Der Finaltisch, endlich: Wir sind zu zehnt, ich sitze in Position zu den beiden anderen großen Stacks. Ich spiele mit genau 540 000 Chips. “Tiltless”, der Spieler direkt zu meiner Rechten, ist Chipleader mit 548 000, rechts neben ihm sitzt 7_rockz mit 370 000. Mir gefällt das, weil ich viel Druck auf sie ausüben kann und gerne mit tiefen Stacks Postflop spiele. Der Durchschnitt liegt bei 270.000. Gleich zu Beginn des Finaltisches sollte es eine vorentscheidende Wendung geben – zu meinen Gunsten :-). Also rein in die Action:
Die finalen Fünf: 7_rockz, Rob, Tiltless, Saparov, VaterStack: 540 000, Blinds: 6000/12000/1000, (Ante), Hand: A7s, Position: Big Blind
Die erste Hand am Finaltisch wurde zum Big Blind gefoldet. In der zweiten bekomme ich A 7 im Big Blind. Alle folden zum Button, 7_rockz, ein junger Spieler, eröffnet für 29.000. Normalerweise spiele ich hier eine Drei-Bet, also eine Reraise. Natürlich nicht “for value”, also um mit meiner “starken Hand” den Pot groß zu machen, sondern um die Hand vor dem Flop zu entscheiden und den Pot zu gewinnen – ich spiele dann mein Ass sozusagen als Block-Karte. Beispielsweise habe ich eine Stunde später gegen denselben Spieler in einer ähnlichen Situation (sein Raise vom Button) mit 7x 6x eine Drei-Bet gespielt und nach seinem Fold die Karten offen gezeigt. Hier jedoch entschließe ich mich für einen Call, weil ich meinen Gegenspieler kaum kenne und das Tempo in der zweiten Hand noch nicht allzu sehr anziehen möchte. Der Flop kommt 2 4 8 . Ich checke, er setzt 38.000. Ich raise auf 125.000 (ich sage doch – noch nicht so viel Tempo in der zweiten Hand ;-)).
Warum? Sein Openraise vom Button wird er mit mindestens 20 Prozent der gesamten Range machen. Nur etwa 5 Prozent dieser Hände dominieren mich hier schwer, also Ax Ax oder ein Set. Gegen die meisten Hände seiner Range dominieren wir entweder schon mit Ass hoch oder wir würden im Falle eines All-ins einen Coinflip erhalten – wir haben den Flushdraw und eine Overcard. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit eines Folds von ihm sehr hoch, über 80 Prozent, vermute ich. Denn meine Linie sieht sehr stark aus und ich mache ihm mit meinem großen Raise klar, dass ich nicht mehr folden werde. Er muss also über sein gesamtes Turnierleben entscheiden – und immerhin spielt er den drittgrößten Stack am Finaltisch. Das erhöht meine Fold Equity (Wahrscheinlichkeit, dass er foldet) auch im Falle einer mittelstarken Hand bei ihm. Jedenfalls überlegt 7_rockz eine kurze Weile, kratzt sich nochmal hinter dem Ohr – und schiebt seine Karten dann über die Linie, Fold. Später hat er mir erzählt, dass er 5×5x auf der Hand hatte.Ich erobere den Chiplead zurück!
Stack: 600 000, Blinds: 6000/12000/1000, (Ante), Hand: 67s, Position: Cutoff
Der ehemalige Chipleader Tiltless eröffnet vom Hijack (zwei Positionen hinter dem Button) auf 29,000. Ich entscheide mich für einen Call, um Postflop mit ihm in Position zu spielen, da wir beide große Stacks haben. Ich hatte mich noch in keiner Hand mit ihm duelliert und wollte sehen, wie er so spielt – außerdem hatte ich keine große Lust auf das immergleiche Push-Fold-Poker gegen die kleinen Stacks. Wir sind Heads up und der Flop kommt 9x 6x 2x . Er spielt eine Continuation Bet, ich bezahle.
Auf diesem kleinen Board wird er hier sehr häufig eine Continuation Bet spielen, es bedeutet keineswegs, dass er eine starke Hand hält. Falls doch, will ich den Pot auch nicht unnötig aufbauen, deshalb Call. Außerdem zeige ich ihm, dass ich eine Verbindung zum Flop herstellen kann, eine weitere Barrel als Bluff wird ihm deshalb am Turn schwerfallen, ohne wirklich starke Hand. Ich kann mir seine Aktion am Turn anschauen, er muss zuerst agieren. Der Turn: 5x . Er checkt und zeigt mir damit Schwäche. Die 5x ist gut für mich. Ich erhalte Extra-Outs für den Gutshot zur Straße, eine Verbesserung seiner Hand ist sehr unwahrscheinlich und ich hätte hier selbst die Straße treffen können. Ich setze 45 000 aus mehreren Gründen: 1. Ich will ihm keine Freecard geben, sollte er mit zwei Overcards spielen. 2. Selbst ein Overpair würde nach meinem Call am Flop und Check/Bet am Turn vom Gaspedal gehen und lediglich callen. Er schmeißt weg und ich lag richtig – am Flop muss ich vorn gelegen haben.
Stack: 710 000, Blinds: 6000/12000/1000, (Ante), Hand: TT, Position: UTG+2
7_rockz eröffnet “unter der Flinte”, also mit 29 000. Sein Stack lag nach einem unglücklich verlorenen All-in nur noch bei 200.000. Tiltless auf der Position UTG+1 callte. Als nächstes war ich an der Reihe und fand meine bis dato beste Hand: TT. Hier sind meines Erachtens drei Optionen möglich. Betrachten wir zuerst den Fold: Hier vermeidet man schwierige Postflop-Entscheidungen und zollt dem UTG-Raise Respekt. 2. Call: Damit könnte ich für „Set Value“ in einem Multiway-Pot spielen – und das auch noch in Position. Ich müsste 29.000 für einen 85.000 Chips großen Pot bezahlen. Mit den Implied Odds wäre ein Call denkbar, meiner Meinung nach besser ist allerdings Variante 3: Raise.
Warum? Ich isoliere 7_rockz wahrscheinlich, denn den Call von Tiltless interpretiere ich hier als Schwäche und rechne mit einem Fold. Auch gegen 7_rockz habe ich Fold Equity, denn mein Raise gegen einen Raise aus früher Position und einen Call vom Bigstack zeugt von enormer Stärke. TT ist da sicher am unteren Ende meiner Range. Insofern kann ich selbst auf einen Fold von JJ, AJ, AT oder KQ hoffen. Gegen AK und AQ würde ich einen Coinflip eingehen. Und klar: AA, KK und QQ bringen mich in eine schlechte Situation. Doch ich bin bereit dieses Risiko einzugehen, mein Turnierleben steht schließlich nicht auf dem Spiel. Das Beste wäre natürlich, die Hand vor dem Flop zu gewinnen.
Tatsächlich ging 7_rockz All-in, Tiltless legte seine Karten beiseite und ich musste gut 100.000 für einen Pot von 330 000 zahlen, 1:3. Gut für einen Flip, schlecht für 20:80 (im Falle von JJ, QQ, KK, AA). 7_rockz zeigt die Asse und gewinnt den Pot. Mein Plan hat nicht funktioniert… Grummel!
Stack: 510 000, Blinds: 8000/16000/1000, (Ante), Hand: KJo, Position: Cutoff
Ein Shortstack pusht All-in aus mittlerer Position mit etwa 90 000, ich finde KJo und wage den Call. Er zeigt Ax9x und ich gewinne den Pot glücklich. Danach klaue ich drei oder vier Mal die Blinds und bin wieder Chipleader.
Stack: 690 000, Blinds: 8000/16000/1000, (Ante), Hand: AKo, Position: Big Blind
Wir sind noch sechs Spieler. Rob mit einem Stack von 300.000 eröffnet “unter der Flinte” für 44.000, ich bin im Big Blind und entdecke die zweitbeste Hand, die ich am Finaltisch hatte: AKo. Ich reraise auf 120.000 und kriege einen offenen Fold: 77. In diesem Fall versteht er: Ein Coinflip ist wegen der harten Preisgeldstruktur (die ersten drei Plätze werden überproportional bezahlt) nicht günstig für ihn, immerhin gibt es noch drei weitere Shortstacks am Tisch. Mehr als einen Flip wird er mit seiner Hand aber wahrscheinlich nicht bekommen – er muss hier folden.
Stack: 840 000, Blinds: 10 000/20 000/2000, (Ante), Hand: AQo, Position: UTG+1
Ich eröffne mit AQo (meine drittbeste Hand) auf 54.000 und der Big Blind pusht All-in mit einem Stack von fast 500.000. Ich calle sofort. Warum? Er war einer der beiden Spieler, die fast ausschließlich Push-Fold-Poker gespielt haben. Gegen mich hatte er zuvor bereits zweimal All-in gepusht. Seine Range ist gegen aggressive Spieler wie mich sehr weit, er wird viele Asse im Sinne einer Block-Karte pushen und viele kleinere Pockets, um die große Fold-Equity gegen mich zu nutzen. Also dominiere ich hier häufig gegen schwächere Asse oder kriege einen Coinflip gegen die kleinen Paare. Er zeigt A8o, ich spiele gegen drei Outs und gewinne diesen wichtigen und großen Pot!
Nach dieser Hand sind wir zu fünft und ich halte 1 350 000 Chips, fast die Hälfte aller Chips im Spiel. Es kommt zum Deal und ich gewinne 11 000 Euro.
Wer mehr über den “Towergaming-Profi” Rustem Saparov und seine Strategie lesen möchte, der besuche seine Webseite oder lese hier einen früheren Artikel.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.03.2011.