Nun spielte ich ausschließlich Heads-Up Turniere. Obwohl ich einen sehr hohen ROI (Return on Investment) hatte, sanken die Einnahmen da ich durchschnittlich nur ca. 20 Turniere pro Tag spielte. Meine schon sehr niedrige bankroll wurde durch einige außerplanmäßige Ereignisse belastet.

So musste ich eine Nacht im Krankenhaus verbringen und die gut 1.000$ wurden erstmal von meiner Kreditkarte abgebucht, obwohl mir versichert wurde, dass die Kosten direkt von der Krankenkasse übernommen werden. Der Grund war übrigens stark erhöhter Blutdruck. Inwieweit der ganze Stress beim Pokern daran schuld war kann ich nicht sagen…
Mittlerweile hatten sich auch die Visa-Bestimmungen verschärft. Ich konnte nicht mehr jedes Mal den Visatrip nach Kambodscha machen, sondern musste Thailand mit dem Flugzeug verlassen und in einer thailändischen Botschaft dann ein neues Visum beantragen. Ich flog deshalb mit meiner Freundin für einige Tage nach Penang in Malaysia.
Meine Bankroll war jetzt meist unter 1.000$ und ich musste mir mehrmals Geld leihen, um kurzfristige Engpässe auszugleichen. Ich war mir zwar sicher, auch die höheren Buy-ins zu schlagen, doch dafür rechte meine Bankroll leider nicht. Diese problematische Situation zog sich über mehrere Monate hin.
Schließlich war ich soweit in den Miesen, dass meine Kreditkarte gesperrt wurde. Meine Kreditgeber wollte oder konnte ich nicht mehr anpumpen und ich entschloss mich schweren Herzens, nach zweieinhalb Jahren in Thailand wieder nach Deutschland zurückzukehren.
Als ich die Entscheidung gefällt hatte, fiel ein tonnenschwerer Stein von mir. Ich muss dazu sagen, dass die Beziehung zu meiner Freundin auch nicht mehr besonders gut war und ich mich eigentlich schon seit einigen Monaten trennen wollte. Aber erkläre das mal einer thailändischen Frau…
Nun ging alles recht schnell. Für meine Freundin mietete ich ein einfaches condo an. Da sie bei ihrem Auszug so ziemlich den gesamten Hausstand mitnahm, brauchte ich den Rest nur noch in meine große Reisetasche packen. Außerdem nahm ich noch einen Monitor mit. Für mehr reichte der Platz nicht.

Nach zweieinhalb Jahren in Thailand betrat ich wieder deutschen Boden. Natürlich war ich sehr gespannt, was sich während dieser Zeit in Deutschland verändert hatte. Waren die Leute jetzt statt mit Autos mit fliegenden Skateboards unterwegs?
Zu meiner Überraschung war eigentlich bis auf einige Kleinigkeiten alles so wie vor zweieinhalb Jahren. Angenehm war, dass es nicht so drückend heiß war wie in Thailand. Nach zwei Tagen hatte ich mich wieder soweit eingewöhnt, dass mir die Zeit in Thailand wie ein längerer Urlaub vorkam. Der Start wurde mir auch leicht gemacht, da ich sofort eine Wohnung und sogar eine befristete Arbeit bekam.
Zum Abschluss ein kleiner Rückblick:
In den Augen vieler bin ich vermutlich gescheitert. Es war ja auch mein Plan, langfristig in Thailand zu leben. Mein größter Fehler war zweifellos, dass ich kein Finanzpolster hatte.
Ich sehe das jedoch positiv: Ich hatte eine sehr gute Zeit in Thailand und meistens trotz einiger Probleme gute Laune. An vieles, wovon man in Deutschland träumt hatte ich mich jedoch gewöhnt und wusste es nicht mehr zu schätzen: Die Palmen, der Strand, ständiger Sonnenschein, die günstigen Preise, die Frauen. Aber ich bin ehrlich: Natürlich wäre ich jetzt noch in Thailand, wenn meine Finanzen es zugelassen hätten.
Im Augenblick versuche ich, mir deshalb wieder eine Bankroll aufzubauen. Diesmal ohne den Druck, davon leben zu müssen. Nebenbei bilde ich mich als Programmierer weiter.
Mein Kumpel Martin sieht mich Ende nächsten Jahres wieder in Thailand…Er kennt mich. Ich bin ein Zugvogel.
Deshalb möchte ich auch mit einem Ausschnitt aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse schließen:
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten!
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt,
so droht Erschlaffen!
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewohnheit sich entraffen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.08.2007.