Vor einigen Wochen gewann sie die World Women’s Poker Open II in London. Nun gibt Soraya Homam exklusiv für PokerOlymp Auskunft über ihre Karriere.
Im Gespräch mit PokerOlymp berichtet die frisch gebackene Weltmeisterin, die seit 15 Jahren Poker-Profi ist, über die Anfänge ihrer Laufbahn und ihren Werdegang.
Im Jahr 2000 gewann die Spielerin iranischer Abstammung die EM in Pot-Limit Hold’em und zählt seit vielen Jahren zu den Stammgästen im Wiesbadener Casino. Bei den German Open 2007 landete sie auf Rang 3 und sicherte sich damit 41.337 $. Anfang Oktober dieses Jahres gewann sie in London die Weltmeisterschaft der Damen und ein Preisgeld von 50.000 $.
Das Gespräch bietet interessante Einblicke in die Pokerwelt vor dem heutigen Boom und die Schwierigkeiten einer Frau in einer reinen Männerdomäne. Soraya Homam hat mit vielen Spielern am Tisch gesessen, die von der Bildfläche verschwunden sind, weil nicht nur ihre Bankroll aufgebraucht war. Sie jedoch lebt seit 15 Jahren von ihrem Sport und ist nicht nur sie selbst geblieben, sondern – auch durch das Pokern – zu einer Persönlichkeit gereift.
Wir freuen uns sehr, dass Soraya Homam in Zukunft auch als regelmäßige Autorin bei PokerOlymp tätig sein wird.
Und hier das Interview:
Sie haben gerade bei der Party Poker Women´s World Open II den Titel geholt. Was bedeutet dieser Triumph für Sie?
Ich habe mich sehr gefreut, dass ich den Weltmeistertitel der Frauen nach Deutschland holen konnte. Außerdem war ich tief gerührt, als mein langjähriger Freund, Ben Roberts aus London, mich Full Tilt Poker vorgeschlagen hat und diese mich für dieses Turnier gesponsert haben. Das hat mir zusätzlichen Antrieb gegeben. Ich bedanke mich bei Ben und Full Tilt Poker für das Vertrauen, dass sie in mich gesetzt haben. Nachdem ich vor zwei Jahren einen schweren privaten Schlag hinnehmen musste, symbolisiert dieser Titel erst recht sehr viel für mich.
Sie haben vor vielen Jahren begonnen, Poker zu spielen. Wie war die damalige Situation?
Fast von Beginn an, seit Poker in der Spielbank Wiesbaden angeboten wird, bin ich dabei. Inzwischen sind über 15 Jahre vergangen. Dort habe ich das erste Mal Seven-Card Stud kennen gelernt.Vorher spielte ich einige Jahre Draw Poker und Backgammon in meinem Freundeskreis. Wir spielten ernsthaft, aber mit niedrigem Einsatz, hatten dennoch viel Spaß.Im Casino spielten damals ausschließlich Männer und Poker war nicht nur allgemein verpönt, sondern vor allem für eine Frau. Außerdem gingen alle ins Casino, um Black Jack, Roulette oder Bakkarat zu spielen, Poker war nicht wie heute in Mode.
Wie haben Sie seinerzeit an Ihrem Spiel gearbeitet?
Damals gab es kaum Pokerlektüre auf Deutsch, wenn überhaupt dann nur in Englisch. Ich habe am Anfang versucht, mich durch aufmerksame Beobachtung des Spiels und der einzelnen Spieler zu orientieren. Des weiteren habe ich abends nach dem Spiel einige wichtige Hände rekonstruiert. Mir hat vor allem sehr geholfen, mich selbst kritisch zu beobachten, meine eigenen Fehler zu erkennen und daran zu arbeiten. Aber auch wenn ich eine besonders gute Entscheidung getroffen hatte und damit erfolgreich war, habe ich diese ebenfalls rekonstruiert und mich anschließend selbst gelobt. Es hört sich vielleicht infantil an, aber ich tat es.
Berichten Sie ein wenig über die Tatsache, dass Sie als Frau, die iranischer Abstammung ist, mit Poker begonnen haben.
Wie sie mit Sicherheit wissen, hat sich inzwischen herausgestellt, dass wir trotz der faszinierenden Demokratie und Freiheit in Deutschland noch nicht die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erreicht haben. Als Frau konnte ich mich aus diesem Grund und wegen der Dominanz der Männer in der Pokerszene schwer realisieren. Hier spielte es keine Rolle, ob ich Deutsche oder Ausländerin war. Es war einfach meine erste Hürde, die ich überwinden musste. Die nächste Hürde war, dass meine Freunde und Familie immer strikt gegen Poker waren, und mit dieser Belastung ging ich trotzdem spielen. Ich dachte mir, im Casino würde ich mit solchen Ablehnungen nicht konfrontiert. Aber dem war nicht so. Manch ein Macho, der selbst jeden Abend dort spielte, nahm sich das Recht heraus, mir immer wieder zu erklären, dass „dies ist nicht der richtige Ort für mich sei“ oder „es sich nicht schickt, so oft zu kommen.“Da ich damals das heutige, schwer erworbene Selbstvertrauen nicht besaß, kamen mir häufig Zweifel.Ich fragte mich, ob sie vielleicht Recht haben und ich einen großen Fehler begehe? Aber ich wollte pokern und die, die mir davon abrieten, spielten selbst jeden Abend. Ich erkannte durch einen sehr schmerzlichen Prozess, dass sie sich und ihre patriarchalische Mentalität ändern mussten, nicht ich.Also saß ich als Frau stets zwischen zwei Stühlen, mir standen offene und versteckte Widerstände gegenüber. Zum einen als eine deutsche Frau und für manche als eine iranische Frau, die im Casino einfach nichts zu suchen hatte.Dennoch habe ich auch viele gute Erfahrungen mit andersdenkenden Männer gemacht, hier denke ich sofort an meine langjährigen Kollegen, wie Ulli Gerloff, Micky Finn, Ben Roberts, Joachim Hempler, Thorsten Heussner und an einige andere emanzipierte Männer.
Es läuftAls Kind haben Sie sich gegen den Widerstand Ihres Schuldirektors die Aufnahme in die Schach-AG erstritten. Inwieweit war dieses Erlebnis auch für Ihre Pokerkarriere wichtig?
Zu Beginn des Pokerns im Casino dachte ich mir, dieses Mal wird es im Gegensatz zum Schach eine Leichtigkeit werden, denn die damaligen Hindernisse schienen mir nicht vorhanden zu sein. Leider hatte ich mich getäuscht, es war alles andere als leicht, im Gegensatz zu damals, als mein Meister mich eliminieren wollte und die Mitschüler mich respektvoll akzeptierten. In der Pokerszene war jedoch alles genau anders herum: Die wenigen Pokerprofis sowie die Saalchefs und Angestellten der Casinos Wiesbaden und Bad Homburg behandelten mich respektvoll und hießen mich immer willkommen, aber die mittelmäßigen Spieler oder die, die von sich glaubten, gute Spieler zu sein und einige Mitläufer waren nicht in der Lage, mich zu respektieren. Wahrscheinlich haben sie Frauen gegenüber nie den nötigen Respekt gelernt.
Welche Verbindungen sehen Sie zwischen Schach und Poker?
Beim Pokern spielte zu Beginn für mich das Gewinnen von Geld nicht die übergeordnete Rolle, sondern vielmehr die Tatsache, dass ich ohne körperlichen Einsatz, einfach nur mit meinem Kopf und intensivem Denken, erfolgreich sein konnte. Das hatte ich beim Schach gelernt. Es war unfassbar für mich, dass ich etwas tun konnte, was ich schon als 13 jähriges Mädchen tun wollte. Es war außergewöhnlich, meine Gehirnzellen durften für mich arbeiten und niemand konnte mich daran hindern.
Was mich an dem ersten Abend im Wiesbadener Casino am meisten begeisterte, war die Tatsache, dass ich entdeckt hatte, meine eigenständigen Gedanken, mein konzentriertes Denkvermögen selbst zu entwickeln. Denkprozesse meiner Gegner im Voraus zu erkennen und entsprechend in Sekundenschnelle zu agieren bzw. zu reagieren. All diese und viele andere Feinheiten, die wohl bisher in meinem Gehirn als Reserve passiv vorhanden waren, aber längere Zeit auf diese Weise nicht zum Einsatz gekommen waren, realisierte ich. Ich erlebte eine ähnliche Verbindung am Pokertisch, wie ich sie am Schachbrett erlebt hatte.
Immer locker und freundlich bleibenSie haben Ihre größten Erfolge in Texas Hold’em, der heute dominierenden Variante, errungen. Ist das auch Ihre Lieblingsvariante?
Wir haben damals vor allem Seven-Card Stud, aber auch ausgefallene Varianten gespielt. In Wiesbaden oder Bad Homburg gab es immer Diskussionen, ob Stud oder Texas Hold´em gespielt wird, später kam dann noch Omaha hinzu. Manchmal einigten wir uns auf Dealer’s Choice oder spielten eben, was angeboten wurde. Heutzutage ist Pot-Limit Omaha meine Lieblingsvariante, die ich vor allem im Cash Game spiele. Oder wie ich gern zu sagen pflege: Homam is my name, Omaha my game.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Online-Poker? Sind Sie dort aktiv?
Als Profi ist das Internet natürlich aufgrund der geringeren Kosten, des niedrigeren Zeitaufwands und der permanenten Verfügbarkeit unverzichtbar. Dennoch spiele ich lieber live, da die Atmosphäre und die Wahrnehmung der anderen Spieler für mich sehr wichtig sind. Ich verstehe auch nicht, wie manche Leute zwanzig Tische gleichzeitig spielen können. Bei mir sind es maximal vier Tische, die ich simultan bediene, da die Qualität meines Spiels sonst leidet.
Würde es sich als professionelle Pokerspielerin nicht anbieten, den Wohnort von Neu-Isenburg nach Las Vegas oder in eine andere Poker-Hochburg zu verlegen?
Darüber habe ich noch nie nachgedacht, denn ich fühle mich hier zu Hause und wohl.
Es ist vollbrachtSpielsucht ist ein Thema, das offenbar an Bedeutung zunimmt. Wie verhält es sich in ihren Augen mit dem Pokern: Wie groß ist die Suchtgefahr?
Meiner Ansicht nach ist die Gefahr sehr groß, dass ein Pokerspieler/in das Pokern als Flucht vor bestehenden Problemen benutzt. Manche süchtigen Spieler, die ich im Laufe der Jahre erlebt habe, können einfach nicht mit Geld in der Tasche nach Hause fahren, sie müssen alles verlieren, denn das gehört zu ihrer Spielsucht dazu.
Wie sieht Ihr Turnierkalender in nächster Zeit aus?
Im November spiele ich zunächst die Master Classics in Amsterdam und anschließend die Deutsche Meisterschaft in Hamburg. Am 6. Dezember spiele ich beim Masters of Games 2008 im Carlton Ritz in Berlin. Dieses Turnier stellt eine besondere Herausforderung dar, da dort Poker, Schach und Backgammon gespielt werden.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 23.10.2008.