Ich wollte ja in diesen Geschichten über meine Pokerweltreiseerfahrungen nicht darüber sprechen, welche Bad-Beats ich erlebe. Wozu auch, schließlich kennt die jeder von uns. Und wer viel spielt, hat auch immer mal solche Phasen, in der man aber so richtig auf den Arsch bekommt.
Der einzige Grund warum ich so eine Geschichte überhaupt mal schreibe, ist, dass das alles in einem Casino stattfand, das sich „Voodoo“ nennt. Zudem ist es mit großen Holzmasken gestaltet und anderem afrikanischen Gedöns. Alles sieht nach Dschungel aus und ist ein bisschen finster. So präsentiert sich das Casino nicht in Kapstadt und auch nicht in Gegenden, wo durchaus Okkultes ein Alltagsleben hat, sondern eben in Riga. Also in Lettland, also Europa, also quasi um die Ecke.
Nun bin ich kein übermäßig abergläubischer Spieler. Ich habe keine Lieblingshände, keine Glücksbringer auf dem Tisch stehen, kann überall am Tisch sitzen und laufe nicht dreimal um den Stuhl, wenn ich zwei Pötte in Folge verloren habe. Doch diese Voodoo-Nummer in Riga war schon eigenartig.
An meinem ersten Tag hatte ich in dem schönen Casino im Hotel Reval ein nettes Turnier gespielt. Man kann sich für 20 Lat einkaufen, was ca.25 Euro sind. Dafür bekommt man 2.000 Chips und eine Re-buy-Karte, die man jederzeit kostenlos einlösen kann. Die Blindstufen sind schön und man kann nett spielen. Für 25 Euro hatte ich also 5 Stunden Spaß und ein paar Lat am Ende.
Eine geisterhafte Erscheinung in RigaQuelle: carstenweidling.de
An diesem Abend gab es dann kein Cashgame mehr und so musste und durfte ich noch mal hin, um es in einem kleinen 1 und 2 Lat Spiel zu versuchen. Mindesteinsatz waren 100 und maximul 400 Lat. Ich setzte mich mit 400 Lat hin, hatte ich doch beim Turnier schön gewonnen. Wir waren nur fünf Spieler am Tisch und ich freute mich bei diesem Stack und diesen kleinen Blinds auf einen schönen und langen Pokerabend.
Soweit die Idee. Nach genau 33 Minuten war ich pleite und raus. Der Voodoo-Zauber musste also funktioniert haben. Die erste gruselige Hand: Button, KQ-off und ein 3-fach Raise von mir. Zwei Caller. Flop: KQ6-rainbow. Einsatz, ein Caller, Turn blank, großer Einsatz, er callt und ist all-in. River blank. Ich hatte Top-Two und er ein Set Sechser.
Na toll, ging ja gut los. Nächste Hand hatte ich AA. Machen wir es kurz, Bube und Dame auf dem Board, ein anderer Spieler hatte beides und ich verlor wieder. Da dachte ich das erste Mal über Voodoo nach. Baltische Buschtrommeln waren aus meinem Inneren zu hören. Was hatte ich nur falsch gemacht? War ich beim Turnier vor ein paar Tagen irgendwie sauer, unfair oder so gewesen? Nein. Hatte ich meinen Drink nicht bezahlt? Musste man nicht. Oder doch? Also welcher Zauber der blondesten aller Buschmänner lief hier? Eigentlich war das Casino doch ganz nett. Die Frauen hübsch, die Spiele vielfältig, Snacks, Speisen und Getränke gut, also was war los? Ich schaute mir die Masken an, dann die Gesichter der Spieler. Waren da Gemeinsamkeiten festzustellen? Die wulstigen Lippen, die großen dunklen Augen, die finsteren Mienen? Nein, so sah neben den Masken nur ich derzeit aus.
Also weiter! Nächste Hand: QQ gegen KK. Ich war natürlich der mit den Damen. Nun gut, kann passieren. Zum Glück habe ich dreimal gegen einen anderen Spieler verloren, die jeweils nur zwischen 50 und 100 Lat am Tisch hatten. Zumindest bis ich sie mit meinen Gastgeschenken aufdoppelte. Sonst wäre ich jetzt schon auf dem Weg ins Bett. Nach den Pocket-Queens schaute ich mich noch mal um. War hier eine Verschwörung am Werk? Antideutsches Voodoo? Noch nie davon gehört. Zumal in Riga alle sehr nett waren. Und wenn es hier mal Schwierigkeiten geben wird, dann zwischen Letten und Russen. Aber nicht mit uns oder anderen Gästen.
Straßenszene in RigaQuelle: carstenweidling.de
Nun gut, ich hatte noch 150 Lat vor mir stehen und verlor alles in der vierten Hand, in der ich ein Set Achter hatte. Auch wenn es jetzt schon klar sein könnte, trotz meinem All-in zog sich mein Gegenüber auf dem River einen Flush zusammen. Nun neige ich ja gern mal zum Ausrasten, wenn ich einen wirklich schlechten Lauf habe. Doch hier war ich nur sprachlos. Icke! Das Einzige, was mich etwas tröstete, war der mittleidige Blick der wirklich hübschen Dealerin aus Riga.
Ich tauschte jedenfalls nichts mehr nach und verstand, dass dieser Tag nicht meiner ist und ich einfach gehen sollte. Irgendwo hockte also sicher eine angestellte Voodoo-Priesterin rum und steckte kleine Nadeln in eine strohige Weidling-Puppe und deren Karten. Denke ich an Riga, höre ich Beschwörungsformel, Buschtrommeln und gespenstische Gesänge. Nicht blöd, ein Casino derart zu gestalten. Da hat man bei jedem Spielverlauf eine gute Ausrede.
Euer Carsten Weidling on Tour
Wer mehr über Carsten und seine Weltreise erfahren möchte, kann gern auf www.carstenweidling.de
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 13.06.2010.