Am letzten Dienstag war es nun soweit. Full Tilt, vormals zweite Kraft im Online-Poker-Markt und auf Augenhöhe mit PokerStars ist Geschichte. Der an die Wand gefahrene Ex-Gigant darf jetzt noch ein allerletztes Gnadendasein als Skin von PokerStars führen, hat aber keinen eigenen Spielerpool mehr und ist de facto nur noch eine Kopie der Schwesterseite mit einem anderen Namen.
Wer wollte da noch spielen?
Es ist nun nicht so, dass dieses Gnadendasein ein neues wäre. Schon seitdem Full Tilt nach dem Aufkauf durch PokerStars im Jahr 2012 wieder ans Netz ging, war absehbar, dass die Seite nicht mehr zu alter Stärke zurückfinden wird.
Das Misstrauen der Spieler war zu groß. Sie konnten anderthalb Jahre nicht auf ihre Bankroll zugreifen und am Ende sahen sie ihr Geld nur deswegen wieder, weil die Scheinbergs und PokerStars 700 Millionen Dollar investierten, um den ehemaligen Kontrahenten rauszuhauen und sich selbst im Rahmen der Anklagen nach dem Schwarzen Freitag reinzuwaschen.
Wer wollte bei diesem Anbieter noch spielen? Sehr wenige, wie sich in den letzten Jahren zeigte.
PokerStars hatte gleich 2012 ein Feature bei Full Tilt installiert, das es den Spielern ermöglichte, Gelder zwischen den Plattformen hin und her zu schieben. Das machte es Ex-Full-Tilt-Spielern natürlich besonders einfach, die Seite zu verlassen und zum Marktführer zu wechseln.
Zunächst mit dem Angebot von abseitigeren Spielen wie Irish Poker, später mit einem undurchsichtigen VIP-Programm, welches irgendwie Freizeitspieler belohnen sollte, versuchte Full Tilt krampfhaft einen Platz in der Pokwerwelt zu finden. Aber die Mühen waren vergeblich. Am Ende rangierte der Anbieter auf Platz 20 im PokerScout Ranking.
Wir upgraden
In Reaktion darauf drehte PokerStars seiner Schwester den Saft ab und half die Spieler komplett hinüber auf die eigene Seite. Full Tilt schaffte es, dies deutlich euphemistischer zu formulieren. Eine Mail mit diesem Auftakt ging Anfang dieser Woche an alle Full-Tilt-Spieler:
Nun, tatsächlich ist es so, dass Full Tilt weiterhin da ist. Man kann die Software öffnen, doch dann schaut einen die PokerStars-Lobby an, über die Full Tilt gepinselt wurde.
Die Spieler-Konten wurden zu PokerStars migriert oder mit bestehenden Konten zusammengelegt und die FTP-Punkte in StarsCoins getauscht. Immerhin das alter VIP-System von Full Tilt, The Deal läuft zumindest noch für einige Zeit weiter. Hier hat man sogar einen $100.000-Jackpot eingerichtet, um den Merger zu feiern.
Keine Trauer!
Wird man Full Tilt nachweinen? Wenn, dann hätte man damit schon 2011 anfangen müssen, als sich abzeichnete, dass die Eigentümer der Seite durch Misswirtschaft und Betrug das Unternehmen um Millionenbeträge erleichterten und gegen die Wand fuhren.
Wenn, dann hätte man am 29. Juni 2011 – also vor fünf Jahren – weinen müssen. Denn damals ging die Seite vom Netz und ließ zigtausende Spieler rat- und geldlos zurück. Damals haben auch viele geweint und ebenso jubiliert als anderthalb Jahre später PokerStars das Portemonnaie öffnete, um die Schulden zu begleichen.
Was der Marke Full Tilt passierte, war aber schon damals den meisten Spielern herzlich egal. Dass der Pokerraum jetzt de facto vom Markt geht, nimmt man nur noch mit einem Achselzucken zur Kenntnis. Die Marke wurde damals von Bitar, Coronado, Lederer und Co. zerstört, durfte nun Jahre des Siechtums durchleben und ist nun völlig bedeutungslos.
Die Operation Rettung von Full Tilt wurde 2012 von PokerStars begonnen und endet vier Jahre später erfolgreich mit dem Tod des Anbieters. Das ist konsequent und irgendwie auch richtig.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 21.05.2016.