Die Rekord-Zahlen der derzeit stattfinden EPT Barcelona machen sehr deutlich, dass Live-Poker alles andere als tot ist. 1.496 Spieler beim Main-Event – eine neue Bestmarke für EPT-Turniere in Europa und über 7 Millionen Euro im Preispool: die EPT ist quicklebendig.
Wer spielt denn heutzutage noch Poker?
Schaue ich mich jedoch in meinem Bekanntenkreis um, stelle ich fest, dass kaum noch einer, der vor ein paar Jahren dann und wann oder sogar regelmäßig zockte, die Karten heutzutage noch in die Hand nimmt. Vor fünf Jahren war Poker chic und en vogue. Wir organisierten Home-Games in privater Runde, an der Uni wurde gespielt und selbst in Mainstream-Fernsehserien tauchte Poker und Online-Poker mit beständiger Regelmäßigkeit auf. Heutzutage passiert derartiges immer seltener und viele ehemalige Spieler sind längst weitergezogen.
Das muss einem nicht unbedingt zu denken geben – man bleibt einem Spiel in der Regel nur so lange treu, wie es entweder Spaß macht oder Gewinn abwirft. Erschütternd wäre es eher, wenn meine damaligen Mitspieler trotz übersichtlichem Spielvermögen (so übersichtlich, dass sogar ich sie schlagen konnte), immer noch alle spielen würden.
Poker ist ein teures Hobby und wenn man so gut sein will, dass es nicht zu teuer wird, muss man sehr viel Zeit und eine gute Portion Intelligenz investieren. Das ist einer der Gründe, warum viele Spieler nach einer gewissen Zeit abspringen. Dieser Grund ist gut und berechtigt, wirft aber die Frage auf: Wo kommen die neuen Spieler her, nachdem in den letzten fünf bis sieben Jahren weltweit so ziemlich alle Hobby-Spieler das Erlebnis Poker durchlaufen haben?
Diese Frage kann und soll dieser Artikel zwar nicht umfassend beantworten, aber ich will einen kleinen Blick darauf werfen, wie groß das weltweite Interesse an Poker überhaupt noch ist – sprich: Wie chic und en vogue ist Poker im Jahr 2014 noch?
Dazu schaue ich mir schlicht Google Trends an. Dieses kleine Tool von Google wertet Suchanfragen über einen längeren Zeitraum aus und zeigt, wie häufig ein bestimmter Begriff gesucht wurde. Das ist ein recht praktischer Indikator für die Popularität von Dingen.
Das Interesse an Poker weltweit
Beginnen wir mit dem sehr einfachen – und in den Ergebnissen frappierenden – Suchbegriff “Poker” und schauen uns die Popularität seit 2004 an:
Dieser Graph verdeutlicht eindrucksvoll, wie stark das weltweite Interesse an Poker zurückgegangen ist. Die Hochzeit erlebte Poker demnach zwischen 2006 und 2007. Seitdem geht es mehr oder minder stetig bergab.
Das derzeitige Suchvolumen von “Poker” weltweit liegt bei rund einem Viertel des Spitzenwertes von 2007. In den letzten drei Jahren hat sich das Suchvolumen halbiert.
Überträgt man das plump auf neue Spieler (denn es ist anzunehmen, dass viele, die “Poker” suchen, spielen möchten, aber noch nicht wissen, wie es geht), bedeutet das, dass sich 2007 etwa 10.000 neue Spieler pro Monat bei einem Anbieter anmeldeten und es 2014 nur noch 2.500 pro Monat sind.
Da ist es nicht verwunderlich, dass Online-Poker schwerer geworden ist.
Das Interesse an Poker in Deutschland
Noch krasser sieht die Situation in Deutschland aus:
Laut Google Trends ist das Suchvolumen für “Poker” in Deutschland seit Ende 2006 um 90 Prozent zurückgegangen.
Grob gesprochen heißt das: Es spielt (fast) nur noch, wer schon auch schon vor einigen Jahren gespielt hat. Unsere Leser-Umfrage (von Anfang 2014) bestätigt dieses: Über 75 Prozent aller Teilnehmer gaben an, seit mehr als 3 Jahren Poker zu spielen und weniger als 6 Prozent spielten erst seit einem Jahr.
Der verschiedenen Anbieter
Blicken wir nun einmal konkret auf Online-Poker und schauen uns drei große Anbieter im Vergleich an: Bwin.Party, PokerStars und Full Tilt:
Rot: PokerStars; Blau: Full Tilt; Gelb: PartyPoker / Bwin.PartyDie Marktführerschaft von PokerStars ist mehr als deutlich: Im August 2014 ist das Suchvolumen von PokerStars sechsmal so hoch wie das von Party oder Full Tilt.
Aber auch hier ist ein deutlicher Abwärtstrend erkennbar: Seit Anfang 2010 hat PokerStars rund 75 Prozent eingebüßt und der Trend zeigt weiter nach unten.
Aber noch mehr ist dem Graphen zu entnehmen, nämlich die zunehmende Konsolidierung des Marktes und die Konzentration auf wenige (beziehungsweise einen einzigen) Anbieter. Anfang 2010 lag das Suchvolumenverhältnis zwischen Full Tilt und PartyPoker zusammen gegenüber PokerStars bei 60:100. Jetzt liegt das Verhältnis bei 7:25 – oder 28:100.
Quasi-Monopol für PokerStarsSprich: Auch wenn das gesamte Suchvolumen deutlich abgenommen hat, hat PokerStars gegenüber Full Tilt und Bwin.Party klar zugelegt. Für immer mehr Leute scheint zu gelten: Wenn schon Poker, dann bitte bei PokerStars.
Konsolidierung des Marktes
Diese Konsolidierung zeigt sich seit über zwei Jahren und führt zu einer Einengung des gesamten Online-Poker-Marktes: PokerStars kauft Full Tilt. Amaya Gaming kauft PokerStars. Playtech kauft PokerStrategy. Hold’em Manager kauft PokerTracker (und andersrum). PokerListings kauft PokerOlymp. Und so weiter.
Aus einem vormals bunten Markt wird ein von wenigen Playern dominiertes Gebiet und übrig bleiben – ganz darwinistisch – nur die am besten angepassten Anbieter und Dienstleister.
Auch das muss nichts sonderlich Schlechtes sein. Wer ein mieses Produkt anbietet, ein beklopptes Geschäftsmodell hat oder seine Kunden betrügt (siehe Ultimate Bet, Absolute Poker, Lock Poker, Everleaf und einige mehr), setzt sich nicht durch. Nur wer es schafft, seine Kunden zu binden, bleibt übrig. Wir müssen nicht der Diversität des Anbieterjungles von 2007 nachtrauern. Denn wenn man ehrlich ist, waren die meisten Seiten schauderhaft oder hatten ein so absurdes Geschäftsmodell, dass es zwangsläufig war, dass sie wieder verschwinden werden.
Allerdings muss hier auch angemerkt werden, dass eine Konzentration auf einen einzigen Anbieter kein gutes Zeichen für einen gesunden Markt ist. Im Moment macht PokerStars über 60 Prozent des weltweiten Online-Poker-Marktes aus. Das ist zwar noch kein Monopol, aber nicht weit weg davon, insbesondere wenn man bedenkt, dass auch Online-Poker beachtliche positive Skaleneffekte aufweist.
Wohl und wehe der Online-Spieler hängt sehr vom Verhalten PokerStars’ ab. Bislang hat sich das Unternehmen gegenüber seinen Spielern im Großen und Ganzen fair verhalten und hatte einen positiven Einfluss auf die gesamte Pokerwelt. Aber ein Fehltritt eines den Markt derart dominierenden Unternehmens kann drastische Konsequenzen haben. Nicht zuletzt deswegen darf man ob der Zukunftspläne von Amaya Gaming für PokerStars skeptisch sein.
Online-Poker und andere Spiele
Zum Abschluss werfe ich einen kurzen Blick auf Online-Poker versus andere Spiele. Wieder bemühe ich Google Trends. Der folgende Graph zeigt das Suchvolumen von Poker gegenüber dem von drei seit mindestens 2005 populären Spielen / Spielserien:
Blau: Poker; Rot: Grand Theft Auto; Gelb: Call of Duty; Grün: World of WarcraftDie größte Auffälligkeit hier bietet der Vergleich von Poker versus World of Warcraft. Die beiden Kurven sehen sich erstaunlich ähnlich. Das weltweite Such-Interesse für World of Warcraft hat ist seit 2008 um rund 75 Prozent zurückgegangen und der Trend zeigt weiter nach unten.
WoW mit ähnlichenTendenzen wie Poker
Blizzard, das Unternehmen hinter World of Warcraft, veröffentlicht regelmäßig die Zahl der aktiven Spieler. Ende 2009 waren es rund 12 Millionen, Mitte 2014 sind es nur noch 6,8 Millionen. Ähnliche Tendenzen zeigt Pokerhistory.eu für Onlinepoker (leider nur bis Ende 2013): Die Peak-Player-Zahl (die Zahl der maximal zeitgleich aktiven Spieler) lag Anfang 2010 bei 128.000. Anfang 2013 lag sie bei 77.000 und dürfte inzwischen noch niedriger liegen.
Allerdings nimmt die Zahl der Spieler nicht in dem Maße ab, wie das Suchvolumen nachlässt. Das gilt sowohl für World of Warcraft als auch für Poker. Dies ist schlicht darin begründet, dass Spieler weiterhin aktiv bleiben, auch wenn sie nicht mehr nach dem Produkt suchen. Sowohl World of Warcraft als auch (Online-)Poker lebt inzwischen in erster Linie von bereits akquirierten Kunden. Allerdings springen die bestehenden Spieler schneller ab als neue nachrücken.
Die Entwicklung der Spielerzahlen ist der des Suchvolumens zwar nachgelagert, aber mit diesem deutlich korreliert. Sprich: die Google Trends sind sehr starke Indikatoren, wie es in Zukunft weitergehen wird.
Und wie geht es weiter mit Poker?
Die Zahlen sind ernüchternd. Folgen die Spielerzahlen beim Poker tatsächlich den Google-Trends, werden diese in den nächsten Jahren weiter zurückgehen und nur wenige neue Spieler werden neu dazukommen.
Rekorde bei derEPT Barcelona
Aber gleichzeitig zeigt die EPT Barcelona mit fast 1.500 Spielern und die proppevollen wöchentlichen Sonntagsturniere auf PokerStars (um die 7.000 Spieler pro Sunday Million), dass es immer noch unzählige aktive Spieler gibt und sogar neue Rekorde gebrochen werden.
Wie kann das trotz der rückgängigen Spielerzahlen erklärt werden?
Zwei Gründe – Erstens wir sehen bei der EPT Barcelona oder der Estrellas Poker Tour eine weitere Form der Konsolidierung. Es gibt weniger riesige Live-Turniere pro Jahr, aber die, die übrig bleiben, werden von immer mehr Spielern wahrgenommen. Dazu kommen die positiven Skaleneffekte: ein Turnier bei dem 1.000 Spieler erwartet werden ist für weit mehr Spieler interessanter als ein Turnier bei dem 100 Spieler erwartet werden – der Preispool ist größer, der Sieger bekommt weit mehr Geld und das Feld ist in der Regel softer. Viele Spieler ziehen viele Spieler an. Deswegen werden die großen Turniere immer größer. Viele kleine Turniere bleiben dabei auf der Strecke.
Der zweite Grund ist, dass diese Turniere, welche jetzt neue Rekorde aufstellen und tausende Spieler anziehen, gut strukturiert sind, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit ausgetragen werden. Den Spielern macht es Spaß teilzunehmen.
Das bringt mich zur Feststellung vom Anfang des Artikels zurück: “man bleibt einem Spiel in der Regel nur so lange treu, wie es entweder Spaß macht oder Gewinn abwirft”.
Qualität vor Quantität
Der Hobby-Spieler weiß (oder ahnt), dass er in einem Turnier oder an einem Cash-Game-Tisch auf lange Sicht Geld lassen wird. Aber wenn er trotzdem eine gute Zeit hat, sich unterhalten fühlt und zumindest eine gewisse Chance auf einen Gewinn hat, ist er bereit, für sein Hobby Geld auszugeben.
Wenn es den Anbietern von Live- und Online-Poker gelingt, eine Umgebung zu schaffen, in der sich auch die Spieler, die langfristig keinen Gewinn machen, wohl fühlen, haben sie eine Chance, in dem Markt zu bestehen. Das sollte nicht unbedingt komplett zu Lasten der besseren Spieler gehen (mit bestem Gruß an Essence und Equity Poker ), bedeutet aber auch, dass gewisse Konzessionen gemacht werden müssen.
Es ist fast sicher, dass wir zukünftig ein weiteres Schrumpfen des Marktes beobachten werden und neue Rekordzahlen werden auch seltener. Aber das bedeutet in erster Linie, dass sich die Anbieter und Dienstleister umstellen müssen. Niemand wird einen neuen Boom und hunderttausende neue Spieler aus dem Hut zaubern, weder die Regulierung in den USA, noch ein chinesischer Markt.
Aber man kann die jetzigen Spieler halten, wenn man ihnen ein gutes, unterhaltsames und nicht zu teures Angebot macht. So kann man mittelfristig auch neue Spieler anziehen. Das Produkt muss gut sein und hier gilt ganz klar: Qualität vor Quantität. Es kann nicht (mehr) darum gehen, den einzelnen Spielern so schnell wie möglich, so viel wie möglich Geld abzunehmen. Man muss den Spielern im Gegenzug für die Gebühren, die sie entrichten, ein lohnenswertes Angebot machen. Dann – und nur dann – hat ein Anbieter die Chance, sich auf einem relevanten Level am Markt zu halten.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.08.2014.