Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit bis die Parteien das Thema Glücksspiel als Wahlkampfthema nutzen und so war es eigentlich nur logisch, dass die FDP auf ihrer letzten Fraktionsvorsitzendenkonferenz das Thema auf ihrer Agenda hatte.
Unter dem Motto „Die Konsequenzen des Glücksspielstaatsvertrags – Folgen des Monopols & Chancen einer Liberalisierung des Glücksspielmarktes“ trafen in Berlin internationale Experten aus den Bereichen Suchtforschung, Volkswirtschaft, Glücksspiel-Regulierung und Recht zusammen. Ziel der Veranstaltung war, die Folgen des Glücksspielstaatsvertrags aufzuzeigen und neue Alternativmodelle aus anderen EU Ländern zu betrachten.
Unter anderem war auch der bekannte Anwalt Dr. Wulf Hambach, Partner der Kanzlei Hambach & Hambach und Deutschlands bekanntester Fachmann für Glücksspielrecht in all seinen Facetten vor Ort. Er wies auf die parallele Zielsetzung in anderen Ländern mit liberaleren Modellen hin. Er erläuterte, dass die Schaffung eines attraktiven, kontrollierten und überwachten Angebots durch das Internetverbot in Deutschland torpediert wird, in dem es deutsche Online-Spieler in den Schwarzmarkt treibe. Die gesetzlichen vorgeschriebenen Ziele des Glücksspielstaatsvertrags (Sucht- und Begleitkriminalitätsbekämpfung und Kanalisierung des Spieltriebs) werden insbesondere durch eine Internetzensur gefährdet. Deutschland fahre damit einen Sonderweg in der EU, da in 21 von 27 Mitgliedsstaaten Glücksspiele im Internet gesetzlich erlaubt und geregelt oder zumindest geduldet werden.
Auf dem Papier dient das Staatsmonopol für Glücksspiel dem Spielerschutz und wurde durch ein generelles Internetverbot für Glücksspiele flankiert. Jörg Bode MdL, Vorsitzender der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag und Schirmherr dieser Veranstaltung wendete sich gegen die derzeitige Regelung und verlangte mit Blick auf die bereits begonnene Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrages eine eingehende Analyse der hiermit verursachten Folgen.
Detlef Parr MdB, sportpolitischer Sprecher sowie sucht- und drogenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion sieht ebenfalls die Notwendigkeit einer Neuregelung und regte eine vorzeitige Kündigung des Glücksspielstaatsvertrags durch die Länder an, um ohne Verzögerung eine zeitgemäße Neuregelung zu schaffen, die Internetspiele wie Sportwetten und Online-Poker aus Sicht der Spieler und Veranstalter entkriminalisiert, dabei den Spielerschutz wahrt und gleichzeitig die Finanzierung gemeinnütziger Tätigkeiten sichert.
Spezialisierte Rechtsanwälte aus Frankreich (Thibault Verbiest) und Italien (Quirino Mancini) bzw.Justiziare der Glücksspielaufsichtsbehörde aus Norwegen (Rolf Sims) und Gibraltar (Phill Brear)stellten den Zuhörern die jeweilige Regelung in ihrem Land vor und gaben Ratschläge für eineNeuregelung mit auf den Weg. So erklärte Quirino Mancini, Rechtsanwalt, Partner der Kanzlei Sinisi,Ceschini, Mancini & Partner, Deutschland solle eine einheitliche Aufsichtsbehörde und Regelungschaffen, länderspezifische Regelungen seien schlicht nicht praktikabel. Er wies insbesondere auf dieVorreiterrolle Italiens zur Regelung von Online-Pokerangeboten hin, welche in Italien alsGeschicklichkeitsspiele eingestuft und erlaubt angeboten werden können.
Der Verhaltsforscher Prof. Iver Hand (Leiter des Spielerprojektes Verhaltenstherapie Falkenried MVZGmbH) kritisierte den überstrapazierten und gleichzeitig verharmlosten Begriff der „Spielsucht“. Der typische Warnhinweis „Spielen kann süchtig machen“ erinnert schon fast an einen Werbeslogan. Die Festlegung auf den Begriff der Spielsucht verhindere jegliche Finanzierung fürverhaltenstherapeutische Forschung, obwohl Verhaltensstörungen nicht wie stoffgebundeneSuchterkrankungen wie z.B. Alkoholsucht behandelt werden können. Für eine erfolgreiche Behandlung sei dringend eine psychotherapeutische Ausbildung erforderlich, alle eingesetzten Therapeutenmüssten eine entsprechende Förderung und Ausbildung erhalten – dieser Weg werde zur Zeit auspolitischen Gründen in Deutschland nicht verfolgt.
Prof. Friedrich Schneider analysierte die Umsatzrückgänge im Bereich öffentliches Glücksspiel in2008 (zwischen 12 und 30 %) sowie das gleichzeitige Wachstum des Schwarzmarktes. Denn derjenigeder im Internet spielen will, lässt sich durch das Verbot auf dem Papier nicht abhalten, sondern spieleweiter. Die zudem hiermit einhergehenden Folgen des Verlustes von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmensowie Wertschöpfung für die deutsche Wirtschaft durch fehlende Werbung führen zu seiner dringendenEmpfehlung zumindest eine Teilliberalisierung zu verfolgen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden die dargestellten Folgen mit Wolfgang Angenendt,Vertreter des Deutschen Toto- und Lottoblocks, sowie Christian Kipper, Geschäftsführer der ARDFernsehlotterie, diskutiert. Wolfgang Angenendt relativierte die Umsatzrückgänge und sieht aufgrundder Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur derzeitigen Ausgestaltung des Monopols keineAlternative. Herr Kipper kritisiert die Werbebeschränkungen und das Verbot des Internetvertriebs, wodurch die Fortsetzung zahlreicher karitativer Projekte der ARD Fernsehlotterie stark gefährdetwerde. Der duale Zweck „Helfen & Gewinnen“ kann so nicht mehr vermittelt werden und gerade diejüngeren Bürger, die das Internet als selbstverständlichen Vertriebsweg annehmen, können durch dasVerbot nicht mehr erreicht werden.
Detlef Parr MdB erklärt abschließend, dass notfalls eine Neuregelung auf Bundesebene notwendigsei, wenn sich auf Landesebene nichts bewege. Sowohl für Sportwetten als auch für Online-Spiele wieOnline-Poker sei eine solche Regelung denkbar, um die Bürger nicht länger durch Verbote zudrangsalieren und in die Kriminalität zu treiben.
Damit steht für die FDP fest: Das Internetverbot im Glücksspielstaatsvertrag stellt v. a. wegen seinerWirkungslosigkeit im Bereich Suchtbekämpfung und der Gefährdung wohltätiger Projekte wie der ARDFernsehlotterie und des Breiten- und Spitzensports einen gefährlichen Sonderweg dar, den es durcheine Neuregelung mit EU-Standard zu korrigieren gilt!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.09.2009.