Was macht man mit einem kleinen Pocket-Pair nach einem Re-raise vor dem Flop? Was ist die 5/10 Regel, wann gilt diese überhaupt und wann nicht?
Lohnen sich kleine Paare überhaupt?
Bei No-Limit Texas Hold’em sind kleine und mittlere Paare eine ganz besondere Kategorie von Starthänden, eine mit ganz eigenen Griffen und Tücken. Jedes noch so kleine Paar ist gegen fast jede ungepaarte Starthand ein Favorit vor dem Flop (wenn auch oft nur um Haaresbreite), gegen jedes höhere Paar jedoch in höchster Not. Es trifft in ca. 12% der Fälle einen Drilling auf dem Flop und ist damit Gold wert, hat aber in den restlichen 88% der Fälle meist nur noch den Wert von Blech.
Diese Kategorie von Starthänden ist auf lange Sicht eine sehr profitable, wenn man es versteht, diese richtig zu spielen. Tatsächlich machen die Gewinne mit den Starthänden 22-99 bei den meisten Spielern auf lange Sicht mehr als 20% der gesamten Gewinne aus.
Eine einfache Beispielhand
Im Folgenden will ich eine Beispielsituation beschreiben, in die man mit kleinen und mittleren Paaren häufiger kommt und einen Fehler aufzeigen, den auch sehr viele gute Spieler immer noch machen.
Das Spiel ist No-Limit Hold‘em €5/€10, alle Spieler haben Stacks von €1000 und es sitzen 8 Spieler am Tisch. Wir sitzen am Cut-Off mit 7 7 , alle passen zu uns und wir erhöhen auf €35 um die Blinds einzusammeln oder um gegen einen der verbleibenden drei Spieler zu spielen. Der Spieler direkt hinter uns, ein guter aggressiver Spieler, erhöht nun auf €120 und die Blinds passen. Was machen wir jetzt? Gehen wir mit oder gehen wir raus?
Rein oder Raus? Erster Versuch
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir wissen, was wir nach einem Call überhaupt machen wollen. Eine übliche Strategie schaut wie folgt aus: treffen wir den Flop nicht, das heißt, floppen wir keinen Drilling, spielen wir einfach check/fold. Wenn wir jedoch unseren Drilling treffen, versuchen wir unseren Gegner zu check-raisen, hoffen, dass er sein ganzes Geld in die Mitte schiebt und wir unseren Stack verdoppeln.
Lohnt es sich also vor dem Flop zu callen, in der Hoffnung, seinen Stack zu verdoppeln? Das kann man nachrechnen: wir floppen in 12% der Fälle einen Drilling und nehmen an, dass wir in diesem Fall €1050, also den ganzen gegnerischen Stack plus unseren ursprünglichen Einsatz und die Blinds, gewinnen können. Auf lange Sicht gewinnen wir also pro Call €1050 * 12% = €126. Da uns der Call aber nur €85 kostet, gewinnen wir scheinbar €126 – €85 = €41. Der Call scheint sich also auf lange Sicht zu lohnen.
Die 5/10 Regel
Tatsächlich gibt es für genau solche Situationen eine bekannte Regel: die sogenannte 5/10 Regel. Diese besagt, dass man mit einem kleinen Paar vor dem Flop immer mitgehen kann, wenn der Einsatz weniger als 5% des effektiven Stacks ist, dass man niemals mit der blanken Hoffnung auf einen Drilling mitgehen soll, wenn der Einsatz mehr als 10% des effektiven Stacks beträgt und es bei allen Werten dazwischen auf den Gegner ankommt.
Wenn wir einen Raise (oder Reraise) vor dem Flop mit einem kleinen Paar bezahlen, wollen wir im Idealfall, dass unser Gegner immer zwei Asse hat, denn damit ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass er uns seinen Stack schenkt, wenn wir treffen. Hat unser Gegner auch KK, QQ oder AK in seinem Repertoire, kann es gut sein, dass wir gar nicht oder nur marginal mit unserem Drilling ausgezahlt werden. Die wenigsten Gegner werden mit QQ auf einem A92 Board ihren ganzen Stack verlieren – nicht weil sie uns auf drei Zweien oder Neunen setzen, sondern schlicht, weil sie vor dem Ass Respekt haben. Und selbst der aggressivste Spieler wird mit Ass König auf einem T83 Board nicht regelmäßig seinen Stack wegbluffen.
Das heißt im Allgmeinen: mit je mehr Händen uns ein Gegner vor dem Flop reraist, desto weniger Wert hat ein gefloppter Drilling und desto weniger können wir mit der blanken Hoffnung auf einen Drilling vor dem Flop bezahlen.
Was die 5/10 Regel NICHT aussagt
Viele Spieler, auch gute, legen die 5/10 Regel etwas zu einfach aus. Sie gehen einfach immer mit, wenn es sie weniger als 10% der effektiven Stacks kostet und denken sich: “passt scho”. Dies ist auf lange Sicht ein kostspieliger Fehler! Um diesen Fehler zu verstehen, gehen wir zu unserem obigen Beispiel zurück und schauen uns die Zahlen genauer an.
Wir müssen €85 nachbezahlen um mit unseren zwei Siebenern den Flop zu sehen, also 8,5% des effektiven Stacks von €1000. Eine erste Überschlagung hat gezeigt, dass wir auf lange Sicht €41 Gewinn mit einem Call machen. Doch stimmen diese Zahlen?
Nein! Zum einen nehmen wir an, dass wir immer gewinnen, wenn wir einen Drilling treffen. Das ist aber absolut nicht der Fall – unser Gegner kann schließlich einen besseren Drilling oder eine Straße oder einen Flush treffen. Tatsächlich gewinnt man nur in 82% der Fälle mit einem Drilling wenn der Gegner ein beliebiges höheres Paar auf der Hand hat. In den restlichen 18% verliert man!Zum anderen gingen wir einfach davon aus, dass unser Gegner uns immer ausbezahlt, wenn wir treffen. Und dies wird nicht immer der Fall sein.
Rein oder raus? Zweiter Versuch
Diese beiden Faktoren müssen wir in die Überlegung, ob wir vor dem Flop mitgehen sollten, einfließen lassen. Dafür gibt es ein nützliches Programm, das ausrechnet, welchen Erwartungswert eine vorgegebene Strategie hat – Pokerazor. Dieses Programm kann man mit der eigenen Strategie und der Strategie des Gegners füttern und es simuliert eine große Anzahl an Situationen und errechnet so, welchen Erwartungswert die jeweiligen Strategien haben.
Für unser Beispiel wissen wir Folgendes: unser Gegner ist aggressiv, das heißt, er kann uns mit einer Vielzahl an Händen vor dem Flop auf €120 re-raisen. Realistisch sind folgende Hände: ein Paar Zehnen oder besser, Ass-Dame und Ass-König. Ferner nehmen wir an, unser Gegner setzt immer €170 auf dem Flop, wenn wir zu ihm checken. Wir folden dann einfach, wenn wir keinen Drilling getroffen haben und setzen ihn All-In, wenn wir ihn haben. Es ist realistisch anzunehmen, dass unser Gegner das All-In nur callt, wenn er Top Pair oder besser hat.
Ein paar tausend Simulationen dieser Strategien mit zufälligen Flops zeigt, dass wir auf lange Sicht €12 verlieren! Die €41 Gewinn, die wir oben überschlagen haben, waren also tatsächlich nur scheinbar richtig. In Wirklichkeit ist unser Call vor dem Flop ein Verlustgeschäft! Unser Gegner bezahlt uns einfach nicht oft genug aus wenn wir treffen und hat obendrein ab und an eine bessere Hand als unseren Drilling oder verpasst uns auf dem Turn oder River ausversehen einen Bad Beat. Erst wenn die effektiven Stacks €1500 betragen fängt die hier beschriebene Strategie an, profitabel zu sein.
Auch wenn wir annehmen, dass uns der Gegner nur mit den stärksten Händen (Ass-König, Damen oder besser) re-raist, zeigt die Simulation, dass die Strategie auf lange Sicht €7 Verlust macht. Nur wenn unser Gegner ausschließlich mit Assen re-raist, ist die Strategie profitabel – und das auch nur mit einem durchschnittlichen Gewinn von €9.
Ergebnisse
Für die oben beschriebene 5/10 Regel heißt das also: oft ist ein Call in der Hoffnung auf einen Drilling mit einem kleinen Paar auch dann noch verlustreich, wenn man nur 7% des effektiven Stacks vor dem Flop bezahlen muss. Es wäre vielleicht angemessener, die Regel entsprechend 5/7 Regel zu nennen.
Hier eine kleine Auflistung, wie viel Prozent des effektiven Stacks wir gegen verschiedene Gegnertypen bezahlen können, um profitabel auf den Drilling zu hoffen:
- Der Super Rock (reraist nur AA): 10%
- Der Rock (QQ-AA): 8%
- Der tighte Spieler (QQ-AA, AK): 7%
- Der agressive Spieler (TT-AA, AK, AQ): 6%
- Der Maniac (77-AA, AJ, AQ, AK): 5,5%
Ergo: werden wir vor dem Flop mit einem Re-raise konfrontiert und haben ein kleines Paar in der Hand, brauchen wir, um mitgehen zu können, entweder sehr tiefe Stacks oder müssen einen guten Ersatzplan haben, für den Fall, dass wir auf dem Flop nichts treffen. Andernfalls ist Passen die beste Alternative.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.12.2008.