Der nachfolgende Text erzählt auf unterhaltsame Weise die Geschichte eines Pokervereins namens Bad Beat Berlin, dessen Vorsitzender der uns allen bekannte Stefan „Voodoo“ Schüttler ist.
Man erfährt, wie das Projekt Pokerverein ins Rollen kam und wie Pokerspieler aussehen, die am „Rollen“ sind. Interessant vor allem auch für andere Pokervereine, die genau wie BBB schon die „Swings“ des Vereinslebens erfahren haben. Viel Spaß …
Genau genommen ist Bad Beat Berlin e.V. ein mehrfaches Experiment. Einerseits um nachzuweisen, dass man Poker auch ohne Geldeinsatz intensiv und sehr ernsthaft betreiben kann. Ein Experiment aber auch, dass es gerade beim Pokerspiel auf herausragende Weise gelingen kann, Menschen die sonst eher als Einzelgänger unterwegs sind, aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Lebenssituationen gemeinsam zum friedlichen Spiel an einen Tisch zu bekommen.
Und da Stefan Schüttler nicht nur Psychotherapeut, sondern aufgrund von Multiple Sklerose (auch amtlich!) schwerbehindert ist, wusste er bereits mehrfach aus eigener Erfahrung, dass gerade Frustrationen häufig auch entwicklungsförderlich wirken können. Wohnt man dazu noch in der Stadt mit dem großen B, was lag näher, als einen Club zu gründen, der seitdem als Bad Beat Berlin e.V. firmiert?
Nachdem Bad Beat Berlin e.V. demnächst seinen 2. Geburtstag feiert und nach 16 Gründungsmitgliedern inzwischen 330 Mitgliedernamen zählt, darunter 21 Ehrenmitglieder wie Sigi Stockinger, Andy Black, Isabel Mercier, Phil Ivey oder Doyle Brunson sollte man meinen, das Konzept des Clubs hätte sich inzwischen bewährt. Stattdessen ist genau das Gegenteil der Fall und gemäß dem Motto: “Wer Bestand haben will, muss sich beständig verändern”, ist man immer wieder neu auf der Suche nach der eigenen Identität.
Schnell war das Gründungslokal im Prenzlauer Berg zu klein geworden. Der Verein ist vom eher “linken Szenebezirk” in eine eher als “rechts” verrufene Gegend am Bahnhof Lichtenberg gezogen. Zudem bekam man die Möglichkeit, mit dem Safe Berlin, einem Szene Club nahe Potsdamer Platz an einem weiteren Abend in der Woche Pokerpartys durchzuführen, bei denen sich wöchentlich regelmäßig Schlangen zur Einlasszeit bildeten und bis zu 150 Pokerfreunde den Weg zu Bad Beat Berlin fanden. Dieses wie sämtliche weitere Angebote waren für alle Spieler kostenlos und BBB wollte ja gerade und ohne Ausnahme alle erreichen.
Diversen Mitgliedern war dies nicht leistungsbezogen genug, man gab sich selbst 5 virtuelle Diamanten, gründete einen eigenen Verein, der vor allem das Training und den Wettkampfgedanken in den Vordergrund stellt und ganz bewusst die Mitgliederzahl begrenzt.
Bad Beat Berlin dagegen stand weiter allen Spielern offen, war aber nach einem knappen Jahr auch nicht besonders traurig, als das Safe Berlin die eigene Schließung signalisierte. Trotz konstant über 100 Teilnehmern pro Abend hatte man dort vor allem erlebt, dass Pokerspieler gerne regelmäßig grußlos erscheinen, sich an den Tisch setzen, allenfalls fragen, was es denn Großartiges zu gewinnen gibt, die Preise einstecken oder wieder grußlos bis zur nächsten Woche von dannen ziehen. Die Fütterung von Enten am Stadtsee mag ähnlichen Zulauf auslösen, aber größere Erfolge im Aufbau von Beziehungen nach sich ziehen.
Das Vereinsleben ging weiter und Bad Beat Berlin wuchs. Möglicherweise auch auf Kosten der Bar in Lichtenberg, die dermaßen günstige Preise für Speis und Trank nahm und trotzdem außer BBB offenbar kaum Publikum anziehen konnte. Plötzlich war die Tür verschlossen, der Strom abgestellt, der Betreiber pleite. Eine möglichst schnelle Lösung musste her und was lag näher, als sich mit den Pokerfreunden von 5 Diamonds kurzzuschließen, mit denen man sich diverse Doppelmitglieder teilt und die man, wenn man so möchte, als längst groß gewordenes “Kind” betrachten konnte.
Also zog man wieder um. Diesmal in den Bezirk Mitte, wo 5 Diamonds am Rosenthaler Platz, im alten Berlin im 2. Hinterhof in einem kultigen Keller sich eine eigene Lokation eingerichtet hatte. Hier gab es richtige Pokertische, hier gab es einen echten Berliner Barmann, hier gab es auch das eine oder andere Nagetier und nicht immer frisch renovierte Toiletten, und die Meinungen beim Publikum waren sehr gespalten. Einige waren begeistert, nun auch montags dort spielen zu können und andere entschlossen sich, ihr Pokerspiel bei BBB schlicht zu beenden, solange es dieser karge Keller sei. Natürlich konnte einer solch konsumentenlastigen Haltung nicht einfach nachgegeben werden, und wer sich in einem Verein zu Hause fühlen möchte, der sollte sich auch selbst aktiv einbringen, und nicht nur wie bei einem Spiel von Hertha BSC kommen, mitfiebern, krakeelen und wenn es ihm nicht passt, einfach nur wegbleiben.
Ebenso hartnäckig blieben jedoch auch im ZMF (so der Name des Kellers) diverse Pokerfreunde, die trotz gegenteiliger Aufforderung auch weiterhin sich eigene Getränke mitbrachten, mal noch schnell an der Ecke kauften oder im Imbiss nebenan zum gleichen (günstigen) Preis kauften, sodass sich die Raummiete nur selten einspielte. Geld spielt ja bekanntlich bei BBB keine Rolle, bzw. es soll keine spielen und prinzipiell soll jeder mitspielen können, ohne dabei etwas ausgeben zu müssen, wobei es hier durchaus ein wenig auf Solidarität ankommt, und wenn zu wenige sich ein Bier oder eine Cola leisten, dann kann das Angebot auf Dauer leider nicht aufrecht erhalten werden.
Diese Debatten und weitere Aufforderungen, den Ort zu wechseln, häuften sich, und als tatsächlich Mitglieder mit nachhaltig konkreten Vorschlägen ankamen, schien es an der Zeit, sich bei Five Diamonds für die Aufnahme ganz herzlich zu danken, sich aber wieder neu zu orientieren. Neben diversen weiteren Angeboten gab es die Möglichkeit, wieder ins alte Lokal nach Lichtenberg zu ziehen, und da man dort ja bereits länger zu Hause war, und viele Mitglieder schon einmal regelmäßig den Weg gefunden hatten, lag es nahe, es wieder dort zu versuchen. Aus der South Beach Bar/Read Beach Bar ist nun die Sport Bar Cafe 19 geworden. Essen wird keines mehr angeboten, die Getränkepreise sind realistisch, das junge weibliche Personal ist für Berliner Verhältnisse untypisch freundlich und bemüht. Es gibt im Vergleich zu früher eine neue Raumaufteilung, einen Billardtisch, diverse Monitore, Spielautomaten, demnächst Internet und längst Live-Wetten z.B. auf das Montags parallel laufende 2.Ligaspiel.
Bad Beat Berlin ist somit also in eine Höhle der Sportwetter gezogen. Die Getränke gibt es nicht geschenkt, das Lokal hat rund um die Uhr geöffnet, der Montag gehört BBB und es geht in heller, warmer und vor allem freundlicher Atmosphäre um Poker. Es sollen sogar Spieler gesichtet worden sein, die dem Personal Trinkgeld gaben, das Bier ist vom Fass und die Tische und Stühle stehen jederzeit bereit, sodass ein geduldiges längeres Warten der Spieler in spe an der Bar, bis dass der Präsident persönlich kommt und alles möglichst alleine aufbaut nun ebenfalls entfallen kann. An Hinterhofkellercharme hat Bad Beat Berlin sicherlich eingebüßt, aber möglicherweise ist auch das ein Ausdruck vom “Erwachsenwerden”?
Wer einen guten Service möchte, der muss auch bereit sein, dafür etwas zu geben. Wer professionell in freundlichem Umfeld bedient werden möchte, der möge sich eine entsprechende Lokation suchen und man staune, selbst die Rückmeldungen zum Wechsel sind durchweg sehr positiv und freundlich. Natürlich kann man bei BBB auch weiterhin nur ohne Geldeinsatz spielen. Alle ab 18 sind herzlich willkommen, wenn sich Bad Beat Berlin weiter jeden Montag trifft, nun in der Sportbar Cafe 19, Frankfurter Allee 248. Mehr Infos unter www.badbeatberlin.de
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.10.2008.