Sie sieht nicht nur gut aus, sondern kann wirklich gut pokern. Nach ihrem Triumph bei der EPT San Remo im Vorjahr unterstrich die Britin Liv Boeree ihr Können mit dem Sieg beim Warm-Up auf PokerStars, bei dem sie sich gegen 4.709 Konkurrenten durchsetzte und knapp 148.000 Dollar einfuhr.
Unseren Kollegen von PokerNews.com gab Boeree nun ein Interview, in dem sie insbesondere über ihre Strategie spricht. Das Interview geben wir im Folgenden auf Deutsch wieder und bedanken uns für die Abdruckgenehmigung.
PokerNews: Reden wir zunächst über das Turnier vor dem Final Table. Wie war es shorthanded für Dich?
Boeree: Ziemlich lange lungerte ich auf dem Weg zum Final Table mit etwa 20 Big Blinds herum und überstand diese Phase im Grunde nur, weil ich häufig reshovte und sehr geradlinig spielte. “jymaster” und “DNA2RNA”, zwei gute und aggressive Spieler saßen zu meiner Linken und machten mir das Leben schwer, daher eröffnete ich tight, reshovte aber ziemlich loose.
PokerNews:Du hast also tight eröffnet, mit dem Plan, All-Ins zu callen, die andere Spieler mit schwächeren Händen machten.
Boeree: In bestimmter Weise ja, ich versuchte einfach, die Stackgrößen im Auge zu behalten, da viele Spieler in Bezug auf die Stacks im selben Boot wie ich saßen. Allerdings machte ich vor dem Final Table keine besonders spektakulären Calls.
PokerNews: Kommen wir zum Final Table. Wie sah deine Strategie aus, im Hinblick auf die relativen Stacks und die Position zu bestimmten Spielern?
Boeree: Ich versuchte, ICM zu befolgen und darauf zu warten, dass andere ausschieden. Ich lag im Mittelfeld und daher ergab es wenig Sinn, unnötige Aggression zu zeigen, schließlich wollte ich ein wenig auf der Preisgeldleiter nach oben klettern. Ich konzentrierte mich auf “Mig.com” (James Mackey), weil ich weiß, wie gut er ist. Da er aber auf der anderen Seite des Tisches saß, stellte er kein allzu großes Problem dar. Zudem nahm ich wahr, dass er ziemlich ähnlich wie ich spielt, nämlich solide.
PokerNews:Kannst Du für alle diejenigen, die es nicht wissen, etwas detaillierter erklären, was es heißt, ICM zu befolgen und welche Fehler man eventuell begeht, wenn man dies nicht beachtet?
Boeree: Nun, fangen wir bei den Grundlagen an. Turnierspiel ist anders als Cashgame. Hat man alle Chips gewonnen, gewinnt man nicht das gesamte Geld, während dies bei Cashgames natürlich der Fall ist. Viele Spieler gehen an einem Finaltisch etwas zu leichtfertig vor und berücksichtigen nicht die gegnerischen Stacks. Es ist zwar immer gut, den Sieg anzustreben, doch muss man immer daran denken, dass man mit Poker Geld gewinnen will und ein unnötiger Move suboptimal sein kann, wenn es auf der Bubble um viel Geld geht und es Short Stacks gibt, die demnächst ausscheiden. Man muss deshalb eine gute Balance finden zwischen Aggressivität, um Chips anzuhäufen, und Berücksichtigung der Preisgeldsprünge.
PokerNews: Als ich mir das Turnier noch einmal ansah, schien es mir, als würden die Spieler heutzutage eher mit einer 3-Bet All-In gehen, als sich mit einer normalen 3-Bet einer 4-Bet auszusetzen. Ist dies aktuell Standard?
Boeree: Ja, das kommt ziemlich oft vor. Schwer zu sagen, warum alle so spielen, aber ich nehme an, der Grund besteht darin, dass sie ihr Turnierleben überschätzen und keinen unnötigen Coinflip wollen. Das Problem bei dieser Spielweise besteht natürlich darin, dass man mit seinen starken Händen Value verschenkt, es kann aber auch sein, dass man damit seine Spektren für 3-Bet-All-In ausgewogen gestalten will.
Boeree bejubelt ihren EPT-SiegPokerNews:Im Heads-Up gegen Mackey brachte dieser auf dem Button immer einen Min-Raise. Anscheinend hast Du mit guten Händen wie Kx Tx , Qx 9x und Ax 9x meist gecallt. Warum?
Boeree: Nun, zuallererst wollte ich den Wert nicht durch eine 3-Bet zerstören, und außerdem wollte ich ohne Position nicht zu loose meinen Blind verteidigen, weil er ein solch starker Spieler ist. Außerdem wollte ich einige Informationen über sein Spiel nach dem Flop sammeln, etwa dass er checkt, wenn er getroffen hat oder setzt, wenn er den Flop verfehlt hat. Daher checkraiste ich mit Ax 7x auf dem Board mit Qx Jx [Xx] mit zwei Karo, weil er mit einer Dame oder einem Buben selten setzte.
Eine Hand aus dem Turnier:
Stacks: Liv Boeree: ca. 19 Millionen, James Mackey: ca. 27 Millionen
Die Blinds betragen 250.000/500.000 plus ein Ante von 50.000.
Action: Mackey bringt vom Button einen Min-Raise auf 1 Million und Boeree callt mit A 9 . Auf dem Flop kommen A 6 3 . Boeree checkt und Mackey setzt 1,3 Millionen. Boeree callt und der Turn bringt die 7 . Boeree checkt und Mackey checkt. Auf dem River kommt die 4 . Boeree checkt und Mackey setzt 3,33 Millionen. Boeree callt und Mackey zeigt eine Straight mit 7 5 .
Diese Hand habe ich schlecht gespielt, da ich auf dem Turn setzen musste.
PokerNews: Warum? Weil die Sieben seinem Spektrum half? Oder weil er mit heißer Luft nicht zweimal blufft?
Boeree: Weil er nicht zweimal blufft und recht viele Draws auf dem Turn möglich sind. Stattdessen checkte ich weiter und callte dann ohne nachzudenken auf dem River.
PokerNews: Meinst Du, dass eine Bet auf dem River meistens eine Value Bet ist und Du meist geschlagen bist?
Boeree: Nicht unbedingt. Er könnte bluffen, da das Board dies hier ziemlich gut ermöglicht, aber wichtiger ist, dass ich auf dem Turn hätte setzen müssen, um etwas zu gewinnen, solange ich noch vorne war. Naja, im Nachhinein ist man immer schlauer.
PokerNews: Was hättest Du auf dem River gemacht, wenn Du auf dem Turn gesetzt hättest und er gecallt hätte?
Boeree: Wäre ich besonders schlau gewesen, hätte ich auf dem River gefoldet, aber das bin ich selten. Er floatet fast nie mit nichts auf dem Turn, daher muss ich davon ausgehen, dass er mit einer vernünftigen Hand callt. Wenn er anschließend auf dem River setzt, schlage ich fast nichts mehr. Da ich mich aber kenne, gehe ich davon aus, dass ich als Callingstation vermutlich bezahlt hätte. (lacht)
PokerNews: Möchtest Du noch etwas zu Deinem Sieg sagen?
Boeree: Nur, dass ich sehr glücklich bin und ich ab sofort vermutlich wesentlich mehr Turniere auf PokerStars spielen werde. Da ich kommenden Monat bei der NBC Heads-Up Championship mitspiele, bin ich auch sehr froh, gegen einen so starken Spieler Heads-Up-Erfahrung gesammelt zu haben.
Das Originalinterview kann man hier nachlesen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.02.2011.