Phil Hellmuth im Interview und eine Geschichte aus vergangenen Pokertagen. Erst wird sich an alten Zeiten erinnert und dann spricht Phil Hellmuth offen und sympathisch ehrlich über die Tücken seiner Nerven. Lesen Sie, was er von Tony G. hält und warum er Eddy Scharf den höchsten Respekt zollt. Außerdem zieht Hellmuth einen spannenden und poetischen Vergleich zwischen den Bad Beats am Pokertisch und der tragischen Momenten eines John McEnroe.

Phil Hellmuth – Der Tourist als Millionär
Damals, als das Jahrtausend noch frisch war wie meine Bankroll, begegnete ich ihm zum ersten Mal. Poker-EM Seven Card Stud 2000 in Baden und Phil Hellmuth mitten im Geschehen. Nichts wusste ich damals über ihn, niemals hatte ich seinen Namen gehört. Exotische Kombinationen von Buchstaben wie WSOP waren mir unschuldig fremd und doppelt uninteressant.
Irgendwie hatte ich es in den „Final Day“ geschafft. Noch 48 Spieler dabei und da ist er mir dann aufgefallen. Ein sonderbar faltenfreies Gesicht, wie es sonst nur wohlbeleibte Menschen als kleinen versöhnlichen Extrabonus für ihre sonstige Unförmigkeit von der Natur geschenkt bekommen. Seine Mimik, sein Ausdruck, sein ganzer Habitus von gruseliger Selbstsicherheit. Hier war ein Mann, der entweder alles richtig macht oder nicht richtig im Kopf sein konnte. Dann war es rasch für mich vorbei mit dem Turnier und aus der Traum vom großen Geld. Zwei Spieler hatte ich nur überlebt. Ein Glas Sekt, ein Händedruck vom Manager $6000 und genug Zeit, wehmütig den Rest des Feldes zu beobachten.
Es kam dieser Pot gegen den brandgefährlichen Ungarn Istvan Hamori. Ein äußerst unangenehmer Gegner, der seine Pot stets mit Brachialgewalt und der stählernen Brechstange durchhämmerte bis zum Schluss. Phil Hellmuth hatte mit seinem offenen Ass von Start weg versucht, das Kommando zu übernehmen. Aber bei jedem Move gab es von Hamori ein Retour. Bei der fünften endlich stimmte wenigstens Schein und Auflage. Der Ungar konnte mit der soeben eingetroffenen Pik Zehn zumindest ein Flush vortäuschen. Phil Hellmuth spielte unerschrocken an und bekam sofort die ungarische Artillerie zu spüren. Es war ruhig im Raum geworden, ein spannender Moment. Selbst die nervösen Jetons klapperten nur leise und auch die Kellnerinnen wagten nicht mehr nach den übervollen Aschenbechern zu greifen.
Mit einem wütenden Ruck schob Phil Hellmuth seinen Sessel nach hinten und stand dann da in voller Größe. Beleidigt, ob diesem respektlosen Spiel ergoss sich ein Wortschwall über den verdutzten Hamori: „Ich bin der beste Spieler! Ich bin der allerbeste Spieler! Ich bin ein Sieger und du bekommst keinen einzigen Jeton mehr von mir!“(frei übersetzt). Sagte es und warf sein Paar Asse offen, und zur Freude des Dealers in Augenhöhe, quer über den Tisch. – Pikiert, geradezu gekränkt und irgendwie mit Wehmut, weil der Kampf vorbei war, öffnete Istvan Hamori sein Blatt. Eine reine Baustelle ohne große Perspektiven und so gar nicht passend zum druckvollen Vortrag. Alle lachten. Der Tisch, die Kiebitze und auch die Kellnerinnen lächelten, wohl um nichts falsch zu machen.. Ich beugte mich zu meinem finnischen Nachbarn, dessen geregeltes Turnierleben daraus bestand, von früh bis spät konsequent betrunken zu sein. „Wer ist das?“. Viel verstand ich nicht, nur das Wort „Bracelet“ fiel öfters. Das auch noch. Ein Mann, der Armbänder sammelt und keine Ahnung von Pokern hat. Tragisch. Wahrscheinlich eine Tunte und ganz sicher ein Tourist ohne Chance.
Phil Hellmuth hat dann das Turnier gewonnen. Mehr als $100.000 war das Preisgeld. Inzwischen hat er alleine bei Turnieren mehr 9 Millionen Dollar kassiert und ich gäbe wer weiß was dafür, wenn ich nur eines seiner elf Bracelets besäße. Heute ist Phil Hellmuth wahrscheinlich wirklich der Beste der Besten. Nur logisch, dass meine erste Frage lauten musste:

Götz Schrage: Mr. Hellmuth. Wer ist eigentlich der zweitbeste Spieler der Welt?
Phil Hellmuth: Johnny Chan. Ohne jeden Zweifel. Ein Spieler, der wirklich meinen Respekt hat und von enormer Spielstärke.
Götz Schrage: Aber Sie haben ihn 1989 am Finaltisch geschlagen und dabei immerhin Ihr erstes Bracelet gewonnen.
Phil Hellmuth: Hatten Sie mich nicht nach dem „zweitbesten Spieler“ gefragt? (lacht)
Götz Schrage: Korrekt! Nächste Frage. Weinen Sie immer im Flugzeug?
Phil Hellmuth: Ich? Wieso?
Götz Schrage: In Ihrem Buch „The Poker-Brat“ beschreiben Sie das so nett. Wie Sie nach dem Gewinn der Poker-EM 2000 in Baden im Flugzeug sitzen und weinen vor Glück.
Phil Hellmuth: Sie haben mein Buch gelesen? Ich glaube, ich finde Sie jetzt schon nett! Und das stimmt tatsächlich. Es war einfach so ein bewegender Moment. So weit weg von daheim und außerdem waren meine beiden Schwestern mit in Baden und konnte sehen, wie ich das Turnier gewinne. – Ein tolles Erlebnis.
Götz Schrage: Warum haben Sie damals Ihren EM-Titel nicht verteidigt. In wenigen Wochen hätten Sie dazu die Gelegenheit beim Baden Poker Festival.
Phil Hellmuth: Ich hätte das so gerne verteidigt. Gleich im nächsten Jahr. Aber da war dann 9/11 und es gab keine bestätigten Flüge über den Atlantik. Eine nervöse und traurige Zeit.
Dieses Jahr hätte es fast geklappt. Baden ist ein tolles Turnier in wunderschönem Ambiente. Für nächste Jahr werde ich wirklich versuchen, mir das einzuteilen.
Götz Schrage: Super! Ich weiß nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist. Dieses Jahr bei der WSOP war Deutschland bezüglich der Finaltische die dritterfolgreichste Nation. – Welche deutschen Spieler kennen Sie? Und wer fällt Ihnen da zuerst ein?
Phil Hellmuth: Zu erst ganz sicher Eddy Scharf. Ein wirklich großartiger Spieler. Damals als er sein erstes Bracelet gewann, war ich mit am Finaltisch. Eigentlich hatte ich fest vor, das Turnier zu gewinnen und da kam ich dann in diesen Pot mit Eddy Scharf und habe vielleicht einen kleinen Fehler gemacht und so hat er einen Riesenpot mit „König hoch“ gewonnen! Das muss man sich mal vorstellen, beim Omaha mit „König hoch“ gegen mich! Sonst hätte Eddy keine Chance mehr gehabt. – Jedenfalls trotzdem ein würdiger Bracelet-Gewinner.
Götz Schrage: Bleiben wir bei den Bracelets. Sie sind der alleinige Rekordgewinner mit 11 Stück davon. Außerdem haben Sie mittlerweile mehr als 60 Cashes und bringen es bei der WSOP alleine auf 7 Millionen Dollar Gewinnsumme. Ist es da nicht sonderbar, dass Sie da bei der Overall-Wertung des Preisgeldes gerade mal auf Platz 7 liegen und etwa ein Jamie Gold, der Finaltische der WSOP in diesem Leben wahrscheinlich nur noch bei Youtube sehen wird, auf Platz Eins mit 12 Millionen Dollar?
Phil Hellmuth: Das möchte ich nicht kommentieren. Ich freue mich über meine Erfolge.
Götz Schrage: Ich hoffe, Sie freuen sich auch über Ihre Zitate. Sie haben mehrfach folgendes gesagt: „If luck weren’t involved I guess I would win everyone“ (Wenn es den Glücksfaktor nicht gäbe, glaube ich, würde ich alle (Turniere) gewinnen). – Sie sind sich doch sicher bewusst, dass Poker ohne den Faktor Glück ähnlich erfolgreich wäre wie Damen-Curling?
Phil Hellmuth: Natürlich weiß ich das. Und vor allen Dingen, wenn es nicht diesen Glücksfaktor gäbe, wäre ich wesentlich weniger reich und das wäre doch schade. Das war damals einfach ein emotionaler Satz und nicht mehr.
Götz Schrage: Emotionale Wirrungen gibt es ja reichlich in Ihrer Karriere. Irgendein dummer Journalist hat Sie kürzlich als John McEnore des Pokerns beschrieben. Dabei wissen wir doch, dass John McEnroe nur der vorweggenommene Phil Hellmuth des Tennissports war.
Phil Hellmuth: Sie gefallen mir! Sie sehen die Dinge mit klarem Verstand und wie sie wirklich sind! (lacht und informiert seine Kumpels im Hintergrund – Die Frage scheint ihn tatsächlich zu amüsieren) Also im Ernst, ich habe sogar schon einige Zeit mit John McEnore und seiner Familie verbracht und wir verstehen uns tatsächlich blendend. Vielleicht gibt es eine Seelenverwandtschaft.
Götz Schrage: Zur Seelenverwandtschaft. Man nennt oft Tony G. in einem Atemzug mit Ihnen wegen seiner eruptiven Ausbrüche am Pokertisch. Kränkt Sie das?
Phil Hellmuth: Ganz im Gegenteil. Tony G. ist abseits des Geschehens ein wirklich sympathischer und respektabler Kollege mit einem Herz aus Gold. Kein Problem für mich also, da genannt zu werden.

Götz Schrage: Nun, dann kümmern wir uns weiter um Ihre emotionalen Turbulenzen. Man denke da nur an Ihren Auftritt bei „Poker After Dark“ oder als Sie beim WSOP Tournament of Champions gegen Annie Duke verlieren und wie von der Tarantel gestochen durchs Studio stürmen.
Phil Hellmuth: Schauen Sie. Das ist alles tatsächlich ein wenig wie bei John McEnroe. Der hat auch seine Bälle 5 mal hintereinander gerade noch und mit Glück auf die Linie gesetzt und wenn sein Gegner das einmal und unerreichbar gemacht hat, war er – im Moment – völlig verzweifelt über dieses grandiose Pech und diese unglaubliche Ungerechtigkeit. So ähnlich ist das bei mir.
Götz Schrage: Jetzt enttäuschen Sie mich aber Mr. Hellmuth. Das hört sich fast an, als ob Sie eigentlich ein netter Junge sind und klingt so gar nicht nach Poker-Brat (Poker- Rüpel).
Phil Hellmuth: Ich enttäusche ungern Menschen und ich enttäusche auch Sie nicht gern, aber so ist es in Wahrheit. Ich bin eigentlich ein netter Junge, der noch immer nicht damit umgehen gelernt hat, dass der Ball manchmal ganz böse über das Netz rollt und auf meiner Seite liegen bleibt. – Aber ich arbeite daran.
Götz Schrage: Mr. Hellmuth – Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.
Phil Hellmuth: Es war mir ein Vergnügen – Ich danke Ihnen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.09.2007.