Mensch gegen Maschine. Seit Jahrzehnten fasziniert der Wettstreit des Menschen gegen Computer. Die besten Schachprogramme können es mit den stärksten menschlichen Gegnern aufnehmen. Gilt ähnliches für Pokerprogramme? Für PokerOlymp ging unser Autor Martin Voigt der spannenden Frage nach.
Schach
Die Wettkämpfe Mensch-Maschine verlaufen seit einiger Zeit nach dem gleichen Muster. Zwar versteht der Mensch das Spiel besser und entwickelt häufig die besseren Strategien, doch bei der technischen Verwertung eines Vorteils ist es so schwierig, alle taktischen Feinheiten im Auge zu behalten, dass der Mensch häufiger eine Partie noch durch dumme Fehler verdirbt, als dass er sich doch einmal durchsetzt. Hinzu kommt, dass der ungewohnte Wettstreit mit dem unsichtbaren Computerprogramm, das sich nie verrechnet, anscheinend psychologisch schwieriger ist, als gegen einen Gegner, dem man in die Augen sehen kann. Anders lässt es sich kaum erklären, dass 1997 Garri Kasparov gegen Deep Blue eine Remisstellung aufgab und die letzte Wettkampfpartie wie von allen guten Geistern verlassen spielte und verlor. Oder weshalb Schachweltmeister Vladimir Kramnik sich im gerade zu Ende gegangene Wettkampf gegen Deep Fritz in der zweiten Partie in Remisstellung einzügig (!) mattsetzen ließ. Von Kramniks Jahrhundertpatzer mal abgesehen deutet aber nicht erst das Ergebnis von 4-2 für Deep Fritz darauf hin, dass der Computer im Schach inzwischen die Nase vorn hat.
Poker
Wie sieht es im Poker mit Programmen aus? Gibt es inzwischen Pokerprogramme, die es mit richtig guten Profis aufnehmen können? Stellen eigenständig spielende Pokerprogramme (Bots) eine Gefahr für Online-Poker dar?
Phil LaakNachdem der geistige Kräftevergleich zwischen Mensch und Maschine traditionell im Schach stattfand, reizt der Pokerboom auch die Programmierer. Im Schach wurde der Weltmeister besiegt. Welche großen Herausforderungen gibt es darüber hinaus? Pokerbots können mit derartigen Erfolgen noch nicht aufwarten. Zuletzt schlug der ehemalige WPT-Champion Phil Laak den Computerweltmeister im Texas Holdem Poker von 2005 vernichtend. Auch Prof. Jonathan Schaeffer von der Universität Alberta, führend in der Entwicklung von Pokerprogrammen zur Erforschung künstlicher Intelligenz, gibt zu, dass der Durchbruch, der Computer kluge Entscheidungen aufgrund von unvollständigen oder falschen Informationen treffen lässt, noch nicht gelungen ist.
Da der Pokermarkt aus finanziellen Gesichtspunkten wesentlich attraktiver als die notorisch klamme Schachszene ist, gibt es neben Forschern wie Professor Schaeffer auch Programmierer mit niedrigen ethisch-moralischen Hemmschwellen, die davon träumen, einen bärenstarken Pokerbot zu entwickeln, der frei von menschlichen Schwächen (keine falschen Mausklicks, kein Tilt) hübsche Summen einspielt, während der Besitzer des Bots anderen Interessen nachgeht. Reich werden, während man einen Bot für sich „arbeiten“ lässt. Klingt das nicht verlockend für jemanden, der sich durch Regeln, Gesetze und die AGB eines Pokerraums nicht abhalten lässt? Was hindert gute Programmierer daran, auf diese Weise unwissende Mitspieler auszunehmen?
Praktische Probleme
Im Gegensatz zum Schach ist Poker ein Strategiespiel mit unvollständiger Information. Während die Programme im Schach alle notwendigen Informationen vorliegen haben und dann „nur noch“ losrechnen müssen, bis sie die weit berechneten Varianten mithilfe hochentwickelter, feinjustierter Bewertungsfunktionen abschätzen, ist die Bewertung einer Spielsituation im Poker nicht so einfach. Was hat es zu bedeuten, dass dieser Spieler in diesem Moment in dieser Position mit diesem Bord den Flop 3-bettet? Einem Programm fehlt die Information über eine sinnvolle Auswahl an Händen des Gegenspielers, um seine Rechenpower einsetzen und die möglichen, sich entwickelnden Spielvarianten sinnvoll gewichtet durchrechnen zu können. Dieser Faktor, die Einschätzung des menschlichen Gegners, macht die Programmierung schwierig. In den niedrigsten Limits ist so etwas nicht nötig, da reicht eine statische Strategie, um kleine Gewinne von 1-2 $ pro Stunde und Tisch einzufahren, und es gibt wohl Besitzer sogenannter Bot-Farmen, die 20 Bots gleichzeitig spielen lassen, solange sie nicht vom Pokerraum geschnappt werden. Das soll nicht heißen, dass jeder Bot ein Gewinner ist. Die Prefloptabellen und das vorgegebene Postflopspiel müssen gut durchdacht sein, sonst scheitert das Programm auch in den untersten Limits. Und das unbeaufsichtigte Spiel der Programme birgt andere Probleme. Was passiert, wenn sich ein Tisch auflöst? Gegen gute Spieler ist eine statische Strategie ohnehin nicht Erfolg versprechend, da sie schnell zu durchschauen und auszunutzen ist.
Bessere Programme sind entwickelt worden, die ihre eigenen Spielzüge an die des entsprechenden Gegners anpassen. Beim sogenannten Opponent Modeling wird die Spielweise der Gegner analysiert und in die Entscheidung miteinbezogen. Gegen sehr gute Pokerspieler reicht das alleine aber nicht, denn es braucht eine gewisse Zeit, bis ein brauchbares Spielerprofil erstellt ist, während sehr gute Spieler durchaus ihren Stil situationsbedingt umstellen. Eine weitere Möglichkeit, die Spielstärke eines Bots zu verbessern, besteht darin, Lernverfahren, die in einer Gleichgewichtsverteilung konvergieren, zu implementieren. Dabei stimmt diese Gleichgewichtsverteilung (Nash Equilibrium) mit der optimalen Strategie gegen einen optimal spielenden Gegner überein, besitzt also keine auszunutzenden Schwächen. Allerdings maximiert diese Strategie nicht den potentiellen Gewinn gegen schwache Mitspieler, ist also in dieser Hinsicht einem Topspieler unterlegen.
Gegenmaßnahmen der Pokerräume
Da der Einsatz eines oder mehrerer dieser selbst spielenden Programme einen klaren Verstoß gegen die Regeln des Pokerraums darstellt, wird bei Entdeckung eines Bots der Account gesperrt und das Geld konfisziert. Die Pokerräume lassen sich natürlich nicht gerne in die Karten schauen, wenn es darum geht, welche Mittel und Wege sie nutzen, um Bots auf die Spur zu kommen. Immerhin steht in den AGB von Party Poker, dass sie sich das Recht vorbehalten, Screenshots vom Monitor eines eingeloggten Spielers zu machen und die laufenden Prozesse zu beobachten. Und vielleicht mussten auch Sie schon einmal in einem Pop-up-Fenster diese krakelige Buchstaben-Ziffern-Kombination eingeben, die von einem herrenlos spielenden Bot nicht so ohne weiteres erkannt werden kann. Was den Aufruf dieses Pop-up-Fensters auslöst, bleibt selbstverständlich Betriebsgeheimnis des Pokerraums, auffällig sind allerdings Endlos-Sessions, sehr schnelle Klicks, derselbe Bedenkzeitverbrauch bei jedem Spielzug und Klicks auf das immergleiche Pixel.
Fazit
Deep FritzDer Wettkampf Kramnik – Deep Fritz ist ein weiteres Indiz dafür, dass die besten Schachprogramme sogar in einem Match gegen einen Weltklassespieler zu favorisieren sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es doch noch einmal einem Schachgroßmeister gelingt, ein Spitzenprogramm in einem Wettkampf zu schlagen, aber die Programme sind inzwischen so stark, dass es als Überraschung und großer Erfolg für den Menschen zu werten wäre.
Im Poker ist die Entwicklung der Programme noch nicht so weit fortgeschritten. Es gibt Bots, und sie werden in Pokerräumen eingesetzt. Allerdings tummeln sich diese Pokerprogramme eher im Mikro-Limit-Bereich. Das beste Programm kann es im Gegensatz zum Schach noch lange nicht mit Weltklasseprofis aufnehmen. Es fehlt nicht an Rechenpower, sondern an einem ausgeklügelten Algorithmus, der die menschliche Intuition simulieren kann. Die Gefahr, beim Online-Poker zu verlieren, weil man von spielstarken Bots ausgespielt wird, besteht also noch nicht.
Martin Voigt
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.12.2006.