein All-In mit Ax Ax . Sein Gegner scheidet aus und er teilt dem Tisch mit, dass er heute zum siebten Mal Asse bekommen hat.
Wenig später verliert der „Fußballprofi” einen teuren Coinflip und muss nach einem ziemlich bitteren Cooler den Tisch verlassen.
Etwa eine Stunde später bekomme ich in UTG Asse und bringe einen niedrigen Raise. Ich starre auf die Mitte des Tisches. Der Spieler zwei zu meiner Linken versinkt in tiefes Nachdenken, aber ich kann nichts Näheres erkennen. Ich höre, wie er mit Chips spielt, doch ich starre auf die Mitte des Tisches und sehe nicht, ob er callt oder raist. Bitte raise, bitte raise, bitte raise, bitte raise, bitte raise! Er beendet seine Aktion und ich komme nicht umhin, aufzuschauen.
Er ging All-In. Er ging All-In, mein Gott, er ging gegen meine Asse All-In!!!! Ich calle und gewinne gegen Ax Qx . Ich habe nun mehr als 20.000 Chips. Ich nehme einen tiefen Atemzug und versinke wieder in meinen Zenfold-Zustand.
Der „Trottel“ wirft mit Assen einen anderen Spieler raus. Zum achten Mal. Der Grinder scheidet gegen einen Schauspielertypen aus. Das „Internetkind“ hat gute Karten bekommen und mehr als 100.000 Chips. Er dominiert den Tisch nun VOLL UND GANZ! Seine Werte liegen etwa bei 80/70 und er vernichtet jeden mit purer Aggression. Der Trottel raist in später Position und alle folden. Er schnappt sich die Blinds und zeigt seine neunten Asse an diesem Tag.
Hatte ich bereits erwähnt, dass das „Internetkind“ den Tisch dominiert. Genau, er verliert gelegentlich einen Pot, aber meist gewinnt er mit der schlechteren Hand und spielt sowieso jede Hand und mit so vielen unumkämpften Gewinnen spielt das eh keine Rolle. Er sitzt zwei Plätze zu meiner Rechten, daher gehe ich ihm meist aus dem Weg und entscheide nur in den zwei oder drei Händen, die er foldet, ob ich mich am Pot beteilige. Der „Trottel“ scheidet mit Two Pair gegen vier Karten zur Straight auf dem Board aus – neun Mal Asse scheint dieses Mal nichts gebracht zu haben.
Ich habe jedes Zeitgefühl verloren. Ich weiß nur, dass es sehr spät ist. Ich bin so tief in den Zenmeister-Zustand versunken, dass ich nicht mehr merke, was außerhalb meiner Hand, meines Stacks und meiner Position vorgeht. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich meine zweite mentale Veränderung vornehme: Ich bin ENTSCHLOSSEN! Ich bin 100 % entschlossen, nicht auszu*en. Es gibt zwei Möglichkeiten, aus diesem Turnier rauszufliegen: Zum einen kann ich in ein sehr starkes Blatt rennen (etwa bei einem All-In, wenn der BB Asse hat) und zum zweiten kann ich einen Bad Beat verabreicht bekommen. Das war’s. Ich werde einfach supersolides Poker spielen, nie als Außenseiter All-In gehen und mich nicht schlagen lassen. Ich bin auf der Höhe!
Ich begann, mir für jede Entscheidung Zeit zu nehmen. Ich kann es nur so beschreiben: ich war völlig entschlossen. Und ich machte einige kranke Scheißfolds.
Ich weiß noch, dass ich nach einem Limp von MP auf dem Button 9x 9x gefoldet habe. Warum? Weil die Stackgrößen heikel waren. Okay, da war noch was anderes. Ich hatte keinen eindeutigen Hinweis, dass der SB folden wollte. Und ein Limp? Im Ernst? Welcher Idiot limpt denn schon? Er fühlte sich nicht richtig an, die Stacks waren heikel und ich foldete 99 in Position nach einem Limp. Bleibt nur Schulterzucken.
Nach einem Fold des Internetkinds geht ein Short Stack All-In und ich schnappe ihn mir mit Ax Kx . Jetzt habe ich fast 30.000 Chips.
Das Internetkind foldet, daher raise ich mit Jx Jx . Ich floppe ein Overpair und gewinne einen hübschen Pot, als meine Gegner nach einer doppelten Salve folden. Ich habe schon fast 40.000 Chips.
Dann kam es zu einer der denkwürdigsten Hände des Turniers, zumindest aus meiner Sicht. Da der Platz zwischen mir und dem Internetkind noch nicht neu besetzt worden ist, sitzt er direkt zu meiner Rechten. Alle folden und er raist vom Button. Ich bin im Small Blind und halte 5x 5x . Sein Spektrum besteht etwa aus 80 Prozent aller Hände. Dagegen liege ich meilenweit vorne. Nun, gelegentlich foldet er nach einer 3-Bet auch. Ein kleiner Teil seines Spektrums enthält außerdem nur eine Overcard. Er hat etwa 160.000 Chips, ich etwa 40.000, die Blinds liegen bei etwa 400/800 und jeder macht diese kleinen Preflop-Raises, bei denen er nach einer 3-Bet von mir noch 4-betten kann, ohne mich All-In zu setzen. Ich habe keine Position. Er hat in seiner kleinen Zehe mehr Pokertalent, als ich je besitzen werde. Natürlich bin ich nun völlig ins Nachdenken versunken.
Er schaut zu mir herüber und sagt, “Du weißt, ich kann vom Button eine 4-Bet bringen.
Ich lache und sage, „Genau darüber denke ich nach.“ Der Typ weiß genau, woran er ist. Und er hat den Stack und die innere Einstellung, um mich hier nur aus Spaß an der Freude mit beliebigen Karten All-In zu setzen.
Ich folde.
Das hat mit Cashgame gar nichts mehr zu tun. 55 gegen einen 80/70 Button-Raise? Das ist eine vollkommen automatische 3-Bet beim Cashgame. Ich kann es nicht glauben, wie ekelhaft weaktight ich spiele. Nun, gut. Scheint zu funktionieren. Weiter geht’s.
Die Blinds steigen und irgendwann meint einer, dies sei das letzte Level dieses Tages. Heilige Scheiße! Wie gesagt verlor ich mein Zeitgefühl komplett und merke nun plötzlich, dass ich mich in Tag 2 folden kann. Ich möchte zwar nicht weaktight sein, bekomme aber auch keine Karten, und bin es letztlich doch.
Als noch zehn Minuten in diesem Level zu spielen sind, wird eine Zahl zwischen 1 und 10 gezogen. Genau so viele Hände werden noch gespielt, dann ist Feierabend. Das soll die Spieler davon abhalten, bewusst langsam zu spielen, dass an anderen Tischen noch jemand ausscheidet. Die 4 wird gezogen und in der vierten Hand bekomme ich Ax Kx . Die könnte ich jetzt offen folden und wäre in Tag 2. Oder ich kann raisen, meine Chips riskieren, meinen Stack riskieren, mein Turnier riskieren. Ich komme zu dem Schluss, dass ich diese Hand unter keinen Umständen folden kann, ohne den Respekt vor mir zu verlieren. Ich raise und gewinne die Blinds.
Das Spiel ist für heute beendet. Ich versuche, meine Chips einzutüten, doch dabei geht aus Versehen das Säckchen kaputt. Mein Gehirn und meine Hände sind zu nichts anderem gut, als über Pokerhände nachzudenken. Trotz der strengen Anweisung des Floor-Managers, dass die Spieler ihre Chips selbst eintüten müssen, überlasse ich dies dem Dealer. Es ist 2.30 Uhr morgens. Was zum Teufel soll ich jetzt mit mir anstellen?
Fortsetzung morgen mit dem restlichen Tag. Hier der Link zum Thread bei twoplustwo.com
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 27.07.2010.