Letzte Woche berichteten wir über die aktuelle Steuerproblematik im Bezug auf Poker. Jetzt ist es uns gelungen, ein ausführliches Interview mit dem bekannten Rechtsanwalt Dr. Robert Kazemi aus Bonn zu führen, der sich bestens in der Thematik auskennt. Rechtsanwalt Kazemi hat bereits mehrere Fälle dieser Art betreut und kann daher aus erster Hand und mit fundiertem Fachwissen über die hochbrisante Thematik berichten.
PokerOlymp: Beginnen wir gleich mit der Gretchenfrage. Müssen Pokergewinne grundsätzlich versteuert werden oder nicht?
RA Kazemi: Unserer Ansicht nach nicht. Versteuerbare Gewinne liegen nur dann vor, wenn man durch seine Tätigkeit einen Einfluss auf die Gewinnerzielung hat. Genau das ist aber nach Ansicht von Rechtssprechung und Gesetzgeber beim Poker nicht der Fall. Poker spielt man zum Zeitvertreib, zwar mit Gewinnerzielungsabsicht aber nicht mit einer sicheren Gewinnaussicht. Deswegen wird Poker auch nach dem Glückspielstaatsvertrag als Glücksspiel gesehen und Gewinne aus solchen sind nicht zu versteuern.
PokerOlymp: Und trotzdem bekommen viele Pokerspieler derzeit Steuerbescheide bzw. werden vom Finanzamt angeschrieben. Wie kann das sein?
RA Kazemi: Das Finanzamt sagt, dass einige Pokerspieler sich selbst als Profis bezeichnen und keine anderen beruflichen Aktivitäten mehr verfolgen. Dann kann man überlegen, dass hier gewerbliche Einkünfte vorliegen, die aus einer nachhaltigen selbstständigen Betätigung hervorgehen und somit Steuer bezahlt werden muss. Nichtsdestotrotz liegt aber letztlich ein Glücksspiel vor und mit diesem kann man nach unserer Auffassung keine dauerhaften Gewinne erzielen wollen. Gewinnerzielungsabsicht hat man auch im Lotto, trotzdem ist der Gewinn aus dem Lotto nicht versteuerbar. Genau so ist es beim Poker. Man will gewinnen, ob man dann tatsächlich gewinnt, hängt – so sagt es der Gesetzgeber – nicht wesentlich vom Können, sondern vom Zufall ab. Man kann natürlich auch von einem Lottogewinn leben, man muss aber keine Steuern darauf zahlen, nur auf die Zinsen hieraus.
PokerOlymp: Ist jetzt seitens der Pokerspieler eine Selbstanzeige sinnvoll um einer hohen Sanktion zu entgehen?
RA Kazemi: Mit einer Selbstanzeige gesteht man ein, dass man eventuell versteuerbare Gewinne in der Vergangenheit erzielt hat und deswegen ist dies nicht anzuraten. Man sollte keine schlafenden Löwen wecken. Pokergewinne sind meiner Auffassung nach nicht zu versteuern und deswegen muss man sie auch nicht angeben. Insofern liegt durch die Nichtangabe derselben auch keine strafbare Handlung vor.
PokerOlymp: Der Gesetzgeber bzw. die Rechtssprechung sollte also durch eine Entscheidung – egal in welcher Form – endlich Klarheit schaffen?
RA Kazemi: Es gibt momentan keine solche Entscheidung zu dem Thema. Es gibt keine Gerichtsentscheidung, die besagt, dass regelmäßige Gewinne aus Poker zu versteuern sind. Der Glücksspielstaatsvertrag qualifiziert Poker als Glücksspiel und man kann nicht sagen, dass wenn Spieler A spielt, ein Glücksspiel vorliegt aber wenn der (bessere) Spieler B spielt, es keins mehr ist und Steuer gezahlt werden muss. Das geht nicht.
PokerOlymp: Kommen wir zum Brutto-Netto-Problem. Nehmen wir an, das Finanzamt schaut in die Hendon Mob Database und sieht bei einem deutschen Spieler eine Million Dollar Gewinn und möchte hierfür Steuern haben. Was ist mit den unzähligen Buy-ins, die man in Turnieren geleistet hat, die nirgends aufgeführt sind?
RA Kazemi: Nehmen wir an, die Gewinne wären als Gewerbeeinahmen steuerpflichtig, dann müssten natürlich die betrieblichen Ausgaben wie Reisekosten, Buy-ins etc. berücksichtigt werden. Das Problem ist aber, dass die meisten Pokerspieler diese Ausgaben nur schwer belegen können. Wo bekommt man schon Quittungen für seine Poker-Einsätze? Das Ganze ist eine paradoxe Angelegenheit und deswegen gehe ich auch nicht davon aus, dass die Gerichte Pokergewinne als versteuerbar ansehen werden.
PokerOlymp: Was ist mit Cashgames oder Turnieren, die zu klein sind, um in der Hendon Mob Database aufgeführt zu werden? Ist zu erwarten, dass die Steuerbehörden ermitteln werden?
RA Kazemi: Ich vermute, dass es demnächst ein Gerichtsverfahren geben wird, dass bis in die letzte Instanz durchgezogen wird, um herauszufinden, ob letztlich versteuerbare Gewinne vorliegen. Ich denke deswegen nicht, dass die Behörden aufwändig ermitteln werden, zumal das in der Praxis meist nur schwer zu bewerkstelligen ist. Dazu kommt, dass die existierenden Listen meist ungenau und unvollständig sind und sich daher kaum als gerichtstaugliche Beweismittel eignen. Im Zweifel dürften diese Listen nicht belastbar sein.
PokerOlymp: Sie haben momentan Fälle, bei denen es um betroffene Spieler geht. Könnten sie uns schildern, worum es dabei dreht?
RA Kazemi: Meine Mandanten werden angeschrieben und gebeten, zu Listen im Internet Stellung zu beziehen und offenzulegen, ob versteuerbare Pokergewinne vorliegen. Ich persönlich habe noch keinen Steuerbescheid gesehen, ich weiß aber, dass es bereits welche im bezug auf Pokergewinne gibt.
PokerOlymp: Was unsere Leser sicherlich interessiert ist, was man konkret tut, falls man vom Finanzamt bzw. der Steuerfahndung kontaktiert wird. Wo kann ich hingehen? Wer hilft mir? Wie kann man sich dagegen wehren?
RA Kazemi: Ich würde dringend empfehlen, nichts ohne Anwalt zu machen. Es können Fristen laufen und allzu leicht sagt man das Falsche, was dann nicht rückgängig gemacht werden kann. Steuerberater könnten theoretisch auch helfen, sie haben aber mit der – doch eher kernjuristischen – Thematik zu wenige Berührungspunkte. Für die Steuerberater wird es schnell zu “heiß”. Gegen den Steuerbescheid muss man natürlich Rechtsmittel einlegen, da er sonst rechtskräftig und vollstreckbar wird. Auf keinen Fall sollte man versuchen, auf eigene Faust tätig zu werden, zumal man als Betroffener zu emotional verhaftet ist.
PokerOlymp: Vielen Dank für das spannende Interview.
RA Kazemi: Vielen Dank und alles Gute.
Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte PartG, Dr. Robert Kazemi (Rechtsanwalt/Partner), Rheinallee 27, 53173 Bonn, Tel: +49 (0)228 – 3500 89-0, www.medi-ip.de
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 26.04.2010.