Wie kommt man von einem Büro in Deutschland nach Thailand. Und vor allem, was hat das mit Pokern zu tun? Slimbob erzählt, was ihn nach Thailand geführt hat und wie es sich als Online-Profi im sonnigen Südostasien leben lässt.
Chris Moneymaker: Was der kann, kann ich auch!
Im Frühjahr 2004 war meine Lage nicht besonders rosig: Ich hatte mein kleines Büro gründlich gegen die Wand gefahren, weil ich so naiv war zu glauben, dass Leute für ehrliche Arbeit auch bezahlen. In der Baubranche sah und sieht das anders aus.
Somit war ich busto (auch wenn ich das Wort noch nicht kannte…) und hatte auch keinen Bock mehr auf sinnlose Mahnschreiben und Prozesse. Bloß kein gutes Geld mehr schlechtem hinterher werfen!
Außerdem wollte ich mal raus aus der ganzen Mühle und fuhr mit einem guten Kumpel nach Peru. Sein Onkel wohnte dort in einer kleinen Stadt an einem Zufluss des Amazonas. Die letzte Woche verbrachten wir in Lima, der peruanischen Hauptstadt. Da ich wusste, dass in Deutschland wieder nur der übliche Frust auf mich wartet, buchte ich mich am letzten Tag noch mal in einem guten Hotel mit Großbildfernseher und Whirlpool ein.
Vom Hoteltelefon rief ich bei einem Callgirlservice an. Nach einer guten Nummer im Whirlpool lag ich in Erwartung des Rückfluges leicht frustriert vor dem Fernseher und träumte mal wieder vom „perfekten“ Job, auch wenn das wie ein Widerspruch in sich klingt:
- Der Arbeitsort sollte frei wählbar sein und zwar weltweit. Seit ich zum ersten Mal mit 18 außerhalb von Europa in der Karibik war, plagte mich das Fernweh.
- Meine Zeit sollte frei einteilbar sein
- Keine nervenden Kunden/Kollegen/Chef und ganz wichtig:
- die Kohle sollte sofort bezahlt werden
Durch eine hektische Stimme aus dem Fernseher wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Auf dem Bildschirm wurden zwei Männer an einem Kartentisch gezeigt: Der eine war leicht übergewichtig mit Basecap und sah für mich aus wie der typische Hillbilli aus dem mittleren Westen. Sein Gegner ähnelte einem dümmlich grinsenden türkischen Gebrauchtwagenhändler mit auffälligen Schmuck und weit aufgeknöpftem Hemd.
Jedenfalls bekam ich mit, wie der „Joe Sixpack“ gegen den „Türken“ gewann. Danach war ein riesiger Berg mit Geldbündeln zu sehen und ich erfuhr, dass ein Mann mit dem lustigen Spitznamen „Moneymaker“ soeben die Kleinigkeit von zweieinhalb Millionen Dollar gewonnen hatte!
Mein Interesse war geweckt. Darüber musste ich unbedingt mehr erfahren. Meine Pokerkenntnisse beschränkten sich auf die Handrankings beim drawpoker, wobei ich aber noch nicht wusste, dass ein Flush eine Straße schlägt. Man kann nicht alles wissen…
Eines wusste ich aber mittlerweile: Der Typ hieß wirklich Moneymaker. Er hatte die Weltmeisterschaft im Poker gewonnen, für die er sich mit nur 40$ übers Internet qualifiziert hatte. In einigen Foren erfuhr ich, dass der Gewinner viel Glück hatte und eigentlich keine Ahnung von Poker hat. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass ich auch hätte gewinnen können. Ein Gedanke, der sich mir beim Hundertmeterlauf oder Tennis nicht unbedingt aufdrängt.
Unbewusst hatte ich den gleichen Kardinalfehler begangen, der die gigantische Geldmaschine Poker am Laufen hält: Es sieht alles sooo einfach aus!
In Deutschland angekommen eröffnete ich gleich einen Playmoney account bei Pacific Poker. Zum Glück war meine Kreditkarte mittlerweile gesperrt, so dass ich erstmal Trockenübungen machen konnte.
Kurz darauf entdeckte ich dann auch die „Freerolls“ und war begeistert: Ohne eigenen Einsatz Geld gewinnen, auch wenn es nur 10$ sind! Jedenfalls gewann ich meine ersten Dollar beim Poker durch Erfolge bei Freerollturnieren und war jetzt natürlich richtig heiß!
Schon immer hatte ich Spaß an Strategie- und Taktikspielen. Beim Poker gab es einen riesigen Vorteil: Man kann damit Geld verdienen! 25-50$ in der Stunde wurden als durchaus realistisch bezeichnet!
Es liegt ja nun schon 3 Jahre zurück, aber wenn ich meine alten emails ansehe, erlebe ich meine Euphorie noch mal, die ich in diesen Tagen empfand. Ständig gab es neue Erfolge zu vermelden: Der erste Pot über 100$, der erste Royal Flush, ein 1500$ Gewinn bei einem Multiplayerturnier – es war eine geile Zeit!
Nie vergessen werde ich auch den Adrenalinschock, den ich bekam, als ich zum ersten Mal 5/10 Limit spielte. Ganze Nächte verbrachte ich am Spieltisch und in diversen Internetforen.
Nachdem ich mal wieder einen längeren Bericht über „poker for a living“ im 2p2-Forum gelesen hatte, begann ich mich ernsthaft mit der Frage auseinanderzusetzen: Auswandern und vom Poker leben?
Eine faszinierende Idee! Es wäre der perfekte Job! Morgens eine Runde im Pool schwimmen, dann einige Stunden pokern. Nachmittags dann an den Strand, ein Bierchen unter Palmen. Abends ins Nachtleben.
Nun begann ich einzelne Länder auf Auswanderungsfähigkeit abzuklopfen. Das Land sollte günstig sein, ein gewisser Entwicklungsstand war wichtig, auch wegen einer guten Internetverbindung. Außerdem wollte ich ja langfristig dort bleiben, da ist natürlich ein gewisser Standard z.B. bei Krankenhäusern wichtig.
Andererseits brauche ich auch nicht die germanische Vollkaskomentalität, ETWAS Abenteuer durfte gerne sein. Aber bitte keine Bananenrepublik ohne jegliche Infrastruktur!
Der mit Abstand wichtigste Grund war: Ich hatte die Schnauze gestrichen voll, immer alleine auszugehen und viel schlimmer: Auch alleine wieder zurückzukommen. Wer in Deutschland nicht wie Brad Pitt aussieht und die 27seitige Anspruchsliste unserer „Landsmänninnen“ erfüllt, hat es schwer.
In Südamerika oder Südostasien war es kein Problem eine „Freundin“ für eine Nacht zu finden. Das Problem war dort eher die Frauen danach wieder loszuwerden.
Schon fünf Tage nachdem ich zum ersten Mal am Playmoneytisch gesessen hatte, schrieb ich in einer email:
„…ich muss leider doch nach Südamerika oder Thailand ziehen, da die schlechten Spieler in den USA abends pokern, dann ist es hier 2-6 Uhr morgens, sehr ungünstig…“
Die beste Zeitzone zum Pokern war tatsächlich Südostasien.
Ich war vorher erst einmal in Thailand und auch nur für eine Woche, aber durch sehr positive Berichte meines Vaters und auch meines Kumpels Martin beschloss ich, nach Thailand auszuwandern!
Im 2. Teil – Thailand, ich komme!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 25.07.2007.