„Betrüger aufgeflogen!“, „Profis abgezockt!“ – Wirklich empörende Meldungen gab es am letzten Wochenende. Doch was ist daran tatsächlich der Aufreger? Es ist die Tatsache, dass ein solcher Betrug überhaupt möglich ist. Die viel gepriesene deutsche Gründlichkeit hat gründlich versagt!
Einmal mehr muss ich mich in so kurzer Zeit über das deutsche Pokerwesen entrüsten. Und das mit noch mehr Recht als vielleicht zuvor. Denn über zwei Jahre hindurch zwei Karten aus dem Deck verschwinden und wieder auftauchen zu lassen, ist keine ganz miese Tour oder gar Frechheit, sondern einfach das Ausnutzen einer Fahrlässigkeit der deutschen Casinos!
Im Pokerland Österreich reichen die Sicherheitsmaßnahmen in den Cardcasinos von Deckmates bis hin zu dreimaligem Zählen pro halber Stunde. Thomas Kremser betont es noch ausdrücklich in der Diskussion, dass bereits seit 1993 der Standard des Concord Card Casino ein dreimaliges Zählen innert 30 Minuten vorschreibt. Und dann gibt es da auf der anderen Seite die deutschen Casinos, in denen man von Glück reden kann, wenn sich der Dealer die Mühe einmal in der Stunde macht.
Tag ein, Tag aus liest man vom hohen Sicherheitsstandard. Staatliche Casinos samt ihrem Monopol seien das einzig Wahre. Nur so könne man vor Lug, Betrug und sonstigen kriminellen Machenschaften schützen. Ich bin mir sicher, dass das Casino Bad Zwischenahn der beste Austragungsort für die Deutsche Meisterschaft ist. Denn schließlich ist man dort ja bereits nach zwei Jahren auf den Betrug gekommen. Wer weiß, wie lange es in anderen Casinos noch gedauert hätte.
Doc Michael Keiner spricht von „Ungeziefer“. Doch hat der Betrüger nicht einfach nur eine Sicherheitslücke ausgenutzt und die selbst ernannten Profis nach allen Regeln der Pokerkunst ausgeblufft? Im Nachhinein zu sagen, das sei einem schon immer komisch erschienen und man hätte schon den Verdacht gehabt, stellt Spielern und Casinos nur ein weiteres Armutszeugnis aus. Denn trotz akkuratem Beobachten sei nichts zu bemerken gewesen. Videoaufzeichnungen und die Argus-Augen von Mitspielern haben nichts Auffälliges beobachten können. Na toll! Ob jemand eine typische Handbewegung macht, die auf einen Bluff hindeutet, darauf ist das Auge des Pokerspielers geschult, aber dass er gerade betrogen wird, entzieht sich seiner Auffassungsgabe.
Aber nehmen wir die erdrückende Last „Selbst schuld“ von den Schultern der Spieler und legen sie auf die der Casinos. Denn traurig sieht es aus mit der Pokerlandschaft Deutschland. Lug und Betrug wo man hinschaut. Turnierveranstalter sorgen für eine Aufregung nach der anderen. Doch auch vor den Casinos machen die Negativ-Schlagzeilen nicht Halt. Die Casinochefs ziehen sich mit nichtssagendenden Äußerungen aus der Verantwortung. Meinungen wie “Mischmaschinen seien doch viel zu teuer bei einem so unprofitablem Spiel wie Poker”, sprechen doch eindeutig dagegen, dass die Casinos alles tun, um den höchsten Sicherheitsstandard zu garantieren. Und eine bessere Ausbildung der Dealer wird wohl auch noch ein paar Jahrzehnte auf sich warten lassen.
Da versteht man doch die Welt nicht mehr! Poker sei Glücksspiel, dürfe nur unter staatlicher Casinoaufsicht angeboten werden und dennoch ist es so unlukrativ für die Spielbanken? Das widerspricht sich doch! Poker spielt man nun mal gegen Mitspieler und nicht gegen die Bank. (Es sei denn, die Rake erreicht schwindelerregende Höhen!) Das ist ja fast so, als dürfte man Bridge, Skat, Backgammon, Schach und Mensch–ärgere–dich–nicht nur noch in den Casinos spielen. Der Glücksfaktor ist gegeben und das reicht doch auch beim Pokerspiel als Argument, dass es unter staatliche Aufsicht gehört.
Gelobtes Land Österreich! Der Widerstand der Cardrooms gegen das staatliche Monopol hat sich bezahlt gemacht. Denn jeder weiß, dass in den Cardcasinos ein Betrug in der Art und Weise wie in den deutschen Casinos nicht möglich gewesen wäre.
Aber das Kartenzählen wird ja nun sicherlich in die Anleitungen für die Dealerausbildung in den deutschen Casinos aufgenommen werden. Es muss doch immer erst etwas passieren, ehe man reagiert. Und meine Frage ist nun wieder dieselbe: “Wann erwacht der deutsche Pokerspieler aus dem Dornröschenschlaf und nimmt den Kampf gegen die Dornen auf?”
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 06.11.2007.