Quadratisch – praktisch und irgendwie ganz gut. Ein neuer Leitfaden für den ambitionierten Pokerspieler liegt auf meinem Schreibtisch. Optisch ansprechend gestaltet, gelungenes Cover, angenehme Typographie. Das hebt meine Laune, mildert meine Stimmung, ändert aber in weiterer Folge selbstverständlich nichts an meiner Gnadenlosigkeit. Rezensionen schreiben ist ein brutales Geschäft und wer mir ein Buch schickt, ist selbst schuld.

Günter Netzer kommentiert exzellente bis ausgezeichnete Schiedsrichterleistungen stets mit der These der absoluten Unauffälligkeit. Nicht spürbar sein, praktisch bis zum Schlusspfiff anonym und unbemerkt dem Handwerk des Pfeifens und Kartenzückens nachgehen, schon ist man nach den Netzerschen Qualitätskriterien ein guter Mann.
Auch G.J. Schnitzler nimmt sich auffällig zurück. Keine exklusive Weisheiten, keine verschraubten Thesen. Stattdessen liefert sein Werk solide Standards und einen pokerpädagogisch durchaus gelungenen Aufbau. Das ohnedies kurze Kapitel „Theorien, Gedanken, Philosophien“ hilft sich mit Querverweisen auf David Sklansky, Mike Caro, dem unvermeidlichen Sun Tzu u.a. und kurzen Kommentaren des Autors. Da würde man sich mehr Mut zum akademischen Wettstreit wünschen.
Für den ambitionierten Einsteiger ist „Erlebnis Poker – Das Hold’em Handbuch“ ruhigen Gewissens zu empfehlen. Der bereits erwähnte gute Aufbau erklärt alles, was man wissen sollte, um die ohnedies verwirrende Anfangsphase halbwegs heil überstehen zu können. Auf ängstigende Formeln und phobische Tabellen wird in den ersten Kapiteln großzügig verzichtet.
Sehr zu empfehlen das Kapitel 7 „Anfängerfehler“ – wobei mir persönlich mehr als drei Dutzend alt gediente Pokerveteranen bekannt sind, die jeden der sieben inkrimierten Fehler konsequent in ihr Standardspiel integriert haben. Vielleicht gehören sie deshalb ebenso konsequent zu den alt gedienten Standardverlieren.
Ein wenig kühn und oberflächlich die Thesen im Kapitel „Multitabling“. Gerade im Anfängerbereich trifft man auf heillos überforderte Spieler, die versehentlich die Nuts folden, wenn das Handy läutet und gleichzeitig der Hund bellt. Da wäre meiner Meinung nach eine deutliche Warnung besser angebracht, als der Verweis, wie man vorteilhaft an der optimalen Bildschirmauflösung schrauben könnte.
Wirklich nett das umfassende (94 Seiten) Dictionary. Wussten Sie zum Beispiel, dass man einen überängstlichen Spieler durchaus verächtlich „Shirley“ nennt (ich dachte immer, die nennen mich so wegen meines makellosen Teints).
Zusammenfassend lautet mein Urteil. Hätte ich statt einer großartigen Frau eine ruchlose und risikofreudige Freundin und hätte ich ferner den Verdacht, sie wüsste die Passwörter meiner Accounts, sofort würde ich das Buch „Erlebnis Poker – Das Hold´em Handbuch“ erstehen, um es drängend unauffällig am Nachttisch zu platzieren. Mehr an Kaufempfehlung kann und möchte ich nicht geben. Schließlich habe ich ja einen gnadenlos, groben Ruf zu verteidigen.
Epilog: G.J. Schnitzler formuliert in schönem und angenehmen Deutsch. Komplizierte Zusammenhänge werden überschaulich und verständlich erklärt, Wortdoubletten elegant vermieden. Verwunderlicher der sprachliche Unfall zur Einleitung.
Übertitel: „Für wen ist dieses Buch?“ – „Verdienen Sie mit Poker fünf- oder sechsstellige Dollarsummen im Jahr? Wenn Sie diese Frage mit einem „Ja“ beantworten können, werden Sie in diesem Buch nicht viel Neues entdecken können.“
Nun zweimal „können“ in einem Satzgefüge ist sowieso verboten. Und um nochmals den großen Günter Netzer zu bemühen. Gerne konstatiert er den Briten eine generelle Torhüterschwäche und auch aktuell seien keine brauchbaren Talente in Sicht. Nun da hat Günter Netzer wohl, wie nicht anders zu erwarten, Recht. Allerdings haben die Briten eine sehr brauchbare Verneinung als Teil ihrer Sprachkultur (in einfacher und doppelter Ausführung). Da kann man sich optimistisch in solche Konstruktionen stürzen und die Erklärung für wen den dieses Buch geschrieben sei, gleich mal mit einem Ausschluss eröffnen. .
Ich glaube, ich weiß, wie es wirklich war. G.J. Schnitzler gab sein gelungenes Manuskript im Verlag abgegeben, um sich dann umgehend in den wohlverdienten Urlaub zu begeben. Die hinkende Einleitung hat dann der Verlagsleiter geschrieben. In der wohlmeinenden Absicht, aber ohne entsprechendes Talent. So wird es gewesen sein. Ganz sicher sogar.
Götz Schrage
„Erlebnis Poker – Das Hold´em Handbuch“. Grundlagen und Strategien für Online Poker. Autor: G.J.Schnitzler. Erschienen im BubeVerlag 2008, 324 Seiten. Erhältlich bei Amazon zum Preis von €24,90.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 23.05.2008.