Zunächst einmal: Ja, es gibt Casinos im venezuelanischen Caracas und ja, man kann in manchen auch pokern. Ob einem die Blinds zu hoch oder zu niedrig sind, liegt hauptsächlich daran, ob man seine Euros oder Dollars offiziell tauscht oder eben schwarz.
Wie bei allen Sachen in Venezuela so entscheidet auch hier der Kurs über den Genuss. Denn die offiziellen Kurse sind haarsträubend und von einem nicht zu unterschätzenden Staatsoptimismus. So ist es auch kein Wunder, dass man gern mal angesprungen wird und die Menschen zu begierig darauf sind, Geld zu tauschen.
Und schon sind wir thematisch bei der Straße. Und genau da spielt meine heutige Geschichte. Also meine Caracas-Geschichte.
In Caracas hat man ständig das Gefühl, dass einem Unheil droht. Die beiden schönen Stellen der Stadt hatte ich gefunden, die Museen, die Kirchen und ein paar der unzähligen Simon-Bolivar-Gedenkstätten besucht und mich auch dem schweißtreibenden aber wirklich sauberen und sicheren Spektakel des so notwendigen U-Bahnfahrens hingegeben.
Ich hatte die Frauen bewundert und war nun bereit, Neues zu erleben. Allerdings bleibt das in Caracas nach drei Tagen gern mal aus. Und dieses komische Gefühl lässt einen nicht los. Ich schlich also einen der großen Boulevards in Centro zu meinem Hotel. Vorbei an den vielen Schachtischen, wo ganz sicher auch der ein oder andere Schein den Besitzer wechselt.
Das sind natürlich alles Pokerbücher – Von Sklansky über Brunson bis Moshman ist alles dabei, Quelle: carstenweidling.deDa sah ich es und dachte zunächst, ich glaube es nicht. Auf einer Bank war eine Zeitung ausgebreitet, auf der ich unsere allseits so geschätzten Chips liegen sah. Auch auf der Bank saßen breitbeinig zwei Männer, gesäumt von zwei auf Plastikstühlen ruhenden anderen Spielern. Und diese vier spielten ganz offensichtlich Hold`em. Und wie. Das war nichts mit leisem und überlegtem Spiel, sie schrien, sie jubelten und sie jauchzten, wenn sie nur in die Karten sahen. Bluffen hatte einfach laut zu sein.
So wurde quer über die Einkaufsstraße und die sehr ruhigen Schachspieler hinweg immer gebrüllt, welch ach gigantischen Karten man nun vorfand. Nicht selten wurden die angeblich heils- und geldbringenden Blätter aber gleich darauf gepasst. Wenn nicht, wurde geraist, dass es eine Freude war.
Ich stand eine Weile rum und die vier Spieler bemerkten mein unaufhörliches Grinsen ob dieser wahrlich witzigen Situation mitten in dieser traurigen Stadt. So wurde ich, natürlich brüllend, eingeladen, mitzutun. Poker um Geld mitten auf einer Straße in Caracas zu spielen, empfand ich für einen Ausländer als nur bedingt witzig und empfehlenswert. Mir war klar, dass der Liebreiz der Situation schnell an Lustbarkeit verlieren konnte.
Sie schrien und bettelten. Ich blieb standhaft und gern auch etwas feige. So bot man mir an, mich wenigstens bei einem Spieler einzukaufen. Ganze 10 Bolivianos (je nach besagtem Kurs 3 bis 5 Euro) sollte ich einem Spieler geben. Das waren immerhin 5 Big-Blinds. Damit das Gebrüll aufhörte, machte ich ihnen die Freude und spendete. Ich bleib aber stehen und gern auch im Hintergrund.
So geht es auch – Eine Rikscha der etwas andren ArtQuelle: carstenweidling.de
Sie jubelten und brüllten noch 10 Minuten. Dann zog Ruhe ein. In Form von drei uniformierten Beamten. Und da die hier gern mal mit schusssicherer Weste und Kalaschnikow dastehen, machte dies Eindruck. Nicht zuletzt auf mich. Die Jungs mussten ihre Papiere abgeben, einer packte alle Chips und Karten in eine Plastiktüte, und hatte somit wohl gewonnen, und dann verschwand die ganze Truppe in Richtung der naheliegenden Polizeistation.
Ja, Schachspielern passiert sowas eben weltweit nicht. Da ich mit den hiesigen Gepflogenheiten der Polizei wahrlich nicht vertraut bin, fragte ich mich zwei Dinge. Erstens, ob die mich nun auch mitnehmen. Und als das nicht geschah, ob das Spiel wohl auf dem Revier weiterginge. Dies allerdings die Kollegen mit kugelsicherer Weste und MPi zu fragen, waren mir weder die eingebüßten 3 bis 5 Euro wert, noch die Lust am Spielen oder anderen Formen eines kleinen Adrenalin-Kicks.
So habe ich mich als ausgeschieden betrachtet und bin im Schatten der Millionen von Schuhläden davon geschlichen. Reicht doch, wenn die anderen vier Jungs all-in waren…
Euer Carsten Weidling on Tour
Wer mehr über Carsten und seine Weltreise erfahren möchte, kann gern auf www.carstenweidling.de nachlesen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 28.03.2010.