Manche Geschichten, die am Pokertisch passieren, sind einfach nett zu erzählen – und sollten ebenso nett zu lesen sein. Lässt sich daraus auch etwas lernen? Führen derartige Informationen zur Verbesserung des eigenen Spiels? Manchmal ja, oft genug sind sie aber keineswegs als Lernhilfen gedacht.
Kürzlich berichtete ich von der erfreulichen Zahl bereitwilliger Caller in deutschen bzw. österreichischen Casinos. Ich beschrieb die Situation eines gefloppten Drillings, in diesem Fall Könige mit einer Dame in meiner Hand als Kicker. Sowohl am Flop als auch am Turn, checkte ich, es folgte jeweils ein Einsatz meines Nachfolgers, Call eines weiteren Gegners und ebenso von mir.
Der River brachte die Queen, ich hatte die Nuts, brachte einen Einsatz und kriegte, wie erwartet, auch meinen Call. (Und auf diesen erwarteten Call komme ich später noch zu sprechen!)
Und da tauchte plötzlich die Frage, um nicht zu sagen Kritik, auf, warum ich nicht schon am Turn geraist hätte, um meinen Drilling gegen einen möglichen Flush-Draw zu sichern.
Der Einwand ist gewiss überlegt und berechtigt. Gerne erkläre ich aber meine Überlegung, warum ein Raise nicht immer angebracht bzw. notwendig ist.
Nehmen wir die Situation des folgenden Boards:
2 K K 10
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Pik in der Hand eines Gegners befinden, korrespondiert mit 55 aus 1035 möglichen Kombinationen.
Halte ich K-Q in der Hand, muss ich aber auch berücksichtigen, dass es folgende Kartenpaare gibt, die mich bereits dominieren:
Ax Kx = 4
Kx 2x = 3
Kx Tx = 3
Tx Tx = 3
2x 2x = 3
In Summe wären dies 16 mögliche Kombinationen.
Respektiere ich dabei auch noch, dass es für einen möglichen Flush-Draw nur 7 Outs gibt (in diesem Fall führt Q und 10 zum Full House), was mit 1 zu 5,57 (oder 1 : 6,57) korrespondiert, ist die Gefahr, durch ein Flush geschlagen zu werden, letztendlich noch geringer als durch ein Full House bereits geschlagen zu sein.
Spielen wir gegen ernstzunehmende Gegner, von denen wir annehmen können, dass sie sich der Situation entsprechend verhalten, sich von Loosern verabschieden und aus den Winnern das Beste herausholen, erlaubt die Chipreserve dabei auch noch entsprechenden Spielraum, ist das erste unserer Ziele, sie zu schlechten Calls, also solche, bei denen sich die Odds für den Gegner nicht wirklich rechnen, zu motivieren.Anders aber, wenn wir wirklich schwache Opponenten vor uns haben. Ihre übliche Bereitwilligkeit zum Mitgehen bewirkt, dass ein Call praktisch keine Information vermittelt, gar nicht zu reden von „Fold Equity“.
Nehmen wir nochmals die gegebene Situation. Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Blatt das Beste war und auch blieb, war entsprechend hoch. Entsprechend dem River, konnte ich mich dann immer noch zu einem Check oder vorsichtigem Einsatz entscheiden, wusste aber gleichzeitig, dass ich im Fall einer günstigen oder harmlosen Karte, zumindest zu enorm hoher Wahrscheinlichkeit, auch meinen Call kriegen würde!
Zum besseren Verständnis der Überlegung ein anderes Vergleichbeispiel:
Spiele ich gegen einen starken Opponenten, werde ich jede Chance wahrnehmen, wenn ich mich als 55 zu 45 Favorit einstufe. Gegen einen schwachen Gegner lasse ich mich auf knappe Konfrontationen aber nicht ein!
Klingt dies absurd?
Keineswegs, denn warum soll ich dem Gegner eine 45%-Chance geben, wenn ich beruhigt auf Situationen warten kann, seinen Stack als 70%iger Favorit zu kriegen?
Alex Lauzon
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 18.11.2007.