Zuerst einmal möchte ich mich bei meinen treuen Lesern entschuldigen. Sehr lange gab es keinen neuen „Brief aus Odessa“ und ich kann dafür nicht einmal einen plausiblen Grund nennen. Vielleicht nehme ich schon ein wenig von der ukrainischen Lebensart an und lasse die Dinge etwas langsamer angehen?
Dabei gibt es wahrlich genug zu berichten! Schon meine Ankunft war absolut spielfilmreif. Noch während der Flieger ausrollte, war mir der kleine dunkle Bus aufgefallen. Auf der Seite eine fettes Logo „VIP“, dann vorne quer über die Kühlerhaube und am Dach ebenso und doppelt so dick VIP. Meine Assoziation war, dass für den Fall, wenn mal eine Iluschin unplanmäßig vom Himmel fällt, die bestens geschulten Piloten angehalten sind, nicht über dem VIP-Bus abzustürzen. Es könnte ja wer Wichtiger drinnen sitzen. Unwillkürlich blickte ich mich um. Vielleicht war ja irgendein Star an Bord? Sylvester Stallone zum Beispiel, der hat hier Verwandte und ich durfte schon mal in seiner Suite schlafen. Aber niemand zu sehen oder für mich zu erkennen.
Ich bin dann die Gangway runtergekrabbelt, vor dem Bus eine wunderschöne hochgewachsene Blondine mit einem breiten Lächeln und einem Schild auf dem „Christoph Haller“ stand. Unglaublich! Oder war das eine Falle und es ging wieder um Dollars? Wie bei meiner ersten Einreise? Der Chauffeur stieg aus, von irgendwo hatten sie mein Gepäck hergezaubert und ab ging es über den Seitenstreifen der Rollbahn zur Ankunftshalle. Aber was schreibe ich da „Ankunftshalle“? Natürlich ging es zum Sonder-VIP Eingang der Ankunftshalle. Dort stand völlig zerknirscht der Oberanführer der damaligen Strafzoll-Aktion für deklariertes Bargeld, und dann noch von einem Ohr zum anderen strahlend, mein Freund (nennen wir ihn) Vitali. Dem hatte ich bei meinem letzten Aufenthalt den Vorfall erzählt, er war deutlich mehr verärgert. als ich der Sache angemessen fand. und hat dann ein wenig telefoniert. Brüllend und mit hochrotem Kopf. Ein wichtiger Mann in Odessa und trotzdem maß ich dem Ganzen gar nicht soviel Bedeutung zu. – Jetzt bin ich ein VIP und statt mich in ein Verhörzimmer zu führen, wie seinerzeit, werde ich jetzt offiziell hofiert. Nur die hübsche Blonde war leider weg und damit sind wir auch schon beim tragischen Punkt meines Aufenthaltes: Mit den Frauen in Odessa ist es wenig kompliziert, wahrscheinlich muss man schön sein oder intelligent. Ich schaffe es jedenfalls nicht.
Zuerst ein kleines Update über die Casinowelt hier. Der „Pokerclub Odessa“ hat feierlich eröffnet und ab jetzt wird dort jeden Abend ums große Geld gezockt. Meine Stellenausschreibung war übrigens erfolgreich. Über PokerOlymp hat sich der Dealer Alen Babic gemeldet und gleich die ersten zwei Wochen hier in Odessa gearbeitet. Es werden immer wieder mal Dealer gebraucht und man kann hier auch wunderschön Urlaub am Schwarzen Meer machen. Interessenten bitte melden (ungültige Referenz: [email protected]). – Zwei hohe Tische laufen meist parallel und es wird sogar jetzt endlich eine „must-move“ Regel eingeführt, weil die ukrainischen Vollblutspieler meist zwischen beiden Tischen hin und her gehüpft sind und mitunter beinahe bei beiden Spielen Karten ausgeteilt bekommen haben. Bei mir läuft es ganz gut. An die ständigen Stromausfälle habe ich mich gewöhnt. Im „Pokerclub Odessa“ springt dann nach ein paar Sekunden das Notstromaggregat an. Dazwischen wird es dunkel und alle Spieler zählen brüllend die Zeit bis das Licht wieder angeht. Alle freuen sich und fröhlich geht es weiter. – Das ist das ukrainische Lebensgefühl.
Nicht so toll ist die virtuelle Anbindung. Diesmal wollte ich ein Hotel mit wirklich stabilem Internet. Die ersten paar Nächte wohnte als ich Gast bei meinem neuen Freund Michael Galytskyy in seinem großartigen Penthouse – elfter Stock mit Blick aufs Meer. Untertags machte ich mich auf die Suche nach einer entsprechenden Unterkunft. So ein gläsernes postmodernes Gebäude direkt an der Küste war mir aufgefallen. Mir schien das wie ein 5 Sterne Hotel mindestens und ich ließ mich extra dorthin chauffieren, um nach einem freien Zimmer und eben der stabilen Internet-Verbindung zu fragen. Die Damen beim Empfang waren zwar äußerst zuvorkommend, allerdings das „Hotel“ war gar keines, sondern ein hochmodernes Delphinarium. Und obwohl ich ebenfalls zur Gattung der Säugetiere gehöre, wollten sie mich nicht aufnehmen. Egal, weitergesucht und schließlich fündig geworden. Dann noch standesgemäß die Nacht durchgezockt und am Morgen wollte ich mein neues Appartement einweihen. Ich habe mich von den Spielern verabschiedet und mir von der Rezeptionistin ein Taxi rufen lassen: „25 minutes, Sir. You must wait“. Was tut man so am frühen Morgen. Mein Geld wieder ausgepackt und zurück auf den freien Platz. Bis das Taxi dann da war, hatte ich die Wartezeit mit einem Verlust von mehr als $8000 überbrückt. Den Fahrer wieder weggeschickt und zehn Stunden gekämpft, bis der Schaden halbwegs planiert war. Also am späten Nachmittag, deutlich übermüdet, wieder ein Taxi rufen lassen und diesmal schlauerweise auf und ab gegangen (obwohl wieder ein Plätzchen frei gewesen wäre). – Dann musste ich ins Penthouse, mein Gepäck holen. Mein Pech, Stromausfall und Notstromaggregatausfall. Also zu Fuß in den elften Stock. Völlig übernächtig habe ich den Meeresblick ignoriert und fluchend die Koffer zum Taxi geschleppt.
Jetzt bin ich in meinem Hotel. Die Internetverbindung ist ähnlich stabil wie die Erektion eines 70jährigen unter Hochstress. Mal geht’s, meistens geht’s nicht.
In meinem nächsten „Brief aus Odessa“ schreibe ich alles über die Geheimnisse der ukrainischen Frauen. Nicht das ich diese Geheimnisse kenne oder verstanden habe, aber ich weiß zumindest, dass es sie gibt. Mehr davon, bald hier bei PokerOlymp.
Christop Haller – ehrenamtlicher PokerOlymp Reporter live aus Odessa
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.06.2007.