Wem ist das Logo “Lizenziert in Kahnawake” noch nicht auf einer der unzähligen Online-Pokerseiten aufgefallen? Ob sich wohl jemand die Mühe gemacht hat, den Atlas nach einem Land dieses Namens abzusuchen?
Von Erfolg konnte ein derartiges Unterfangen keinesfalls gekrönt worden sein, denn bei Kahnawake handelt es sich um kein Land im eigentlichen Sinn. Kahnawake ist ganze 48 Quadratkilometer groß, zählt rund 8.000 Einwohner und liegt in der kanadischen Provinz Quebec, am Südufer des St. Lawrence Stroms. Dank der Vergabe von über 400 Lizenzen wurde Kahnawake zum weltweit bekanntesten Indianerreservat.
Die Mohawks:
Bei den Mohawks handelt es sich um einen der fünf Irokesen-Stämme, die einst weite Teile des Nordostens Amerikas besiedelten. Sie ernährten sich durch Ackerbau (vorwiegend Mais, Bohnen und Kürbis), Jagd und Fischfang, lebten in Großfamilien in sogenannten Langhäusern und folgten einer überwiegend matriarchalischen Gesellschaftsform. Zwar war der Häuptling jedes Dorfes männlich, doch eingesetzt wurde er von den Klan-Müttern – und von diesen war er auch jederzeit wieder absetzbar.
Der Sonderstatus von Indianerreservaten:
Im Vergleich zu den USA genießen die Indianer Kanadas deutlich mehr Sonderrechte innerhalb ihrer Territorien. Was hier, im Zusammenhang mit Kahnawake Erwähnung findet, ist nicht identisch mit der Situation von Reservaten in den Vereinigten Staaten. Im „Indian Act“ von 1876 wurde den Indianern Kanadas jedenfalls Selbstverwaltung zugesichert, wenn auch unter gewissen Einschränkungen. Landesweiten Gesetzen unterstellt, wurden etwa demokratische Häuptlingswahlen eingeführt. Allerdings, Regelungen, die einzelnen kanadischen Provinzen betreffend, brauchen innerhalb von Reservaten nicht befolgt zu werden.
Die markantesten Punkte, durch die sich Kahnawake vom umliegenden Kanada unterscheidet, wären folgende:
· Finanzielle Transaktionen innerhalb von Reservaten unterliegen nicht der Steuerpflicht. Keine Einkommenssteuer, keine Mehrwertsteuer, einfach null.
· Dadurch bedingt, floriert der Handel mit steuerfreien Zigaretten. 200 Stück, Marke „Native“, kosten rund 13 Euro; 200 Zigaretten ohne Markennamen im Plastikbeutel gibt’s schon ab 5 Euro.
· Im Gegensatz zur Provinz Quebec (und dem Rest Kanadas) gibt es in Kahnawake keinerlei Rauchverbote.
· Die Einrichtung eines Casinos wäre zwar möglich, wurde in einem vor drei Jahren durchgeführten Referendum von den Einwohnern aber abgelehnt.
· Es gibt mehrere legale Bingo- und Pokerclubs.
Als gesonderten Punkt lässt sich hier die Lizenzvergabe für Online-Gaming anführen.
Schon im Jahr 1996, als Online-Gaming noch in den Kinderschuhen steckte, wurde die Kahnawake Gaming Comission ins Leben gerufen. Ein im internationalen Vergleich absolut günstiger Preis, 15.000 Dollar Anmeldegebühr und 10.000 Dollar jährlich, hat mittlerweile über 400 Gaming-Seiten, also nicht nur Poker, dazu bewegt, unter Kahnawake-Lizenz zu operieren.
Der Poker-Club Plaza 138Wie sieht die Sache nun rechtlich aus? Das Platzieren von Geldeinsätzen im Internet, ungeachtet ob Sportwetten, Casino oder Poker, befindet sich in Kanada, so wie in den meisten anderen Ländern, in einer Grauzone, was die Teilnahme betrifft. Eindeutig untersagt ist aber das Betreiben von Wettgeschäften im Internet.Dem kanadischen Strafrecht entsprechend, obliegt das Recht der Vergabe von Casino-Lizenzen den Provinzen. Kahnawake verfügt zwar nicht über den Status einer Provinz, ist aber von den rechtlichen Bestimmungen der Provinz Quebec wiederum ausgenommen.
Diesbezüglich beruft man sich in Kahnawake gerne auf das sogenannte „Two-Row-Wampum-Treaty“, einer Vereinbarung, die zwischen Irokesen und Repräsentanten der holländischen Regierung im Jahr 1613 getroffen wurde und besagt, dass sich Weiße und Indianer den Lebensraum teilen, auf gegenseitigen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben sowie Gesetze jedoch verzichten. Dieses Treaty wurde jedenfalls in allen späteren Vereinbarungen berücksichtigt.
Hereinspaziert!Während die Kahnawake-Lizenzen international anerkannt scheinen, wurde die Cyber World Group, ein Online-Gaming-Betreiber, im September 2007 von einem Quebecer Gericht, wegen illegalem Glücksspiel, zu einer Geldstrafe von 2 Millionen Dollar verurteilt. Dadurch wurde eindeutig bestätigt, dass die Kahnawake-Lizenz, zumindest in der kanadischen Provinz Quebec, keine behördliche Anerkennung findet.Der Unterschied zwischen der Cyber World Group und anderen liegt darin, dass diese in Montreal eine Niederlassung unterhielten. Auf andere Länder scheint dieses Urteil bis heute keinerlei Auswirkungen zu zeigen.
Kein Problem scheinen die Quebecer Behörden mit den, während der letzten Jahren in Kahnawake eröffneten, Pokerclubs zu sehen. An der Bundesstraße 138, die quer durch Indianerland führt, finden sich drei davon: „Snake’s Poker Club“, „Plaza 138“ und der „Okwari Poker Palace“, wobei im letztgenannten ausschließlich elektronische Tische zur Verfügung stehen.
Nur elektronische Tische im OkwariDas „Plaza 138“, das seit etwa drei Jahren seine Tore für Pokerfans geöffnet hält, wirkt dabei ziemlich bescheiden. Wesentlich ansprechender ist „Snake’s Poker Club“ eingerichtet. Wenn es das Äußere des einfach gebauten Holzhauses auch nicht verrät, das Innere lässt sich durchaus sehen. 25 solide Tische stehen zur Verfügung, daneben eine Bar, die gut 50 Menschen Platz bietet und schon auf seiner Webseite wirbt Snake, so nennt sich der Besitzer wirklich, mit kulinarischen Köstlichkeiten.
Was alle Clubs in Kahnawake gemeinsam haben, ist eine unverschämt hohe Rake. Auf Tischen, No-Limit 1/2 Dollar, werden 10 Prozent bis maximal 10 Dollar eingezogen. Auf höheren Tischen zwar nur 5 Prozent, dafür aber bis 20 Dollar. Zwar nicht rechtfertigen, doch erklären lässt sich diese Übertreibung dadurch, dass bis zum Beginn des Jahres 2008 Poker in Montreal ausschließlich in illegalen Clubs gespielt wurde, die sich ihr Risiko durch überhöhte Rake abgelten ließen. In Kahnawake hat man sich somit, ohne rechtliche Schranken und ohne Steuerpflicht, eben an diesen Markt angepasst.
Hier gibt es allerhand zu kaufen…Dass sich trotz der Rake, die deutlich über der des Montrealer Casinos liegt, eine ansehnliche Zahl von Spielern findet, mag unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass sie sich in Kahnawake weniger bevormundet fühlen. Im Casino ist nicht nur das Rauchen verboten, sondern auch der Genuss alkoholischer Getränke am Pokertisch. Während erfahrene Pokerspieler selten selbst Alkohol zu sich nehmen, zumindest nicht während des Spiels, so sind biertrinkende Gegner immer höchst willkommen. Und so lässt sich zumindest hoffen, dass die zwei bis vier Spieler, die täglich fürs Haus pleite gehen, unter denen zu finden sind, die das Gratisbier in Anspruch nehmen.
Bemerkenswert ist, dass es in Kahnawake praktisch keine Kneipen zu finden gibt, was insbesondere jene Montrealer, die gewohnt sind, Tabakprodukte zu genießen, sehr begrüßen würden. Zwar gibt es, abseits der Hauptstraßen, einige versteckte Lokale, doch werden diese fast ausschließlich von Einheimischen besucht. Fremden, die nicht wirklich mit einem Indianer befreundet sind, wird dort ziemlich offensichtliches Misstrauen entgegen gebracht. Gut, verdenken kann man es ihnen nicht.
Optisch unterscheidet sich das Ortsbild nur wenig von anderen nordamerikanischen Kleinstädten. Der größte Unterschied mag sein, dass sich weder Shopping Malls noch Hamburger-Ketten finden, dafür aber eine Unzahl von Smoke-Shops. Die Zahl der Montrealer Tabakkonsumenten, die sich in Kahnawake mit Zigaretten eindecken, wird auf etwa 30 Prozent geschätzt. Entgegen mehrmals durch Zeitungen fälschlich verbreiteter Gerüchte, ist es nämlich keineswegs illegal, den Eigenbedarf an Rauchwaren bei den Indianern zu decken. Und ein Preisunterschied von rund 50 Dollar pro Stange lässt die rund 15 Kilometer Anfahrt durchaus gerechtfertigt erscheinen.
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Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 26.02.2009.