Rino Mathis ist einer der erfolgreichsten Schweizer Pokerspieler aller Zeiten. Und auf jeden Fall einer der motiviertesten, wenn es darum geht, Poker populär zu machen. Volker Watschounek, Chefredakteur des Casino & Pokermagazins, hat Rino getroffen. Das Interview gibt es hier zum Nachlesen.

Schweizer Poker-Botschafter
Dies sind die Abenteuer des jungen Informatikers Rino Mathis, der sich als18-Jähriger in die Welt des Poker begibt, um in den Weiten des Spiels, zwischen Figuren und einem Blatt zu bestehen.
Bis zu seinem 18. Lebensjahr verschreibt sich Rino ausschließlich dem Backgammon und Schach. Er wird Vorsitzender des Schachklubs von Rapperswil und ist weit weg vom Spiel um Geld (so die offizielle Version). Das Ganze geht solange gut, bis der kam, der gepokert hat. Rino erzählt, wie das Schachspielen mehr und mehr in den Hintergrund geriet. Nach jedem Brettspiel haben sich die wilden Kerle von einst im Stammrestaurant getroffen und gepokert. Richtig eingeschlagen hat es bei der Eröffnung des Concord Card Casino in Wien. Hans Pfister, der der sie mit Poker infizierte, fuhr dorthin und schwärmte danach: „Da gibt es ein Casino, das hat 24 Stunden geöffnet. Die spielen da rund um die Uhr.“. Kurzerhand habe Rino einen Flug nach Wien gebucht. Dann kam Salzburg hinzu. Das waren mit dem Auto vier Stunden. Mathis hatte zu der Zeit einen festen Job als Informatiker. Sein Glück, dass sein Chef so zugänglich war und ihm viele Freiheiten einräumte. Wenn die Arbeit erledigt war, konnte er sich den Rest der Woche frei nehmen. Für Rino war das die Chance, Arbeit und Leidenschaft zu verbinden. Immer häufiger arbeitete Rino bis spät in die Nacht, oder auch schon Mal bis um 3 Uhr in der Früh, um dann gleich am nächsten Morgen, oder eben in der Nacht, mit dem Auto nach Salzburg zu fahren.
Zurück ging es sonntags – nachts, wie sollte es anders sein. Und nicht selten ging es direkt vom Casino zur Arbeit. Schließlich wollte der junge Informatiker keine Minute des für ihn so kostbaren Spiels versäumen. Ein Leben, ganz nach dem Motto: „Schlafen kann man, wenn man alt oder tot ist.“ Nachdem Rino immer zwischen Salzburg und Wien wechselnd pendelte, entschied er sich später häufiger für Wien.
„… ein paar Jahre zu spät“
Kurz vor Weihnachten 2001 war es. Da hat ihn sein Chef „einfach rausgeschmissen.“ Nicht weil seine Arbeitsleistung nachließ. Vielmehr weil ihm sein Lebenswandel nicht wirklich zusagte. Rino war zutiefst gekränkt und meint heute noch: „So einen guten und zuverlässigen Mitarbeiter wie mich, hat mein Chef nie wieder gehabt.“ So einen, der für den gleichen Lohn soviel gemacht habe. Geld war dem damals 30-Jährigen nicht so wichtig. Sein Gehalt besserte er mit seinem Spiel auf. Anfangs mit Backgammon, später mit Poker: zusammen war es genug. Rino wirkt etwas betrübt, lacht aber gleich wieder und erzählt, dass er zwei bis drei Monate Kündigungsschutz hatte. Zwei bis drei Monate Zeit zum Überlegen also. Zeit, die er aber nicht brauchte. Sein Entschluss stand fest und nach Absprache mit dem Chef hörte er noch am gleichen Tag auf. Und dann hat er einfach angefangen, zu Pokern. Als Pro. „Leider ein paar Jahre zu spät“, wie er selber sagt. Rino erzählt, dass er damit deutlich an Lebensqualität gewonnen habe: Aufstehen wann er wolle (außer wenn die Kinder da nicht mitspielen), Zeit für Turniere zu haben, wann es ihm passt, sich Zeit für Gespräche … für Bücher … für Wein (Rino liebt Rotwein, sagt aber auch zu einer Trockenbeerenauslese nicht nein) und Essen zu nehmen, wenn es ihm passt. Rückblickend berichtet Mathis. „Als ich den Job als Informatiker angenommen habe”, dachte ich, “das mache ich so ein Jahr.“
„… kann doch kein Englisch.“
Für gute Freunde hat Rino immer ein Ohr. Sein Handy klingelt – wir machen eine Pause und Rino erklärt einem Freund, wie er jetzt beim Online Spielen zu handeln habe. „Er kann doch kein Englisch,“ erklärt der Schweizer die Unterbrechung und ergänzt: „Immer wenn er ein Problem hat, ruft er mich an und da helfe ich ihm dann weiter.“ Bei Aktionen wie Fold, Raise oder Re-Raise fragt er ihn nie nach Rat. Pokern kann er, „und das nicht schlecht.“ Nico meldet sich zu Wort. Der achtzehn Monate alte Sohn ist wach geworden. Das Babyphone liegt am Tisch und wir hören ihn deutlich. Sonja, Rinos Frau, liegt im Garten auf einer Liege und genießt die frühlingshaften Temperaturen. Es ist Anfang Februar. Miguel, der ältere Sohn, spielt Memory. Rino geht in den Garten und sagt Sonja, dass Nico wach geworden ist. Sie stöhnt, hatte sie es sich doch eben in der Sonne so richtig bequem gemacht… Rino sagt, er hole den Kleinen, geht, holt den kleinen Mann und bringt ihn Sonja. Dort wird er jetzt erst richtig wach, und Mal von zu Mal munterer; setzt sich zu uns an den Tisch und strahlt.
„… bin ich einfach geblieben“
„Wo waren wir doch stehen geblieben? Ach ja, Lehre und so. Ich habe mit meiner Lehre im April angefangen. Nach der Schule erst einmal drei Monate temporär gearbeitet und dann so etwa ein halbes Jahr von Backgammon gelebt.“ Das war aber nicht so lukrativ, wie er es sich vorgestellt hatte. Deshalb habe er im April 1993 dann auch mit der Stelle begonnen und dachte damals nur so ein Jahr zu arbeiten. Zum Start sozusagen. Erfahrungen sammeln. „Backgammon spielen konnte ich ja später noch genug.“ Die Stelle hat ihm dann aber so gut gefallen, dass Mathis einfach dort geblieben ist und sich mit dem Spiel sein Gehalt aufgebessert hat: zuerst mit Backgammon, später mit Poker. Und da sind wir dann wieder beim Thema.
Erinnerungen
Gefragt nach seinem einschneidensten Pokererlebnis bekommt Rino ganz leuchtende Augen und beginnt zu erzählen, davon, als er eine junge hübsche Frau im Frühstücksraum eines Hotels am Buffet kennen lernte und schon bald gemeinsam mit ihr pokerte. Es ist die Symbiose von Glück und Spiel, die Beide verbindet. Rinos Treiben nach dem „großen Gewinn“ und Sonjas Glück, bei ihrem ersten Turnier, den Master Classics of Poker in Amsterdam. Ein halbes Jahr nachdem er sie kennen gelernt habe, begleitete die Freundin Sonja Camenzind den „Pokerneuling“ Rino Mathis nach Amsterdam. Rino lud sie ein und bezahlte 200 Gulden Buy-in, für Sonja Camenzid, die so zu ihrem ersten richtigen Pokerabend kam. „Mit dem Ticket für das Turnier habe ich sie überrascht. Sie wusste von nichts,“ erinnert sich Rino und ergänzt: „Sie wusste vom Poker nur soviel, dass eine 3 mehr wert ist als eine 2,“ ein J mehr als ein T, und ein A mehr als ein K. Ein Poker war für sie eine Figur aus einem anderen Kartenspiel, kein Satz von vier gleichrangigen Karten. Und die kleine oder große Straße kannte Sonja allenfalls vom Rommy: die idealen Voraussetzungen für das Spiel mit 52 Karten. Rinos spontanem Poker-Einführungskurs konnte Sonja damit leicht folgen. „Ich habe ihr die Grundzüge des Spiels erklärt, die Wertigkeit der einzelnen Hände und eine Strategie nahe gelegt.“ Eine Strategie, die Mathis auch heute noch jedem Anfänger geben würde: „Entweder du gehst mit all deinen Chips oder mit den Karten rein. Bloß nichts unnötig bezahlen, nicht reizen lassen, entweder oder. Das hat sie das ganze Turnier durchgezogen.“ Die Taktik ging auf. Nur einmal hatte Sonja das Nachsehen, verlor ihre ganzen Chips. Dass sie dennoch weiter spielte, verdankt Rinos heutige Frau einem Ir®en. „Der war wahrscheinlich von der Spielweise Sonjas derart begeistert, dass er sie an die Re-buy-Möglichkeit erinnerte“. Sie habe so schön gespielt und könne doch nicht wirklich aufhören wollen. Der Vortrag des Iren überzeugte. Mit 200 Gulden kaufte sich Sonja zurück ins Spiel. Rino lacht: „Danach habe ich sie alleine gelassen und mich an meinen Tisch gesetzt. Schließlich wollte ich auch selber spielen.“
Freunde unter sich
An den letzten drei Tischen saßen dann Freunde unter sich. „Das ganze war eine familiäre Sache,“ erzählt Mathis. Lange hatte es so ausgesehen, dass sich die drei Spieler am Finaltisch wiederträfen. Doch dann das Aus für Rino. Sonja blieb im Spiel und saß mit Udo Kindler, ihrem späteren Trauzeugen, der Frau von Mike Magee am Finaltisch. Rino war schon lange aus dem Turnier ausgeschieden, und nicht er, sondern Sonja saß am Finaltisch. Der Ir®e und Rino haben sich vom Tisch abgewandt und standen an der Bar. Beobachteten den Finaltisch aus der Distanz. Sie tranken Wein. Rino erinnert sich noch gut an die Situation. „Ich weiß nicht, ob ich noch einmal derart nervös war?“ Einer nach dem anderen verließ den Tisch. Nur Sonja nicht. Sie blieb der mitgegebenen Strategie treu. Mit welchen Karten durfte sie das machen … gab es dazu einen Tipp? Egal! Sonjas Magen rumorte. Sie hatte schon lange nichts gegessen – und Rino stand an der Bar und trank Rotwein. Ahnungslos. Ist Rotwein sein Omen für Glück? „Vielleicht!“ Doch nicht an diesem Abend, oder gerade doch? Sonja war nur noch müde. Sie hatte Hunger und am liebsten hätte sie dem Ganzen ein Ende gesetzt. Udo schied dann als Siebter aus. Von den Dreien, die gemeinsam in Amsterdam waren, saß allein Sonja am Tisch: der Fisch. Nach einer guten Stunde waren es dann noch drei: Sonja, die Frau des Ir®en und der amtierende Europameister Alex „King“ Kong.
„Deal – was meint der?“

Alex war nicht ganz wohl bei dem ganzen Spiel. Bei dem Spiel mit zwei Frauen. Er fragte Sonja „Deal?“. Sie verstand nicht so richtig worum es ging. „Sie sprach ja kein Englisch,“ flachst Rino. Alex drehte sich deshalb um und fragte Rino, ob Sonja Interesse an einem Deal habe. Rino, dem klassischen Turnierspieler und der hungrigen Sonja war das nur bedingt Recht. „Normalerweise habe ich lieber einen Turniersieg als zwei zweite Plätze“, erklärt Rino. Dem rumorenden Magen wegen einigten sie sich die Parteien, das Preisgeld nach dem aktuellen Chipcount zu teilen – und den Pokal, einen schmucken Teller, sowie die Platzierung auszuspielen. Ganz so, wie es dem Turnierspieler Rino auch heute noch wichtig ist. Sonja hat gewonnen und so ziert der Pokerteller heute das Wohnzimmer der Familie Mathis. Die Taschen voller Geld machten sich Rino, Sonja und Udo um 4 Uhr in der Früh auf die Suche nach etwas Essbaren. Die drei fanden einen Asiaten und stillten den Hunger mit einem Reistopf. Auch heute noch ist dies die mit Abstand eindrucksvollste Episode seines Lebens. Rino Mathis bezeichnet das Erlebnis auch gerne als „ein Geschenk Gottes“ und jeder Gedanke an Sonja bereitet dem gebürtigen Schweizer wahre Freude. Sonja habe bisher fünf Turniere gespielt. Davon war sie viermal vor ihm. Rino und Sonja denken laut darüber nach, ob sie nicht mal die Rollen tauschen sollten. Rino macht einen auf Hausmann und Sonja geht spielen. Rino Mathis ist ein Familienmensch, ist verheiratet mit Sonja und hat zwei Kinder. Er ist davon begeistert, wie unterschiedlich sich die Kinder entwickeln. Wie Miguel nahezu selbst Lesen und Schreiben lernt. Davon, wie selbstständig der Viereinhalbjährige ist und wie unterschiedlich zwei Kinder sein können. War Miguel in den ersten Monaten eher ruhig und einfach zu handeln, ist Nico das absolute Gegenteil. Die Eltern müssten ständig aufpassen, dass der Kleine nicht unvernünftig ist und die ganze Wohnung auseinander nimmt. Rino Mathis ist ein Mensch, der gerne gibt und weitergibt. Er baue derzeit eine eigene Informationsseite für Poker auf. PokerAction.info heißt sie. Die Site hat ohne große Werbemaßnahmen schon über 200 visitors am Tag. Es ist eine werbefreie Site. Der Schweizer möchte damit zurückgeben, was er an Unterstützung in den letzten Jahren erfahren hat. Rino pokert nunmehr seit rund 15 Jahren. Der kleine Miguel ist ein ganz aufgeweckter Junge. Ich gewinne den Eindruck, als wolle er mich beeindrucken und sich recht ins Licht rücken … um Anerkennung zu erhalten. „Anerkennung und Zuwendung“, die er immer erhält, untermauert Rino. Miguel setzt sich auf den Boden und spielt Memory – allein. Rasend schnell sind alle Karten aufgedeckt. Die richtigen Paare gefunden. Die Basis für den Erfolg im späteren Kartenspiel gelegt? Rino erzählt, wie Miguel ihn vor laufender Kamera 3:0 im Memory Spiel geschlagen hat. Das Schweizer Fernsehen mache derzeit eine Reportage über Mathis, sein Spiel und Poker. „Es ist faszinierend, wenn Kinder sich selbst beschäftigen, selbstständig Bilder und das Leben entdecken. Das Interesse in alle Richtungen vorhanden ist.“ Gesundheitlich ist Rino in diesen Tagen etwas angeschlagen. Gestern noch mit dem Schweizer Fernsehen im Squash Court verletzte er sich. Sein Arzt sagte, er habe das Scaleni Syndrom. „Hätten wir uns gestern treffen wollen, es wäre nicht möglich gewesen.“ Kaum bewegen hätte er sich können. Dank Physiotherapeuten ist Rino aber wieder wohlauf. Richtig begeistert ist er von der Fingerfertigkeit dieser Berufszunft. „Sonst habe ich von Ärzten eigentlich keine gute Meinung,“ so Mathis. Ganz nebenbei kommen Rino und sein Physiotherapeut auf seine Körperhaltung zu sprechen. Aufrechter sitzen solle er, den Kopf mehr über der Wirbelsäule halten, damit Speise- und Luftröhre nicht um 45 Grad geknickt sind und er besser atmen könne. Das habe dann auch Auswirkungen auf sein Wohlbefinden, auf seine Atmung und alles was er tut. Er selbst deutet seine Einschränkungen erst jetzt nach der Erkenntnis richtig und arbeite intensiv daran. Daran, den Gesundheitszustand zu optimieren. Mit Hilfe von Dehn- und Kräftigungsübungen, Physiotherapie, den Magic-Fingers qualifizierter Kräfte. Wenn Zeit und Freunde es ihm erlauben.
„Wein ist wie gutes Wasser“
Derzeit sein bester (Poker-)Freund ist Mark Bolliger. Mit dem Inhaber eines TV- und Hifi-Geschäftes ganz in der Nähe von Uster verbringt er schon mal Nachmittage in der Feinkostabteilung beim Globus oder auch bei Monika, wo die beiden ihre Leidenschaft für guten Wein teilen. Zu seinen bevorzugten Rebsorten zählen die, aus Südwest-Frankreich stammende, Abouriou oder auch die, vorwiegend in Italien angebaute, Rebe Aleatico. Experten nennen sie wegen ihrer Ähnlichkeit zur Moscato-Bianco-Rebsorte auch ganz gerne Moscatello Livatiche. Typischerweise wird aus ihr Süßwein erzeugt, was Marks und Rinos Faible für eine gute Trockenbeerenauslese erklärt. Wein ist für ihn wie gutes Wasser, ein Lebenselexier. Rino ist ein Genießer. Er trinke zu 99 Prozent roten Wein, weil es gesund ist viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, wie er mit einem Augenzwinkern sagt.
Volker Watschounek
Chefredakteur Casino & Pokermagazin
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 04.04.2007.