Nach der Übernahme von PokerStars durch das kanadische Unternehmen Amaya Gaming im Juni dieses Jahres sind eine Menge Änderungen angekündigt und teilweise schon vollzogen worden.
Es wurden ältere Affiliate-Veträge einseitig aufgekündigt, aus dreißig Ländern zog sich das Unternehmen zurück, es werden Umrechnungsgebühren erhoben und die Rake bei einigen Spielen wurde erhöht.
Vor anderthalb Wochen nun kündigte Amaya offiziell an, dass man PokerStars bis Mitte 2015 in ein voll ausgestattetes Online-Casino umwandeln werde – mit Roulette, Slots und Sportwetten.
Für einige Spieler, Beobachter und Größen der Szene war dies nun wohl des Guten zu viel. Prominentestes Beispiel ist sicherlich Vicky Coren, die spontan reagierte und ob der Ankündigung sofort ihren Pro-Vertrag aufkündigte und sich dabei einer Menge Applaus sicher sein konnte.
Keine Überraschung
Dabei war es eigentlich gar keine Überraschung, dass PokerStars und Amaya diesen Weg einschlagen werden. Tatsächlich war die Ankündigung eines Online-Casinos eines der schlagkräftigsten Argumente für die Shareholder und Kredit-Geber bei den Kaufverhandlungen und die Präsentationen waren öffentlich. “Neue Vertikalen” wurden diese zusätzlichen Einnahmequellen dort genannt.
Insofern irritiert es etwas, dass die Welt nun Kopf stehen soll und Vicky Coren angeblich weniger als einen halben Tag Zeit hatte, zu ihrer Entscheidung zu kommen. Dass PokerStars ein Casino wird, war seit Monaten bekannt – nur das wie und wann war noch nicht geklärt.
Beides steht jetzt fest: vollkommen und so schnell wie möglich.
Echauffieren und Konter-Echauffieren
Daniel Negreanu
Angeregt durch Corens medienwirksame Kündigung ging ein kleines Echauffieren und Konter-Echauffieren durch die Foren und Online-Magazine. Daniel Negreanu beweihräucherte sich selbst ein wenig und stellte fest, dass er damit leben kann, wenn PokerStars Casino-Spiele anbietet. Lee Davy erklärte, Vicky Corens Kündigung habe nichts mit Integrität zu tun und erklärte einen Großteil derer, die sich über PokerStars beschweren aber trotzdem noch dort spielen zu Heuchlern erster Güte und Rosi Grünstäudl forderte in einem Rundumschlag auf Pokerfirma.com die Kritiker von PokerStars auf, sie mögen bitte leise heulen – PokerStars agiere nur wirtschaftlich und bleibe sowieso weiterhin die Nummer 1.
PokerStars wird also ein Casino. Was ist schon dabei?
Nun wird also hinterfragt und diskutiert, ob man PokerStars noch bewerben oder repräsentieren kann, obwohl es in baldiger Zeit Casino-Spiele anbieten wird.
Jeder darf sich gerne selbst fragen, ob er ein Problem damit hat, dass es den Spielern in Zukunft möglich ist, auf PokerStars bei Slots oder Sportwetten sein Vermögen zu verlieren. Ich persönlich komme hier zu einem sehr einfachen Schluss: Das ist mir reichlich wumpe.
Das Casino um die Ecke bietet derartige Spiele an und Anbieter wie 888, iPoker oder bwin.Party sind seit Jahren im Casino-Geschäft und kaum einer beschwert sich, dass dort Spiele angeboten werden, die potentiell süchtig machen, schnell teuer werden können und bei denen der Spieler ohnehin keine Edge hat.
Schützt die Spielsüchtigen?
Argumente wie den Schutz der Spieler vor den Gefahren von Casino-Spielen vorzuschieben, ist absurd, wenn man gegen Casino-Spiele auf Pokerseiten argumentiert. Ich verlange ja auch keinen Schutz der Spieler an den Pokertischen. Wenn ein Fisch mit zu großem und falsch verstandenem Selbstbewusstsein ein paar hundert Tacken am Pokertisch verbläst, nehme ich ihn ja auch nicht beiseite und erkläre ihm, dass er in diesem Spiel keine Chance hat. Ich nehme ihn aus und freue mich, dass ein Freier am Tisch sitzt.
Poker lebt davon, dass es schwache Spieler gibt, die einzahlen und das Geld verteilen. Nicht jeder kann gewinnen beim Poker. Tatsächlich schaffen dies nur die Wenigsten und die leben von dem Geld, welches die schwachen Spieler ins System bringen. Wer Poker spielt, erwartet dass schwache Spieler ihr Geld verlieren, nicht dass sie geschützt werden. Insofern kann das Argument des Spielerschutzen bei Casinos auch nicht Verfangen, so lange es von Pokerspielern vorgebracht wird.
Nun legen diverse Studien nahe, dass Glücksspielsucht nur eine Marginalie beim Poker ist, wohl aber bei Slots und teilweise bei Sportwetten prävalent ist. Sprich: Online-Casinos bergen prinzipiell ein höheres Sucht-Potential als reine Pokerräume.
Aber am Ende sind es vor allem die Spielhallen, die Problemspieler (bewusst) anziehen. Laut einer Studie der Universität Hohenheim gaben über 77% aller pathologischen Spieler an, ihr Geld an Geldspielautomaten zu verlieren. Der Anteil der nach Online-Gaming süchtigen Spieler ist minimal – egal ob Poker, Roulette oder Slots.
Wenn PokerStars ab 2015 “CasinoStars” (nein, eine Umbenennung wird es natürlich nicht geben!) wird, führt dies mit Sicherheit nicht zu einer signifikant erhöhten Suchtgefahr. Es werden eben ein paar Spieler ihr Geld an den virtuellen Casino-Tischen verteilen und nicht mehr am Pokertisch.
Weniger Fische an den Pokertischen
Fisch beim PokerAber eben genau ist das Problem für die Pokerspieler: Der Fisch geht eben nicht mehr an den Cash-Game-Tisch oder setzt sich in ein Turnier, das er ohnehin nicht realistisch zu Ende spielen kann, weil er am nächsten Morgen wieder malochen muss. Viele Freizeitspieler werden stattdessen von dem Casino-Angebot Gebrauch machen. Das geht weit schneller, ist aufregender und bietet mehr Action als die im Grunde eher langweiligen Pokerspiele.
Das ist die Crux am Deal. PokerStars gibt den Spielern neue Möglichkeiten, ihr Geld auszugeben und erstmals direkt die Möglichkeit, ihr Geld an den Mitspielern vorbei zu investieren.
Bis jetzt konnte man auf PokerStars sein Geld nur beim Poker einsetzen. Wer schnell sein Geld vertilten wollte, tat dies eben am höchstmöglichen Cash-Game-Tisch oder kaufte sich in viel zu teure Turniere ein. Wer eins, zwei Abende die Woche ein bisschen Zerstreuung suchte, setzte sich ein paar Stunden an die Zoom-Tische oder spielte ein paar 180-Mann-Sit-and-Gos.
Jetzt locken Roulette, Blackjack und Slots und unter Garantie wird eine Menge Geld, das sonst von Spielern an den Tischen verjubelt wurde, jetzt dort landen.
Millionen Pokerspieler ins Casino
Nun mag man einwenden, dass Poker und Casino Hand in Hand gehen können. Es kann ja auch sein, dass ein Spieler beim Roulette einen hübschen Betrag gewinnt und sich damit in ein teureres Turnier einkauft. Ja, das wird passieren, aber die (durch die Erfahrung bei anderen Anbietern gesammelte) gerechtfertigte Erwartung ist, dass dem System Poker so unterm Strich zusätzlich Geld entzogen wird.
Möglicherweise wird PokerStars in Zukunft neue Spieler anlocken, die wegen des Casino-Angebots kommen, dann aber den Weg an die Pokertische finden. Zunächst allerdings zeigt PokerStars Millionen von bestehenden Spielern den Weg an die Casino-Tische. Und viele werden diesen Weg bereitwillig bestreiten.
Zwangsläufig wird die Erweiterung von PokerStars zu CasinoStars dazu führen, dass die Spiele härter werden und wahrscheinlich werden auch weniger Spieler Poker spielen. Ein Freizeitspieler hat pro Monat eben nur so und so viel Geld übrig für die Spiele. Geld, das beim Roulette verschwindet, taucht eben nicht wieder am Pokertisch auf.
Es ist zwar noch nicht so schlimm, dass war das Totenlied für Online-Poker anstimmen müssen, aber die Casino-Spiele bei PokerStars werden spürbare Auswirkungen haben.
Ein ganz normales Unternehmen
Schaut man sich die Mitbewerber an, ist das Vorgehen von Amaya überhaupt nicht zu kritisieren. PokerStars bietet nun eben auch Casino-Spiele an, so wie alle anderen auch. Und trotz der erhöhten Rake und den neu erhobenen Gebühren ist PokerStars immer noch eine der (wenn nicht gar die) günstigste Seite im Netz.
Der Nimbus allerdings ist dahin. Während PartyPoker schon 2006 Casino-Spiele ins Angebot aufnahm und Seiten wie 888 schon immer vorrangig ein Casino waren, beschränkte sich PokerStars als einziger größerer Anbieter bis dato auf ein astreines Pokerangebot.
Isai ScheinbergEs zeigt sich vermutlich erst jetzt, da ein ganz normales Unternehmen die Fäden bei PokerStars in der Hand hat, wie speziell die Regie der Scheinbergs in den Jahren zuvor war.
Während die Konkurrenz früh versuchte, in möglichst vielen Marktsegmenten Fuß zu fassen und Geld zu verdienen, konzentrierte sich PokerStars einzig darauf, das beste Pokerangebot zu liefern. Das Ergebnis war und ist, dass PokerStars mit riesigem Abstand die größte und bekannteste Marke im Online-Poker-Segment ist. Fast jeder, der Online-Poker spielt, hat einen Account bei PokerStars und in Europa ist PokerStars der größte Veranstalter von Live-Turnieren.
All das rührt eben daher, dass PokerStars bewusst auf die “neuen Vertikalen” verzichtete und dass man sein Angebot auch daran ausrichtete, was die Grinder und professionellen Spieler vorschlugen.
Man verstehe mich jetzt nicht falsch – auch während der Ära Scheinberg ging es PokerStars darum, möglichst hohe Gewinne zu erwirtschaften, das Unternehmen war auch damals kein Wohlfahrtsamt. Aber PokerStars legte immer sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit und diese bestand eben auch darin, Poker als anerkanntes Spiel zu etablieren bei dem es den besseren Spielern tatsächlich möglich war, auf lange Sicht vom Spiel leben zu können.
Amaya – so scheint es – geht es nunmehr darum, die Früchte dieser jahrelangen Nachhaltigkeit schnellstmöglich zu ernten. Dabei wird PokerStars nun eben eine Seite wie alle anderen auch. Wir haben mit Sicherheit noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange erlebt. Es würde mich persönlich nicht wundern, wenn das VIP-Programm (welches für 2015 noch fast nach altem Muster weiterläuft) zum übernächsten Jahr drastisch gekürzt wird und der Fokus zunehmend auf schnelle Spiele mit praktisch unschlagbarer Rake gelenkt wird.
Dem neuen PokerStars und Amaya kann man nun vorwerfen, dass sie wie alle anderen Unternehmen auch agieren. Das ist aber meiner Meinung nach ein sehr fruchtloser Vorwurf. Am Ende jammert man damit nur über bessere, aber vergangene Zeiten. Sinnvoller ist es, sich auf die neue Situation einzustellen und zu schauen, ob, wo und wie man noch profitabel Poker spielen kann.
Die Spiele sind weiterhin schlagbar, man muss nur seine Nischen finden.
Die fatalen Konsequenzen für die Spieler
Dass die Spiele weiterhin schlagbar sind, ist allerdings keine Konstante. So wie sich der Online-Markt derzeit darstellt, deutet sich für die Zukunft an, dass sich die Spiele weiter wandeln werden. Im Vergleich zu 2006 haben sie bereits eine krasse Wandlung vollzogen.
Es wird weiter in die Richtung schneller Pokerspiele gehen, die für Social-, Mobile- und Freizeitspieler interessant und ansprechend sind. Man wird anbieterübergreifend auf Varianten setzen, die vor allem Spieler anziehen, denen es mehr oder weniger egal ist, ob sie eine Edge in den Spielen haben. Und Spieler denen die Edge einerlei ist, kann man auch etwas höhere Gebühren abverlangen.
Spin-and-Go:Schnell und teuer
Während es dem Freizeitspieler tatsächlich fast völlig egal ist, ob er für sein Spin-and-Go 5% oder 7% Gebühr zahlt, werden diese Spiele für Grinder durch eine scheinbar so kleine Änderung fast unspielbar. Denn wer auf seinen ROI achtet, merkt es sehr schnell, wenn die Rake (relativ gesehen) 40% höher ist.
Dazu kommt, dass man sich von seinem Skill herzlich wenig kaufen kann, wenn ein Turnier nach 10 Minuten vorbei ist. Die paar Hände reichen nicht aus, um besser zu sein als die Gegner.
Mit den Casino-Spielen kommen nun bei PokerStars zusätzlich Spiele dazu, bei denen die (Mit)-Spieler qua Definition keine Gewinnmöglichkeit haben, denn sie nehmen an den Spieler-gegen-Anbieter-Spielen gar nicht erst teil.
Der Grund für die Wandlung der Spiele liegt auf der Hand. Es ist finanziell wesentlich sinnvoller, den Spielern kurze schnelle Spiele anzubieten, die sie mehrmals wiederholen können. Bei einem einzigen längeren Turnier kann man nur einmal Gebühren abgreifen, bei mehreren kurzen eben gleich mehrfach. Und das Risiko, dass ein Freizeitspieler innerhalb kürzester Zeit von einem guten Spieler ausgenommen wird und dessen Einzahlung so dem weiteren Rake-Kreislauf entzogen wird, ist minimiert.
PokerStars schuldet den Spielern gar nichts
So lange eine Nachfrage für diese Spiele da ist, ist es nicht verwerflich, diese anzubieten – seien es die Spin-And-Gos, Cashgames mit hoher Rake oder eben Casino-Spiele.
Die Spieler sind mündig und dürfen selbst entscheiden, ob und was sie spielen. Es ist nicht so, dass PokerStars (oder irgendein anderer Anbieter) seinen Spielern etwas schuldet.
PokerStars ist nicht dafür verantwortlich, die Spiele so zu gestalten, dass wir diese nach 2006-Manier im Schlaf schlagen können und man schuldet uns auch kein VIP-Programm, das 70% Rakeback gleichkommt.
Wer eine solche Erwartungshaltung hat, sollte vielleicht über seine allgemeine Einstellung zum Leben nachdenken. Im Zuge der Rake-Erhöhung wollten einige Spieler – insbesondere die Hyper-Turbo-Divisionäre – PokerStars bestreiken, da PokerStars ihnen Knall auf Fall ihre Einnahmequelle abgestellt hatte. Gut, diese Spieler waren von der neuen Rake tatsächlich massiv betroffen, aber gleichzeitig hatten sie sich ein so krasses Nischendasein aufgebaut, dass es über alle Maßen blauäugig erschien, sich uneingeschränkt auf den Fortbestand dieser Geldquelle zu verlassen. PokerStars schuldet auch diesen Spielern nicht, ihnen diese Nische zu belassen.
Die Spieler sind am Ende selbst dafür verantwortlich, mit dem gegeben System Gewinne zu machen. Entweder man geht mit der Zeit oder man geht mit der Zeit.
Ein Anbieter unter vielen
Es ist jedoch völlig zulässig, von Amaya und dem neuen PokerStars enttäuscht zu sein, versprach man uns doch zum Zeitpunkt des Kaufes, dass es für die Spieler keine Änderungen geben werde.
Nun stellt sich heraus, dass es fast wöchentlich neue Änderungen und Ankündigungen für weitere Änderungen gibt. Fast immer sind es für Pokerspieler Verschlechterungen aber fast immer schafft es Amaya, in den einzelnen Punkten etwas besser als die Konkurrenz zu bleiben.
PokerStars ist nun eben ein Anbieter unter vielen. Es ist der größte Anbieter, aber auch das ist keine Konstante. Und die Argumente, warum PokerStars die Nummer eins auf dem Online-Poker-Markt ist, werden weniger.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 03.12.2014.