Heute gibt es bei uns die zweite Abstimmung in der Zitronenkategorie und wir suchen das gröÄte Ärgernis im Poker 2010. Mein Gott, was haben einige Sachen genervt und wie haben wir uns geärgert.
–Der Ärger ist als Gewitter, nicht als Dauerregen gedacht; er soll die Luft reinigen und nicht die Ernte verderben–, lautet ein Zitat von Ernst Hauschka und in diesem Sinne wollen wir mit dieser Kategorie vor allem dazu beitragen, dass sich die Dinge ändern.
Heute können Sie ihrem Ärger Luft machen und bei uns abstimmen. Es geht um Themen, die dem Pokersport besonders geschadet haben und die geeignet sind, einem den SpaÄ am Spiel gründlich zu vermiesen. Abgestimmt wird wie immer rechts im roten Kasten. Hier sind die Nominierungen:
Der Skandal um Ali Tekintamgac
Alles begann an einem Freitagabend mit einer kleinen unschuldigen Meldung auf der Seite der Partouche Poker Tour. Ali T. wurde vom Final Table ausgeschlossen. Damit wurde ein Stein ins Rollen gebracht, der in den folgenden Wochen Unglaubliches zu Tage förderte. Ali T. und seine Komplizen hatten bei fast allen groÄen europäischen Pokerturnieren mutmaÄlich betrogen. Als Blogger getarnte Helfer übermittelten Ali T. die Holecards der Gegner per Handzeichen. Einfach aber effektiv, hundertausende Euros wanderten in die Taschen der mutmaÄlichen Betrüger.
Der Skandal erschütterte den Glauben an die Integrität der groÄen Pokerturniere und zog weite Kreise. Plötzlich wurde wild beschuldigt und eine dreckige Schlammschlacht begann. Ob Ali T. und seine Schergen jemals juristisch zur Verantwortung gezogen werden und das gewonnene Geld zurückzahlen müssen, ist mehr als fraglich. Prädikat: Besonders ärgerlich!
Die abgesagten Sachpreisturniere
Erst die Royal Flush Masters und dann die German Friesland Masters auf der Insel Wangerooge. Ende des Jahres wurden in Deutschland kurzfristig groÄe Sachpreisturniere gecancelt und das sorgte für eine Menge Ärger. Beim Royal Flush Masters war es die Behörde, die dem Turnier kurzfristig die Erlaubnis versagte, bei den Friesland Masters war die geringe Zahl der Anmeldungen ausschlaggebend.
Egal, wo im Einzelnen die Gründe lagen, die qualifizierten Spieler waren ‘not amused’ und das Ganze hat dem Pokersport, der es gerade live in Deutschland auÄerhalb von Casinos nicht gerade einfach hat, schwer geschadet. Ein Turnier ist ein festes Datum, auf das sich Spieler wochenlang einstellen. Platzt ein solcher Termin kurzfristig, bringt das den ganzen Poker-Biorhythmus durcheinander – klare Nominierung!
Der Skandal um die Full Tilt MEC 2009
Die besagte Million Euro Challenge war zwar 2009, die UnregelmäÄigkeiten wurden aber erst dieses Jahr zusammen mit dem Skandal um Ali T. bekannt. Was war passiert? Der Gewinner Dejan Dimov, der zuletzt im TV-Finale an Patrik Antonius scheiterte und 300.000 Euro kassierte, war höchstwahrscheinlich überhaupt nicht teilnahmeberechtigt. Er hatte seinen Shoot-Out-Tisch wahrscheinlich nicht gewonnen, ein Freund hatte ihm aber einfach ein Bändchen besorgt und er konnte im wichtigen MTT, bei dem die Finalteilnehmer ausgespielt wurden, teilnehmen. Dazu ergaunerte er sich zusätzlich Chips und kam so auf das 30-Fache des Starting-Stacks. So berichtete jedenfalls ein “Kronzeuge”.
Eine Ungeheuerlichkeit, die leider selbst den Ausrichtern erst viel später bekannt wurde. Es gab dann noch zusätzlich Zoff, der “Kronzeuge” wollte angeblich Geld um sein Wissen geheim zu halten. Ein riesiger Sumpf und auch wenn das Turnier ein Freeroll war: So etwas darf nicht passieren und muss eigentlich von der Turnierleitung unterbunden werden bzw. gar nicht erst möglich sein.
Der Äberfall auf die EPT Berlin
Es geschah am Tag 4 der PokerStars EPT Berlin im März 2010. Ein brutaler Äberfall mit Schusswaffe und Machete sorgte im Turniersaal des Hyatt für eine Massenpanik. Die vier ausführenden Täter erbeuteten rund 242.000 Euro, der GroÄteil wurde ihnen von mutigen Sicherheitsleuten wieder entrissen. Wir waren vor Ort und der Eintrag in der Live-Coverage spricht Bände:
14:16: Unfassbar, ein Raubüberfall bei der EPT!!! Mad Harper und die Journalisten verriegeln die Tür zum Presserum. Erst hieÄ es eine Schlägerei, es war aber ein Raubüberfall und die Gangster hatten es auf die Kasse abgesehen. Jetzt hat sich die Situation anscheinend etwas beruhigt. Die Redaktion ist nervlich völlig fertig und für einige Momente gab es Todesangst und Spieler und Journalisten verkrochen sich unter die Tische. Puhhh, seeeeehr heftig. [–¦]
Jetzt sind alle Täter geschnappt und teilweise schon verurteilt. Im Nachhinein wurde die Ausführung als stümperhaft bezeichnet, die Teilnehmer der EPT Berlin wissen aber, wie schockierend es war. Der Held des Tages war der Security-Mitarbeiter, der den Tätern Paroli geboten hatte. Aber auch Turnierdirektor Thomas Kremser war ein Held. An vielen Tischen herrschte durch die Massenpanik Chaos und die Chips waren durcheinander. Trotzdem sorgte er für Ordnung und die EPT wurde mit Kevin MacPhee als Gewinner beendet.
Der ewige Hickhack mit Poker und den Behörden
Langsam aber sicher sind die Pokerspieler in Deutschland genervt. Die Gesetzeslage ist auch nach Jahren des Massenphänomens Poker völlig unklar. Es gibt die strafrechtliche-, die verwaltungsrechtliche- und die steuerliche Ebene. Allen Ebenen ist gemeinsam, dass es groÄe Grauzonen sind und eigentlich niemand so recht weiÄ, was nun gilt. Die Gerichte sehen Poker immer noch als Glücksspiel an und sie scheinen sich in dem Punkt allen vernünftigen Argumenten zu verschlieÄen.
Die Staatsgewalt ätzt mit Steuerbescheiden, Razzien und Verboten von Pokerveranstaltungen. Dann das ewige Gezerre um den Glückspielstaatsvertrag, dessen Rechtsnatur und Zielsetzung selbst studierten Juristen unklar ist. Der Europäische Gerichtshof mag den Vertrag auch nicht und hat ihn mehr oder weniger für unzulässig erklärt. Was nervt, ist, dass es die Behörden und Gerichte in Deutschland nicht interessiert.
Dieser absurde Zustand ist ein Ärgernis, das leider höchstwahrscheinlich auch nächstes Jahr wieder auf der Liste stehen wird. Armes Poker-Deutschland. Ab 2013 soll auch in Ästerreich Schluss sein mit dem legalen Poker auÄerhalb von Casinos.
Die Abschottung der Märkte
Die Abschottung der Märkte in Italien und Frankreich geht allen auf den Senkel. Die Franzosen fallen weg, was schon für sich genommen furchtbar ist. Dann ging mit der Abschottung auch eine Erhöhung der Steuer einher, in der Folge wurde der Rake erhöht. Diese Tendenz zur Isolation macht Schluss mit der Wunschvorstellung, dass ein afrikanischer Massai in seiner Hütte einem französischen Zahnarzt beim Poker das Geld abknöpfen kann. Ein Rückschritt.
Auch in den USA war dies in der jetzt gescheiterten Gesetzesnovelle vorgesehen. Irgendwie passt das alles nicht so recht zur globalisierten Welt und beschneidet Poker um ein groÄes Stück Internationalität. Definitiv ein Ärgernis der ganz besonderen Sorte.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 17.12.2010.