In der ersten Folge dieser Kolumne will ich von meiner Reise ins spanische Sevilla erzählen, wo ich vor ein paar Tagen das „Grand Final“ der GSOP gespielt habe. Für diese Pokertour werde ich von Towergaming gesponsert. Es sind nicht die ganz großen Buy-ins wie zum Beispiel die der EPT, aber immerhin ;)
Viel Spaß beim Lesen …
Ich hatte meinen Wecker schon eine ganze Weile nicht mehr so weit nach hinten gedreht. Um 5 Uhr morgens (in Worten: fünf) mussten meine Freundin und ich aus dem Bett, um das Flugzeug nach Sevilla zu bekommen. Wer wie ich nachts Online-Poker spielt, der weiß, was diese Uhrzeit aus dem Hirn machen kann: Einen bunten Teller Knete – zäh und durcheinander. Ohne Verstand bestieg ich also die Maschine, schlief sofort ein und erwachte ein paar Stunden später in schönstem spanischen Sonnenschein und in hirnischer Normalform, also mit der üblichen Portion Haferflocken in der Schüssel.

Das Hotel war super, die Welcome-Party samt Stimmung ebenfalls. Ich fühlte mich klasse, war ich doch gleich bei den letzten drei Deepstack-Turnieren in Folge ins Geld gekommen. Mein Final Table beim 2.000-Euro-Sidevent der EPT in Berlin war sicherlich das Highlight, leider hatte es dann letztlich aber „nur“ zu Platz neun gereicht.
Jedenfalls bin ich überzeugt davon, dass vorherige Turnierergebnisse großen Einfluss auf die folgenden Resultate haben. Natürlich sollte man sich wegen der großen Varianz in solchen Massen-Turnieren möglichst davon freimachen, aber wer kann das wirklich?
Während eines guten Laufs ist man eben doch einen Tick gelassener und bringt womöglich etwas mehr von der so wichtigen Gabe namens Geduld mit an den Tisch. Ich wüsste jedenfalls nicht, ob ich sonst an Tag zwei des Turniers in Sevilla die drei Stunden Kartenleichnam ausgehalten hätte ohne ein einziges: „Ihr-könnt-mich-mal-ich-bin-all-in“. Ich bekam in dieser Zeit KEINEN EINZIGEN verdammten Flop zu sehen und meine Chipstapel waren eigentlich nur zum großzügigen Verschenken von Antes und Blinds da.

Dass ich mir dieses Weihnachtsmann-Dasein überhaupt leisten konnte, verdankte ich zum Teil einer Hand an Tag eins, die ein bisschen kurios war: Erste Blindstufe 25/50, 20.000 Stacks, ich spielte bereits 25 000. Ich saß in früher Position mit 2x 2x und wir schauten uns zu sechst einen gelimpten Flop an: 2x 5 7 .
Der Spieler vor mir spielte nun 350 in den Pot von 325. Ich callte nur. Warum? Wenn ich erhöhe und gecallt werde, kann die Hand sehr schnell ekelhaft werden. Es liegen zwei Straight Draws und ein Flushdraw auf dem Board – 21 Karten im Deck sind also potenziell gefährlich für mich an Turn oder River. Ein Overpair ist wegen des gelimpten Pots sehr unwahrscheinlich – also gibt es auch nicht so viele Hände, die schwächer als meine sind, aber stark genug, um mich auszuzahlen.
Jedenfalls callen nach mir noch zwei weitere Spieler die Bet am Flop. Zu viert sehen wir den Turn: 9x . Der Flop-Aggressor spielt 850 in den Pot von 1.750. Ich calle, der Spieler hinter uns erhöht überraschend auf 5.000. Der Flop-Aggressor foldet und ich überlege: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hält der Raiser, ein solider und tighter Spieler, die Nutstraight mit 6×8x. Um zu callen muss ich 4.150 bezahlen für einen Pot von 8.450. Ich brauche ein gepairtes Board, habe 11 Outs, also etwa 23 Prozent Wahrscheinlichkeit dafür. Um einen mathematisch korrekten Call zu machen, bräuchte ich allerdings etwa 33 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit für das gepairte Board. Ich mache den Call trotzdem – und zwar aus mehreren Gründen:
1. Mein Gegner hat noch etwa 12 000 Chips dahinter und ich hoffe, diese zu bekommen, falls das Board sich am River pairt.
2. Zu Beginn der Hand hatte ich 25 000 Chips, etwa 5000 mehr als der Durchschnitt. Treffe ich mein Full House also nicht, kann ich die Hand noch immer aufgeben und locker weiter spielen.

Langer Text, kurzer Sinn: Der River übertraf all meine Erwartungen, denn es schaute die hübscheste Karte im Deck vorbei: Die letzte 2x . Mit den Super-Mega-Nuts pushte ich sofort all-in. Ganz schnell – einfach, um meinem Gegner keine Informationen zu geben. Der stiernackige Skandinavier probierte dann allerdings alles, um eben doch etwas von mir zu erfahren: Zuerst das Ivey-Anstarren, dann das Negreanu-Pläuschchen (natürlich gab ich keine Antwort) und schließlich machte er den Call, nachdem er mir meine Hand zuvor sogar angesagt hatte („I know you got the deuces“).
Ich zeigte sie ihm also und er stand wütend auf – natürlich nicht ohne eine zünftige Phil-Helmuth-Gedenkrede: „You play so poorly. That was a very bad call on the turn, blablabla.“ Seine Karten zeigte er nicht, wegen des langen Nachdenkens vor dem Call ist allerdings sicher von der Straße auszugehen.
An Tag zwei blieben mir derart wohltuende Riverkarten leider verwehrt und ich schied 18 Plätze vor den Geldrängen aus. Nun ist meine kleine „Ins-Geld-kommen“-Serie leider erst einmal geplatzt, aber warum soll ich keine neue starten?
Zum Beispiel bei der EPT in San Remo – dort fahre ich diese Woche hin. Wie es lief, erfahrt ihr in zwei Wochen bei Pokerolymp oder schon vorher „live“ auf meiner kleinen Seite: www.saparovpoker.com
Über Rustem Saparov
Rustem Saparov ist in Jekaterinburg geboren. Seine Familie zog nach Berlin, als Saparov 14 war. 2006 fing „der Puma“ an, im Internet zu pokern. Mit Freeroll-Turnieren im „Hold’em“ baute er sich eine kleine Bankroll auf.
Dann starb Saparovs Vater, ein angesehener Wissenschaftler, im September 2007 einen plötzlichen Tod. Die Ärzte hatten den Lungenkrebs zu spät erkannt. In der Folge gerieten Saparov und seine Mutter in finanzielle Nöte (Anwaltskosten, das fehlende Einkommen des Vaters, usw.). Also begann „der Puma“ häufiger zu pokern – bei „Towergaming“ (Ongame) baute er sich eine große Bankroll auf.
Dank seiner Gewinne konnte Saparov sich und seiner Mutter entscheidend helfen. Einen Cent für eine Pokerseite eingezahlt hat Saparov nie. Seit kurzem wird „der Puma“ von „Towergaming“ für Turniere gesponsert. Hier will er von diesen Turnieren, von Online-Poker und vom Leben eines Pokerspielers im Allgemeinen berichten. Mehr über ihn findet ihr unter: www.saparovpoker.com
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 26.04.2011.