Nach dem schwarzen Freitag und der Full-Tilt-Katastrophe sind die Highstakes-Spiele online rar geworden. Die Protagonisten dieser Partien haben eine neue Beschäftigung gefunden: Sie ruinieren ihren Ruf.
Nach dem aufgeflogenen Betrug von José “Girah” Macedo brechen die Dämme. Was zunächst wie ein zwar unverständlicher, aber in seiner Dimension doch kleiner Betrug aussah – Macedo prellte seine Opfer um circa fünfzigtausend Dollar – hat im Laufe dieser Woche immer weitere Kreise gezogen. Haseeb “Internetpokers” / “Dog Is Head” Qureshi – Mentor, Coach, Agent, Schreiber und selbstgenannter “Big Papa” von Macedo – ging im Strudel um die Irrungen und Wirrungen seines portugiesischen Zöglings gleich ganz unter und verkündete schließlich maulig seinen Abschied aus der Pokerwelt.
Big Papa: Haseeb Qureshi
Qureshi unterhielt enge Beziehungen zu Macedo und bürgte mehrfach für seine Aufrichtigkeit und dafür, dass die phänomenalen Ergebnisse – fast zwei Millionen Dollar Gewinn über die letzten zwölf Monate – tatsächlich echt sind. Angezweifelt wurden Macedos Ergebnisse schon seitdem er in Erscheinung trat, einen handfesten Beweis für die Korrektheit blieb er bis heute schuldig. Viele Unregelmäßigkeiten bezüglich Macedo sind direkt auf Qureshi zurückzuführen. So war er nicht nur beratend tätig, sondern verfasste unter seinem Namen mehrere Posts im 2+2-Forum, fingierte ein HU-Match zwischen Macedo und einem von Qureshi selbst angelegten Account auf Lock-Poker, um dem Portugiesen einhunderttausend Dollar via “Chipdumping” zukommen zu lassen. Dieses Chipdumping fand pikanterweise zum Ende eines Wettbewerbs auf Lock-Poker statt, bei welchem der Sieger über den größten erspielten Profit ermittelt wurde. Durch dieses Chipdumping sahen die Statistiken Macedo als Sieger dieses Wettbewerbs. Als Gewinner geführt wurde Macedo jedoch nicht, da Qureshi zusätzlich eine Partie Omaha über Macedos Account spielte, was als Grund für die Disqualifikation Macedos angegeben wurde.
All diese Unregelmäßigkeiten wurden im Laufe dieser Woche aufgedeckt. Haseeb Qureshi beteiligte sich anfangs rege an der Aufklärung. Doch während er vorwiegend versuchte, seinen eigenen Namen rein zu waschen, verstrickte er sich in einem Netz von Missverständnissen und Lügen, revidierte mehrmals seine Aussagen und gab ein Paradebeispiel der Salami-Taktik: Informationen gab er scheibchenweise und nur wenn es unbedingt sein musste preis. Seine Glaubwürdigkeit verspielte Qureshi dadurch vollends, so dass er sich jetzt gefallen lassen muss, als der eigentliche Mastermind hinter dem portugiesischen Wunderkind José Macedo angesehen zu werden und sich vorwerfen lassen muss, aus einem durchschnittlichen Spieler eine Kunstfigur geformt zu haben. Entnervt warf Qureshi Ende der Woche das Handtuch und verkündete, er sei ab sofort kein Pokerspieler mehr, sondern werde ganz lange Urlaub machen.
Daniel Cates
Auch Qureshis Freund und Mitbewohner Daniel “jungleman” Cates verstrickte sich im Sumpf um José Macedo. Am Freitag gab Cates in einem Interview mit Noah Stephen-Davidowitz und Vanessa Selbst zu, über Macedos Account gespielt zu haben. Dieses sogenannte Account-Sharing ist auf allen Pokerseiten verboten. Zurecht, denn über diese Methode kann man sich gegen einen Gegner einen großen Vorteil verschaffen: Während man selbst weiß, gegen wen man spielt, weiß es der Gegner nicht und geht so eventuell mit völlig falschen Einstellungen in das Spiel. Grade im Highstakes-Bereich, wo die Spieler sich untereinander fast alle kennen, ist das ein immenser Nachteil für den ahnungslosen Gegner.
Nachdem Cates seinen Betrug zugab, meldete sich Tyler Smith zu Wort. Er war einer von Cates Gegnern, während dieser über Macedos Account spielte. Smith verlor in dem Duell mit Cates über vierzigtausend Dollar und fordert nun von ihm diesen Betrag zurück. Cates wehrt sich jedoch gegen diese Forderung, spricht gar von Erpressung. Er will, dass Lock-Poker, die Seite auf der das Duell stattfand, in dieser Sache entscheidet. Nachdem Smith ihn darauf hinweist, dass er die Konversation auf 2+2 veröffentlichen wird, bemerkt Cates: “Ok bro, you want to throw poo at each other here we go.”
Wir werden in den kommenden Wochen sicherlich weitere Nachwehen dieses Skandals erleben. José Macedo, Auslöser der Schlammschlacht, ist weiterhin untergetaucht. Nur ein kurzes Statement ließ er – über Daniel Cates – verbreiten: Er lebe noch und sehe, da er jetzt kein Poker mehr spiele, keine Notwendigkeit, die von ihm postulierten Gewinne nachzuweisen.
Die öffentlich geführten Diskussionen der Highstakes-Spieler, die vorgefallenen Betrügereien und die undurchsichtigen Wirrungen werfen ein denkbar schlechtes Licht auf die Poker-Welt. Die Spieler spielen über fremde Accounts, tauschen Hand-Histories ihrer Gegner untereinander aus, spielen unter Zuhilfenahme anderer Pros oder sitzen gleich im Team vor dem Rechner. Vertrauen erweckt all das nicht und neue Spieler vom Kaliber eines Guy Laliberte, der einstmals unzählige Millionen in das System pumpte, locken diese Machenschaften sicherlich nicht an, muss sich doch ein neuer Spieler fühlen, als würde er von der Mafia höchstselbst auf die Schlachtbank geführt werden.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.08.2011.