Komische Überschrift für einen, dem das Glück zuteil wurde, bei Pokerolymp eines von acht ausgeschriebenen Tickets für die „Full Tilt Million Euro Challenge“ zu gewinnen. Aber von Anfang an. Sitzt man im Finale eines der Full Tilt Events, so hat man eine Chance von 1:10.080, die eine Million Euro zu gewinnen.
Diese Chance wollte ich nutzen – darum bin ich, glücklicherweise sowieso geschäftlich in Berlin, zum Estrel Convention Center aufgebrochen. Obwohl ich relativ früh dran war, durfte ich gefühlte 87km von meinem Parkplatz durch den Regen laufen – war wohl doch einiges los.
Dann der Eingang – Die elf Stufen herauf in den Eventbereich, vorbei an dutzenden ultracoolen Sonnenbrillen-Teenies, die definitiv zu viel Phil Hellmuth im Fernsehen gesehen haben. Und dabei ist selbiger nicht einmal Member im Full Tilt Pro Team. Ich wandere also dem Schild PRESSE/VIP hinterher. Ich weise mich aus und erhalte neben ein paar netten Worten und einem zuckersüßen Lächeln meinen Spielerpass, mein VIP Bändchen um den Arm und den entsprechenden Anhänger um den Hals.
Ein bisschen sprachlos ob meines VIP Bändchens (ich wusste nicht, dass ich eine VIP Karte gewonnen hatte) mache ich mich auf durch die nächste Tür, die mich vom Pokerfan Paradies trennte – die VIP Lounge.
Spartanisch, aber edel ausgestattet, mit viel Platz für wenige Gäste, präsentierte sich mir ein Raum, der zum „Chillen“ förmlich einlud. Ein Kontakt mit verschiedenen Radio- und Pressevertretern war schnell hergestellt und man schwätzte gemütlich bei Bier und Red Bull über das bevorstehende Turnier. Auf meine Frage, wer denn von den Profis jetzt wirklich da sei und ob mein Favourite, Howard Lederer auch Berlin besuchte, lachte mein Gegenüber nur und sagte: „Dreh Dich doch mal um.“ – Da ging er just an mir vorbei – ein Poker-Riese im doppelten Sinn. Dahinter gleich Chris Ferguson und noch ein paar andere Pros, die ich aber vor lauter Staunen gar nicht mehr wahrnahm. Hier war ich richtig, nirgendwo anders wollte ich hin in diesem Augenblick.
Langsam sollte die eigentliche Veranstaltung beginnen. Ich ging also wieder aus der Lounge heraus in die Veranstaltungshalle. Die Stimmung hier war gigantisch und 2000 Besucher heizten ganz schön ein, als auf der Bühne in der Mitte der Halle angekündigt wurde, wer denn jetzt alles einlaufen würde. Publikumsliebling war hier eindeutig Phil Ivey, vielleicht, weil Gus Hansen leider nicht in Berlin war. Es folgte eine halbe Stunde gemütliche Talkrunde mit Stories, News und Tipps von den Full Tilt Stars, die auf der Bühne zum Greifen nah waren.
Nebenher wurde auch noch einiges geboten. Neben Caps, Kartenspielen, Mouse Pads, Flaschenöffnern und anderem Werbezeugs, das man sich abholen konnte, gab es die Möglichkeit, eine Runde Sit-And-Go mit einem Profi am Tisch zu spielen oder sich im Heads-Up z.B. gegen Erik Seidel beweisen zu können. Letzteres war natürlich nur für wenige Glückliche möglich. Eine tolle Idee und ein schönes Andenken war auch das Foto, welches man von sich selbst machen lassen konnte, um dann in die Gruppe der Profis montiert zu werden.
Zum Turnier: 70 Tische, 700 Spieler pro Qualifikationsrunde und ein Spieler pro Tisch schafft es bis zum Abend ins Multi-Table Freeze-Out Finale der besten 210. Mein Auftritt ist schnell erzählt. Die ersten zwei Hände spiele ich, floppe jeweils eine Maked Hand, raise, bekomme ein Call, spiele noch mal nach und gewinne jeweils den Pot. Eine solide Basis, die aber leider durch die sich schnell erhöhenden Blinds (12 Minuten) und durch das Fehlen weiterer spielbarer Karten dahin schmolz. Erwähnenswert vielleicht noch meine Pocket-Jacks. Vor mir raist ein Spieler sehr stark auf 1.600, ein weiterer Re-Raise All-In mit 2.000 und ein dritter ruft Call. Nach einiger Zeit Überlegung werfe ich die Jungs weg und schaue mir den Show Down mit KQ, KT und AJ an. Auf dem Board ein zartes Nichts und ich HÄTTE die Hand gewonnen. So war es eine kleine Vorentscheidung zugunsten meines rechten Nachbars, der ab diesem Zeitpunkt aggressiv den Chipleader raushängen ließ.
Ein geflopptes Pair im BB mit 1.500 verführte mich dann mit meinen letzten 2.400 Chips All-In zu gehen. Die einzige (sehr nette und gut spielende) Dame am Tisch callt wie aus der Pistole geschossen und gibt mir mit Pocket-6 und dem getroffenen Set den Rest. So erklärt sich der erste Teil der Überschrift. „Abgelost“.
So machte ich mich ein wenig geknickt zurück auf den Weg in die VIP Lounge, wo sich dann auch der zweite Teil meiner gewählten Überschrift erklärt. Florian Stock, der auch schon einmal etwas für Pokerolymp geschrieben hat und den ich kurz zuvor kennengelernt hatte, war so nett und verzichtete zu meinen Gunsten und in Hoffnung auf seinen Lieblingsspieler auf ein Heads-Up in der Lounge gegen IHN. Ich hätte Nadja Horn, die für die komplette Organisation und Koordination in diesem Bereich verantwortlich zeichnete, um den Hals fallen können, denn sie hat für mich dann einen Heads-Up Termin gegen bzw. mit Howard Lederer organisiert. Ein Glück bin ich so früh aus dem Turnier ausgeschieden.
Es ging alles ganz schnell. Howard kam, war sehr freundlich und setzte sich zu mir an den Tisch. Zwei Stacks und ein nettes zwangloses Spiel begann. Ein bisschen Small-Talk, in dem er mir auch verriet, wie es denn so ist, von seiner eigenen Schwester aus dem Turnier gekickt zu werden (ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen). Wir spielten so in etwa eine Viertelstunde, die mir wie zwei Minuten vorkam. Es war ein Auf und Ab und er musste mein Grinsen im Gesicht gesehen haben, nachdem ich ihn zwei Mal aus dem Pot geblufft hatte „I am sure, I had the best hand, but the odds were just so bad, I could not call you.“.
Nachdem klar war, dass der Terminplan für ihn sehr eng war und wir zu einem Ende kommen sollten, spielten wir beide sehr loose und ich verlor die entscheidende Hand wegen des schlechteren Kickers. Ich glaube, er fand unser Spielchen auch ein bisschen amüsant und wir verabschiedeten uns freundlich mit dem von mir gewünschten Foto voneinander. Er ist ein absolut sympathischer, freundlicher und offener Typ ohne irgendwelche Starallüren, der so spielt und über das Spiel spricht, wie sein Spitzname ihn beschreibt: Mathematisch, analytisch, clever. Der Professor eben.
Diese Zeilen sind leider ein bisschen zu meiner eigenen Erlebniserzählung verkommen und stellen keinen wirklichen Bericht über das Turnier dar. Darum in meinem Fazit nur ganz kurz das, was eigentlich in den Vordergrund gehört hätte:
Die „Full Tilt Million Euro Challenge“ ist ein Mega Event der Spitzenklasse. Auch wenn die Chance auf die Million NACH erfolgreicher Qualifikation über Full Tilt bei Außerachtlassen aller spieltechnischen Aspekte gerade mal 1:100.800 beträgt, ist das Drumherum auch eine weitere Anreise wert. So nah kommt man den Stars wie Chris Ferguson, Howard, Lederer, Phil Ivey, John Juanda, Allen Cunningham, Clonie Gowen, Erik Seidel, Eddy Scharf, etc. so schnell nicht mehr. Es werden Stars zum Anfassen und sogar als geduldige Gegenspieler geboten. Die Organisation ist perfekt und der Erlebniswert kaum zu schlagen. Man sieht es dem Event an, dass hier viel Geld für ein gutes Image ausgegeben wurde. Vollständig gelungen, Fulltiltpoker!
Marc Hoff
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.10.2007.