Der letzte Schrei im Internet sind derzeit die Super-Turbo-Turniere, die sich auf mehreren Seiten großer Beliebtheit erfreuen. Wer Action sucht und dabei erfolgreich abschneiden will, findet hier einige Hinweise.
Einführung und Definition: Immer größerer Beliebtheit erfreuen sich die Super-Turbo Sit ’n Gos, die beispielsweise auf Full Tilt mit 300er-Stacks und dreiminütigen Blindstufen im Rhythmus 15/30, 20/40, 25/50, 30/60, 40/80, 50/100 usw. angeboten werden. Diese Turniere sind ideal für Wenigzeitinhaber, sie machen aber auch Spaß und können aufgrund recht vieler schwacher Spieler, die Action suchen, ziemlich profitabel sein. Es gibt einige charakteristische, strategische Unterschiede zu normalen Sit ’n Gos (deren grundlegendes strategisches Verständnis hier vorausgesetzt wird), die in der Folge zumindest gestreift werden sollen. Dazu zählen die Kriterien für ein All-In, für den Call eines All-In, für den Overpush und der sofortige Push-or-Fold-Modus. Beginnen wir mit Letzterem.
Push-or-Fold-Modus: Da man bei einem Super-Turbo Sit ’n Gos mit einem Stack beginnt, der 10 BB entspricht, befindet man sich zu Beginn eines Turniers direkt im Push-or-Fold-Modus. Das wissen auch die meisten Gegner, weshalb selten bis zum Button gefoldet wird. Viele Spieler begehen aber den Fehler, mit schwachen Assen aus zu früher Position All-In zu gehen, wodurch es häufig zu All-Ins kommt, bei denen ein Spieler dominiert wird. Diesen Fehler sollte man tunlichst vermeiden, aber die Gelegenheiten nutzen, bei denen man in später Position oder dem Small Blind mit guten (aber nicht überragenden) Händen First-In All-In gehen kann.Mit schwindendem Stack sinkt natürlich die Anforderung für eine All-In-Hand, da man auch bei Super-Turbo Sit ’n Gos nach Möglichkeit seine Fold Equity und somit einen minimalen Stack von 3 BB erhalten sollte. Spätestens bei 25/50 sollte man deshalb bei einem Stack mit ca. 200 jede halbwegs günstige Gelegenheit für ein All-In nutzen.Bei Super-Turbo Sit ’n Gos gibt es neben einem verlorenen All-In noch eine weitere Möglichkeit, seine Fold Equity zu verlieren: Es gab schlicht keine Gelegenheit, First-In oder anderweitig All-In zu gehen. In diesen Fällen entsteht ein Konflikt. Soll man in später Position mit beliebigen Karten All-In gehen oder auf eine gute Hand warten, mit der man vielleicht sogar ein All-In callen kann oder gar den Big Blind noch einmal zu sich kommen lassen. Diese Frage ist schwer zu beantworten und erfordert viel Intuition für den Tisch.
Kriterien für ein All-In: Gute All-In-Hände auch aus früher Position sind alle Paare ab 88 und AQ+, dies gilt auch, wenn man noch nicht unter großem Druck steht, da sehr viele Spieler mit schlechteren Assen und Paaren All-Ins callen. Eine frühe Verdopplung erhöht die Chancen auf einen Platz im Preisgeld erheblich – dafür gibt es auch nicht naheliegende Gründe, die wir später sehen werden. Wie erwähnt sollte man immer looser werden, je besser die Position wird, da schon ein Zugewinn von 45 Chips in der Anfangsphase eine Vergrößerung des Stacks um 15 Prozent bedeutet und ein wenig den Druck mindert, früh Alles oder nichts zu spielen.Mit absoluten Premium-Händen wie AA oder KK kann man einen Raise auf 3 BB erwägen, da es tatsächlich viele Spieler gibt, die auf diesen Trick hereinfallen und ohne die nötigen Implied Odds mit kleinen Paaren oder Suited Connectors callen. Dasselbe gilt aber bei normalem Stack eines Gegners (da es sich dann um keinen Steal eines großen Stack handelt) auch im umgekehrten Fall und auch bei Limps, die gerade aus früher Position oft eine Falle sind.
Kriterien für den Call eines All-In: Natürlich gilt auch für Super-Turbo Sit ’n Gos, dass man lieber selbst All-In geht, als ein All-In callt. Der Grund ist schlicht, dass es bei einem eigenen All-In zwei Siegmöglichkeiten (alle folden oder man hat beim Showdown die beste Hand) gibt, bei einem Call aber nur eine. Dennoch bieten die Eigenarten der Super-Turbo Sit ’n Gos mehr Möglichkeiten für den Call eines All-In. Zum einen sollte man sogar in frühen Phasen mit AJ+ und 88+ ein All-In eines Spielers in später Position callen/overpushen, da man gegen das Spektrum des gegnerischen All-In einen klaren Vorteil besitzt.Vor allem in späten Phasen eines Turniers gibt es zudem viele Möglichkeiten für Pot-Odds-Calls, bei denen der eigene Stack keinen größeren Schaden erleiden kann. Solche Gelegenheiten sollte man nach Möglichkeit nie auslassen, auch deswegen, weil viele verzweifelte Spieler mit deutlich schwächeren Händen als erwartet All-In gehen (müssen).
Overpush: Neben den zuvor genannten grundlegenden Punkten gibt es auch noch einige andere Situationen, in denen man sich nach einem gegnerischen All-In an der Hand beteiligen sollte. Besonders bei verzweifelten All-Ins aus früher Position von Gegnern mit kleinem Stack sollte man mit nicht nur mit sehr guten Händen über einen Push nachdenken. Grund ist zum einen, dass das Handspektrum dieser Spieler schwächer einzuschätzen ist und zum anderen, dass der Verlust der Hand nicht zum Ausscheiden führt. Dennoch sollte man diese Situationen sehr sorgfältig auswählen und insbesondere mit den besseren Assen (A9+) und Paaren (77+) overpushen. Sinn des Overpush ist natürlich, den anderen Spieler zu isolieren. In Zweifelsfällen sollte man eher auf den Overpush verzichten, wenn man nach dem Verlust der Hand keine Fold Equity mehr besitzt, und ihn eher durchführen, wenn der Stack danach noch intakt ist.
Tyrannei mit großem Stack: Hat man das Glück, in der Nähe oder auf der Bubble einen sehr großen Stack zu besitzen, ergeben sich neben dem generellen auch einige strategische Vorteile. Oft sieht die Verteilung so aus: A hat 200, B 1.400, C 600 und D 500. Ist A schon aus der Hand, sollte man als B mit jedem Blatt All-In gehen. Die Gegner können nur mit AA, KK, QQ und vielleicht AK callen, folden aber in allen anderen Fällen, weil sie auf das Ausscheiden von Spieler A warten. In solchen Situationen ist es auch strategisch korrekt, den Mini-Stack am Leben zu lassen, um noch mehr Chips für das Spiel zu dritt anzusammeln und die Siegchancen dadurch weiter zu erhöhen. Ich selbst habe ich in einer solchen Situation als Big Blind gegen einen Short Stack gefoldet, obwohl ich nur 5 Chips nachzahlen musste und riesige Pot Odds bekam. Die beiden anderen Spieler haben mich zwar beschimpft und der Kollusion bezichtigt, aber das Turnier habe ich gewonnen, und nur das zählt.In weniger extremen Situationen mit großem Stack sollte man schon vor der Bubble-Phase mit Raises auf 3 BB arbeiten, um die gegnerische Angst vor dem Big Stack maximal auszunutzen. Dafür braucht es etwas Gefühl und auch (trotz günstiger Pot Odds) die Bereitschaft zum Fold, wenn ein Gegner die Axt auspackt. Vorsichtig sollte man auch sein, wenn ein vergleichbar großer Stack hinter einem sitzt, der mit einem All-In kontern kann (und damit die Hebelwirkung auf seine Seite bringt), falls er einen durchschaut.Gerade in diesen Situationen kann man seinen großen Stack optimal einsetzen, um mit minimalem Risiko die späteren Chancen auf den Turniersieg zu maximieren. Sitzt man mit einem großen Stack nur da, holen die anderen Spieler auf und es kann noch einmal eng werden.
Psychologie: Super-Turbo Sit ’n Gos machen grundsätzlich viel Spaß, können aber auch sehr nervenaufreibend sein. Die Varianz ist aus naheliegenden Gründen deutlich höher und es kann einem durchaus passieren, dass man sich aus mehreren Turnieren hintereinander in kürzester Zeit verabschiedet. Diese Turniere erfordern auch eine höhere Risikobereitschaft als normale Sit ’n Gos, da man von Anfang an im Push-or-Fold-Modus ist und eine verlorene Hand in der Regel das Ausscheiden bedeutet. Dennoch ist auch Geduld gefragt, nicht nur zu Beginn, wenn keine geeigneten Hände oder Situationen auftauchen, sondern auch in der Endphase. Gerade auf der Bubble wird bei Super-Turbo Sit ’n Gos am ehesten Poker gespielt, weil die Stacks wie bei normalen Sit ’n Gos ein recht gutes Stack-Blind-Verhältnis bieten.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 17.10.2009.