Mit der gestrigen Freischaltung der com-Domains der beiden Marktführer nach einer Einigung mit der Staatsanwaltschaft ist der erste Schritt in Richtung Normalität erfolgt. Doch während viele Spieler außerhalb der USA nach Cashouts bald ihr Geld bekommen werden bzw. schon bekommen haben, sieht es für die Amerikaner derzeit noch mau aus. Bei all der Panik und verständlichen Verunsicherung lohnt es sich, einen Mann zu Wort kommen zu lassen, der schon länger als souveräner Kenner der Szene gilt.
Die Rede ist vom amerikanischen Rechtsexperten Matthew Kredell, der sich jüngst auf pokernews.com äußerte und eine Stellungnahme abgab, die wir unseren Lesern in den wichtigsten Auszügen auf Deutsch zur Lektüre empfehlen wollen.
Hier die wichtigsten Passagen:
Dass das Justizministerium diese Untersuchung auf Basis des UIGEA und des Gesetzes zum illegalen Glücksspiel von 1955 begann, obwohl es keine rechtliche Grundlage gibt, das eines der Gesetze für das Pokerspiel gilt, verweist darauf, dass es sich um eine Hexenjagd handelt. Während der Untersuchungen gelangte das Justizministerium aufgrund von Informationen des Finanzdienstleisters Daniel Tzvetkoff offenbar zu der Erkenntnis, dass Beweise dafür vorlägen, die Pokeranbieter hätten sich verschworen, die amerikanischen Finanzbehörden zu betrügen, indem sie zur Umgehung des UIGEA finanzielle Transaktionen verschleierten.Das Justizministerium, vor allem das des südlichen Bezirks von New York, erlässt keine Anklage, bevor es sich hundertprozentig sicher ist. Ohne die Bankbetrügereien wäre das Justizministerium weiter auf Hexenjagd, hätte aber keine Anklage erlassen.
Schauen wir uns daher den Punkt des Bankbetrugs an. Vermutlich wissen die meisten Mitglieder der Pokerszene, dass die Anbieter sich darum bemühten, das UIGEA zu umgehen, und dabei keine moralischen Bedenken hatten, weil sie wie wir alle glauben, dass das UIGEA ein schwachsinniges Gesetz zur Einschränkung unserer individuellen Rechte ist. Meines Erachtens ist es auch absolut sicher, unter günstigen Verkehrs- und Wetterbedingungen in Bereichen 50 Meilen schnell zu fahren, in denen nur 35 Meilen erlaubt sind. Das heißt aber nicht, dass ich keinen Strafzettel bekomme, wenn ich erwischt werde.
Zu diesem Risiko bin ich gelegentlich bereit. Offensichtlich waren zu diesem Risiko auch die Besitzer der Pokerseiten bereit, und vielleicht war dies falsch. Natürlich ist die Strafe für Bankbetrug auch deutlich höher als für Geschwindigkeitsüberschreitung. Die Anklagen schaden nicht nur den Anbietern, sondern haben auch Auswirkungen auf alle Kunden. Vielleicht war das Risiko unverantwortlich, das Geld und die Lebensgrundlage der Kunden in dieser Form aufs Spiel zu setzen. Selbst mit dem UIGEA hätte es vermutlich Wege gegeben, Ein- und Auszahlungen zu verarbeiten, ohne Bankbetrug zu begehen. Aber die Leute, die jetzt wegen ihrer Auszahlungen schimpfen, haben sich nie Gedanken über den Geldfluss gemacht, solange das Geld schnell auf ihrem Konto landete.
Bankbetrug zieht solch harte Strafen (bis zu 30 Jahre Gefängnis und 1 Million Dollar Strafe) nach sich, weil das Banksystem das Herz der nationalen Wirtschaft ist. Es gibt jedoch viele Arten des Bankbetrugs und die meisten schaden jemandem. In diesem Fall gibt es keine Opfer. Die Anbieter haben niemandem etwas gestohlen. Fand Bankbetrug statt, geschah dies mit der guten Absicht, ein seriöses Geschäft zu betreiben, das von einer unsinnigen Einmischung der Regierung behindert wurde.
Wären die Pokeranbieter kriminelle Unternehmen, würde Barney Frank (Anm. d. Red.: ein Politiker der Demokraten) nicht seine Stimme gegen die Anklagen erheben. Hätten sich die Pokeranbieter irgendetwas Ernsthaftes zu Schulden kommen lassen, würde Frank alles daran setzen, sich von diesen Anbietern und der Lizenzierung und Regulierung des Internetglücksspiels zu distanzieren. Stattdessen sagte er der Zeitung The Hill, dass die Anklagen eine „unglaubliche Ressourcenverschwendung“ seien. Weiter beklagte er, dass das Justizministerium sich mehr darauf konzentriere, die Internetpokeranbieter zu verfolgen als die Verantwortlichen der Hypothekenkrise. „Jagt die, die für die leeren Häuser verantwortlich sind, und nicht die, die für die Full Houses verantwortlich sind.“ Frank ist einer von wenigen Politikern, der so wenig Furcht vor einer Kontroverse hat, dass er sich nicht scheut, die Anklagen zu verurteilen. Er ist aber auch ein sehr moralischer Mensch und würde das Justizministerium loben, wenn er meinte, dass die Anbieter wirklich Schlimmes getan hätten.
Das bedeutet nicht, dass es für die Beklagten keine ernsthaften Konsequenzen geben wird. Ich gehe davon aus, dass die Inhaber von PokerStars und Full Tilt letztlich einen Vergleich erzielen werden. Am Mittwochmorgen gab das Justizministerium bekannt, dass es mit den Anbietern zu einer Einigung kam, aufgrund derer die Domains wieder freigeschaltet würden, um den Spielern ihr Geld zurückzugeben. Das ist eine gute Nachricht für alle Spieler, die sich Sorgen um ihr Geld machten, bedeutet aber nicht, dass die Anbieter mit Milde rechnen können. Vermutlich werden PokerStars und Full Tilt nie in die USA zurückkehren, solange die Firmen den angeklagten Besitzern gehören. Ich glaube aber, dass Internetpoker in den USA während der nächsten fünf Jahre legalisiert wird. PokerStars und Full Tilt könnten dann eine Lizenz erhalten, doch ist dafür vermutlich notwendig, dass die momentanen Besitzer an angesehene Firmen mit Sitz in den USA verkaufen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 21.04.2011.