Öfter was Neues. Nach „run it twice“ und dem Umtausch von Turnierchips in Geld bietet Full Tilt nun ein Format an, das es wahrlich in sich hat. Das Ganze nennt sich Rush Poker und macht seinem Namen mehr als Ehre, denn man kann wirklich enorm viele Hände pro Stunde absolvieren. Doch der Reihe nach.
Zunächst fällt auf, dass Full Tilt sein neuestes Baby derzeit nur an Tischen mit Blinds von maximal 0,50 $/1 $ anbietet. Gegen meine Gewohnheit öffne ich nach dem Einloggen nur zwei Tische, um die Sache erst einmal zu beschnuppern. Nach einem schwungvollen Countdown von 3 auf 0 werde ich an einen Tisch mit Brian Hastings verfrachtet, wie ich gerade noch aus dem Augenwinkel erkennen kann, nachdem ich mit 9 3 zügig den Quick-Fold-Button geklickt habe und schon an den nächsten Tisch gebeamt werde.
Nach kurzer Zeit habe ich mich an das enorme Tempo gewöhnt, nur mein PokerTracker schafft es während der gesamten Session nicht, mit der rasanten Geschwindigkeit mitzuhalten. Stats, Table Image und gegnerorientiertes Spiel sind beim Rush Poker praktisch nivelliert, ein Umstand, der zwar reizvoll ist, aber für den thinking player auch Nachteile bietet.
Rush Poker macht seinem Namen alle Ehre, denn die Time Bank beträgt gerade einmal 10 Sekunden, wodurch schnelles Handeln gefragt ist, das natürlich bisweilen zu Ungenauigkeiten führt. Doch genau darin liegt auch der Reiz von Rush Poker, das in diesem Kontext stark an Blitzschach erinnert.
Mehr als zwei Tische traue ich mir während der Session nicht zu, bekomme aber dennoch während meiner ersten Rush-Poker-Session in rascher Folge mehrere starke Hände ausgeteilt. Darin liegt der Vorteil dieses Formats, denn durch die Quickfold-Funktion spart man mit unspielbaren Händen enorm viel Zeit und das Thema Geduld ist definitiv kein Problem. Nachteilig wirkt sich zumindest subjektiv der Umstand aus, dass man keinen gegnerischen Showdown zu sehen bekommt. Sobald die eigene Hand gefoldet ist, verschwindet man an den nächsten Tisch und das Schicksal der beiden Spieler, die mit Raises nur so um sich warfen, bleibt ungeklärt.
Ungeklärt ist für mich auch die Frage des Rakebacks. Irgendwie kann man schwer glauben, dass man an einer Hand beteiligt war, die für einen persönlich nur Bruchteile von Sekunden gedauert hat und dann in einem All-In anderer Spieler mündete. Offenbar ist es aber doch so, dass wie üblich zwei Karten auf der Hand für die Beteiligung am Pot ausreichen – ein zweifellos positiver Aspekt.
Am Ende meiner Rush-Poker-Premiere habe ich in 1 Stunde und 13 Minuten unfassbare 918 Hände gespielt und recht erfolgreich abgeschnitten. Mein Eindruck war, dass Rush Poker viele schwache Spieler anlockt, die Action suchen und zum Teil haarsträubende Darbietungen mit Top Pair plus Bad Kicker zeigen. Es hat Spaß gemacht, war aber auch extrem anstrengend, da Konzentration permanent gefordert ist und für einen Blick in den Email-Eingangsordner die Zeit nicht ansatzweise reicht.
Für Leute mit wenig Zeit bietet Rush Poker eine ideale Plattform, sehr rasch auf sehr viele Hände und somit eine aussagekräftige Samplesize zu kommen. Ich persönlich kann mir aber nicht vorstellen, dass man mehr als zwei Stunden höchste Konzentration beim Rush Poker aufbringen kann, doch dies wird dem dauerhaften Erfolg dieses neuen, attraktiven Formats keinen Abbruch tun.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 21.01.2010.