Es muss nicht immer Barcelona oder London sein. Manchmal geht auch das Land, um ein schönesPokerturnier mitspielen zu können. Einen gepflegten, netter Zock gibt es auch dort. Hier war es das platte Land am Ende von Hamburg. Fast schon zur Grenze zu Niedersachsen oder Ostfriesland oder so.
Allein die Anreise schon ein Urlaubstraum – kilometerlang vorbei am Deich. Ziegen, Kühe und vorallem Schafe in erstaunlicher Stückzahl – Mehr als gute Starthände. Blauer Himmel, grünes Gras.Wie romantisch kann Pokern sein?
So geschehen gestern beim Sommerfest von Holdem Kings. Einer der größten Veranstalter Hamburgs, sicherlich einer mit den interessantesten Preisen, gutem Spielniveau und interessanten Turnieren. Dieses Mal ein Megamegadeepstack. 20.000 Chips, 30 Minuten Blindzeit.104 Teilnehmer, interessante Preise.
So gewann der Erste nicht nur einen fast mannshohen Pokal, sondern auch eine Reise nach Sylt inklusive natürlich einem Turnier im dortigen Casino. Weitere Turnier Buy-ins (so unter anderem das Monatsfinale im Casino Schenefeld mit einem Buy-in von 420 Euro und Teilnahme an EPT Challenges) sowie Sachpreise wurden ausgespielt. Alles, was das Pokerherz erfreut.
Doch bis dahin war es ein langer, weiter Weg. Also von Anfang an. Am Zielort eingetroffen, erwartete die Spieler eine alte Scheune mit eingebauter Bar und aufgebauten Pokertischen. Wie romantisch kann Pokern sein?
Voller Vorfreude und schon die Hände von gestern Abend diskutierend, kamen die Spieler teilweise mit Kind, Kegel und Hund angereist. Alkoholfreie (für die ganz Harten auch mit Schnaps drin) Cocktails wurden serviert – mit Namen wie All In, Seat Open und Small Stack. Mein Lieblingsdrinkwar der Bad Beat. Die im Übrigen von bildhübschen Bedienungen serviert wurden.
Mit einer kaum erwähnenswerten Verspätung ging es dann los. Sehr zu meiner Freude ergab die Sitzauslosung, dass ich direkt neben Cima sitzen durfte. Sie hat schon neben Boris Becker gesessen,und gestern neben mir.
Meine erste Hand gilt es zu erwähnen – auch wenn mir das niemand glauben mag – 72-off. Trotzdem hab ich das Raise gecallt – irgendwie war ich in Gamblinglaune. Auf dem Flop dann allerdings (welch ungewöhnliches Wunder) drei Overcards. Wie doof kann Pokern sein?
Meine „lustige“ Phase hielt auch in der zweiten Hand an. J3-off habe ich einfach mal geraist mit dem lauten Vermerk „ich muss, hab lange keine Hand mehr gespielt“. So schafft man sich Freunde und baut sich direkt das notwendige Deppenimage auf. Zwischendurch mähte lautstark eine Ziege vor der Tür.
Lockere Stimmung, gute Atmosphäre, aufgrund der Chips war natürlich auch strategisches Pokernmöglich, so ziemlich jeder genoss das Spiel. Ich auch, gewann mit A2-suited einen netten großenPot.
Der erste Spieler, der ausscheiden und die Natur genießen konnte, schaffte dieses nach 1 Stunde und 25 Minuten. Natürlich unter lautem Beifall, dem ein oder anderen Gelächter. Und natürlich verschweigen wir den Namen. Ich persönlich hab meinen Modus beibehalten und lag zur erstengroßen Pause knapp über dem Schnitt. Diese Pause wurde delikat genutzt. Ein bekannter Hamburger Metzger hatte 4 laufende Meter Grill aufgebaut und so ziemlich alles, was an den diversen Tieren essbar ist, lag auch darauf. Wie lecker kann Pokern sein?
Schon jetzt (und im Prizip war das erst das Vorspiel) kamen begeisterte Kommentare von den Spielern, so bspw. Dirk Bierschwale (Hamburger Meister 2006) „Ein wirklich tolles Turnier. Gute Struktur, gute Spieler und aktuell für die Hamburger Szene sicherlich ein Maßstab für Sachpreis-Turniere“.
Nach einem Nackensteak, einem Hähnchenfilet, Kartoffelsalat mit Speck, Knoblauchsauce, Chillisauce, gebackenen Pilzen, gedünstetem sonstigen Gemüse, drei Schreiben Baguette und einem oder zwei Gläschen Rotwein ging es dann munter weiter. Nette Moves, gute Bluffs, Hände, die gehalten haben und einfach eine positive Grundeinstellung spülten mich relativ weit nach vorne. Nach 6 Stunden Pokern hatte ich mehr als doppelte Average. Ja, so toll kann Pokern sein.
Dann folgte eine weitere Rauchen-Beine-Vertreten-oder-sonstwas-machen-Pause. Dann folgte eine geschlagene Stunde Karten-Tod. Aber vom allerfeinsten. Über 53-suited konnte ich mich da schon freudig erregen. Poker ist halt doch ein Geduldspiel. Das habe ich entgegen meines Naturells auchberücksichtigt.
Die Szene verkleinerte sich zusehends. Morgens um 1 Uhr waren nur noch 2 Tische übrig. Ich als einer der Small Stacks kämpfte und verlor letztendlich als 12ter. Mein geflopptes Set sah schon mal prima aus, allerdings gab es dann runner-runner noch ein hübsche Strasse für meinen Gegenüber.Wie doof kann Pokern sein?
Mein Gegenüber hieß im übrigen Kamyar Sabeti, was deshalb erwähnt wird, weil er schlussendlich um 04.22 Uhr das Turnier auch gewann. Glück, viel Glück, aber auch Können gepaart mit den berühmt-berüchtigten Eiern. Und nahezu jedes All-in gecallt und auch gewonnen, auch wenn es entgegen seiner Meinung kein Coin-Flip war.
Auch wenn es nicht ganz für den Final Table, die Preise und Pokale gereicht hat – schön war´s aufdem Land. Es muss wirklich nicht immer Barcelona sein. Obwohl es da natürlich auch schön ist.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 23.08.2009.