Mike Sexton im PokerOlymp Portrait. Ein erfolgreicher Spieler, mehr als dreißig Mal „in the money“ bei der WSOP . – Bracelet-Gewinner sowieso. Organisator, Veranstalter und Moderator. Mr. Partypoker der Gründungsjahre! Eine Erfolgsgeschichte ohne Makel, aber nicht immer ohne Turbulenzen. Erfahren Sie im ersten Teil, wie alles anfing. Wie der Junge aus dem mittleren Norden die Karriere startete, die ihn heute zu einem der wohl einflussreichsten Männer im weltweiten Pokergeschäft gemacht hat.
Mike Sexton – Mein Präsident
Auf Mike Sexton wartet kein Koffer in Berlin und für ihn wird es auch keine stillen Tage in Clichy geben. Vielleicht fand Henry Miller in dem Pariser Vorort, was er glaubte suchen zu müssen, Mike Sexton braucht surrende Karten, klappernde Chips und eine Fernsehkamera schadet auch nicht wirklich. Wenn er es wirklich wollte, könnte er sich ja in Clichy sein eigens Kasino bauen, sofort und bar bezahlt. Dann wäre es auch vorbei mit der Stille, aber warum sollte er das tun?
Auf dem Champs-Elysees im Aviation Club de France hat der Amerikaner in Paris etwas Unglaubliches erreicht. In dem nobelsten Pokerclub Europas, wenn nicht der ganzen Welt, gibt es einige Gäste mit weit reichenden Privilegien. Wichtige Franzosen, die ihren eigenen Champagner mitbringen, reiche Juden, die perfekt gekühltes, koscheres Mineralwasser zum heimlichen Schinken-Sandwich bestellen. Es gibt noch reichere Araber, die auch während des Ramadans ihre spezielle Flasche Cognac haben und es gibt Mike Sexton, der hat tatsächlich seine persönliche Flasche amerikanisches Ketchup. Gut gekühlt selbstverständlich und exklusiv. Das möchte er so und das hat er sich auch verdient. Ganz sicher sogar! Denn schließlich ist Mike Sexton nicht nur irgendein guter Pokerspieler, oder nur irgendein exzellenter Moderator, oder irgendein schrulliger Multimillionär.
Mike Sexton ist das alles zusammen und noch viel mehr. Mike Sexton ist vor allen Dingen der Mann, der immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und weil er gerade da war, wo er nun mal sein sollte, hat er dann auch noch die richtigen Entscheidungen getroffen. Ein dummer Journalist, der gar nichts verstanden hatte und trotzdem etwas schreiben musste, hat Sexton einmal als den „verdienten Botschafter des Pokerns bezeichnet“. Was für eine inferiore Respektlosigkeit. „Botschafter“ trinken Krabbencocktails und werden dann gefeuert, weil sie heimlich Frauen mit hässlichen Lippen vögeln. Mike Sexton ist nicht der Botschafter des Pokersports, sondern der Präsident. Mindestens und weltweit auch noch. Statt einem scharfen Portrait, gibt es eine Laudatio. Weil sich das so gehört beim Präsidenten und weil es mir ein Bedürfnis ist obendrein.
Mike Sexton wurde 1947 in einem kleinen Städtchen Namens Shelby geboren. Das liegt oben in Indiana, wo das Land flach ist und der Horizont wirklich weit. Es gibt Mais, Schweine und viele Kirchen und sonst eigentlich nur Kirchen, Mais und viele Schweine. Eine Menge Astronauten kommen aus diesem kleinen Bundesstaat. Wenn das Leben wirklich langweilig ist, lässt man sich halt auch gerne ins Weltall schießen – nur damit einmal irgendwas passiert.
Doch obwohl alles wirklich eben und wirklich flach ist, scheint den anderen prominenten Söhnen Indianas vielleicht gerade deshalb der entscheidende Durchblick zu fehlen. Hätte James Dean ein bisschen besser nach rechts geschaut, könnte er heute noch in seinem „Porsche 550 Spyder“ fahren. Auch der ebenfalls in Indiana geborene Michael Jackson hätte so manches medizinisches Gemetzel seines Gesichtes durch einen aufmerksamen Blick in den Spiegel wohl wieder storniert. Oder der berüchtigte Jimmy Hoffa. Wenn man sich mit der Mafia einlässt, ist man nun mal irgendwann lebenslänglich eingesperrt, oder man verschwindet spurlos und für immer. Und keiner weiß warum und die, die es trotzdem wissen, sagen es nicht.
Mike Sexton ist da wirklich aus der Art geschlagen. Weitblick, die richtigen Freunde und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Das ist eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Da ist er perfekt und da gibt es niemandem der ihm da die Karten, das Wasser oder sonst was reichen kann. Studiert hat Sexton am College in Ohio. Richtig mit Abschluss und so und vor allen Dingen im exakt richtigen Tempo. Andere waren schneller, weil sie früher Karriere machen wollten. Dabei waren sie dann früher beim Militärdienst nur früher tot. Mike Sexton haben sie nach seinem Studium zu den Fallschirmspringern eingezogen. Die „82er Airbone Division“ war gerade ausgeblutet aus Vietnam zurückgekehrt und was für Sexton viel wichtiger war, sie mussten nicht mehr in den Dschungel zurück. Zwei Jahre lang am Tag aus fliegenden Flugzeugen springen und abends tollpatschigen Offizieren die Grundschritte von Slowfox und Quickstep beibringen. Kein schlechtes Leben für einen amerikanischen Jungen in einer gar nicht guten Zeit.
Das Feuer für die Karten. Das Talent für die richtige Entscheidung hatte Sexton schon am College entdeckt. Poker und Bridge oder umgekehrt. Hauptsache um Geld. Ein paar Jahre hatte er dann probiert zu arbeiten, wie man das halt so tut, wenn man ein ordentlicher Junge aus Indiana. Und geheiratet wurde selbstverständlich auch. – Aber das Spiel mit den Karten war immer präsent und damals noch immer profitabel.
Zum dreißigsten Geburtstag treffen Männer oft dramatische Entscheidungen, einfach weil sie sich irrtümlich schon irgendwie alt vorkommen. Mike Sexton wagte den Sprung nach Las Vegas und ins Profileben. Kein schlechter Start, aber keinesfalls ein fulminanter Die Fische waren damals fett und reich, aber die Haie waren gut organisiert und für Mike fand sich kein Platz im Schwarm.
Zwei Lehr- und Wanderjahre und dann der ungeplante große Auftritt beim „Super Bowl of Poker“ Februar 1979. Golda Meir war gerade mal begraben und die Bee Gees sangen trotzdem „Stayin Alive“. Mike Sexton hatte das auch vor, aber es passierte ihm das Übelste was einem Spieler passieren kann. Da half auch kein rascher Quickstep auf die Seite. Die Unform der verseuchten Karten raffte all das erspielte Kapital dahin. Erst die großen Scheine in schnellem Tempo, den Rest peinlich langsam und in trügerischer Hoffnung auf ein besseres Ende. Alle großen Spieler waren vor Ort und die großen Freier auch und mitten drinnen der junge Professional aus Indiana, der sich das doch ganz anders vorgestellt hatte.
Ausgeschlossen und blank. Kein Platz auf einem noch so freien Sessel, wenn das pekuniäre Minimum nicht mehr da ist. Was tun? An einen einsamen Ort gehen und sich dort leid tun, oder man bleibt im aufgeregten Wirbel der aufgeregten Ausgestoßenen und trauert gemeinsam. Eine Traube von Menschen in respektvoller Distanz zum „großen Tisch“. Staunend und beobachtend. Stuey Ungar der wohl beste Pokerspieler aller Zeiten in Aktion. Seven Card Stud 100/200$ und praktisch jeder große Pot – und eigentlich gab es nur große Pots – wanderte zu Stuey.
Die beiden kannten sich. Zumindest ein wenig und das war eigentlich auch genug, weil es kaum etwas gab, das die beiden miteinander verband. Der nervöse, sensible Jude aus dem nervösen, sensiblen New York und der gesunde, vernünftige Sexton vom Land, wo sie schon die Babys mit pürierten Schweinskoteletts aufziehen. Aber wie erwähnt, sie kannten sich zumindest und als Stuey Ungar mal eben dorthin gehen wollte, wo auch Pokerkönige alleine hingehen, stand er auf, blickte sich um. Fixierte den staunenden Sexton, winkte ihn zum Tisch und ließ ihn spielen. Auf seinem Platz und mit seinen Chips. Mike Sexton plötzlich am Thron und Batterien von gefährlich hohen Türmen Plastikgeld aufgestapelt vor sich stehen. Bloß keinen Fehler machen, bloß keine peinlich teuere Bresche in de Jetonburg schlagen. Der Dealer teilt die Karten aus. Verdeckt Karo Neun, verdeckt Karo Zehn – und nach einer kleinen Kunstpause – offen den Karo Buben. Auf keinen Fall kann man das wegschmeißen, auch wenn man es eigentlich billig halten möchte. Alle Karten lebendig und Mike Sexton dabei.
Am Turn die Treff Acht. Einen schönen Eingang auf die Straße und das Flush immer noch lebendig. Ein fröhlicher Tisch, ein gefährlicher Tisch. Bet, raise, Reraise. Mit 300$ kommt es zu Mike und er weiß, es wird sicher noch teurer. Ein wenig Zeit schinden, ein sehnsüchtiger Blick nach hinten, nach links, nach überall. Kein Stuey im Anmarsch und sieben ungeduldige Augenpaare warten auf eine Entscheidung. 300$, eine Menge Geld im Jahre 1979 und besonders eine Menge Geld in Indiana. Einen halben Anhänger mit Mais konnte man damit locker kaufen. Tief durchatmen, noch ein wenig Zeit schinden und dann bezahlt. Fünfte Karte eine wunderschöne Dame – Straße und maximale Aktion am Tisch. Ein Riesenpot und dann war auch Stuey Ungar wieder da. Neugierig und im Laufschritt. Aber Sexton durfte die Hand zu Ende spielen. Die Straße hielt, die Drillinge der Gegner wurden in Showdown seufzend im Muck versenkt. Mike hatten ein großen Pot und gleich einen neuen Freund gewonnen. Fürs Leben sozusagen, oder für das, was Stuey Ungar für das Leben hielt.
Im zweite Teil: Mike Sexton – Seine Erfolge als Spieler – Die Karriere als Moderator – Der Aufstieg zu einem der wichtigsten Männer im weltweiten Pokergeschäft.
Götz Schrage
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 29.03.2007.