Letzte Woche berichtete Dani Stern von einem Angleshoot im Casino Barcelona bei dem er um 18.000 Euro gebracht wurde. PokerListings-Blogger Ken Lenaárd hat eine sehr deutliche und konträre Meinung zu dem Geschehen und nimmt den spanischen Spieler, der offenbar ein guter Bekannter von ihm ist, in seinem jüngsten Blog-Beitrag in Schutz.
» Dani Sterns Sichtweise von den Vorfällen
In Folge: Ken Lennaárds Wortmeldung in Übersetzung
Sterns Behauptungen
Der Highstakes-Spieler Dani Stern hat diese Woche über einen Vorfall bei den Cash-Games der EPT Barcelona geschrieben.
Kurz und knapp: Er hat behauptet, bei einem €100 / €200 PLO-Spiel im Casino Barcelona um 18.000 Euro betrogen worden zu sein.
Stern behauptet, sein Gegner hatte einen Angleshoot gegen ihn gebracht als er dem Run-It-Twice zustimmte. Nachdem dieser den ersten Run gewonnen und den zweiten verloren hatte, ließ er Stern wissen, dass Run-It-Twice in dem Casino in Pötten mit mehr als zwei Spielern nicht erlaubt seien und deswegen erhielt er den gesamten Pot (es zählte nur der erste Run).
Das ist eine ziemlich drastische Anschuldigung, mit der an die Öffentlichkeit tritt, erst recht wenn da er das Casino beschuldigt, die Regeln zugunsten des "Einheimischen" auszulegen – insbesondere da er es dann noch "Betrug" nennt.
Hier ist die andere Seite der Geschichte – die von dem spanischen Spieler in dieser Geschichte.
Heimvorteil beim Poker
Es gibt beim Poker einen Heimvorteil. Ich habe in vielen Casinos auf der ganzen Welt gespielt und der Einheimische ist immer im Vorteil.
In Schweden gab es in staatlich kontrollierten Casinos einige völlig absurde Regeln, aus denen die Einheimischen Vorteile zogen.
Ich selbst war oft genug auf der anderen Seite dieser Regeln und war so verärgert darüber, dass ich mich öffentlich über diese hirnverbrannten Regeln ausließ. Aber ich warf den Casinos niemals Betrug vor, denn das ist nicht passiert. Sie haben einfach Regeln befolgt.
Ich habe mindestens 2.000 Stunden in verschiedenen spanischen Casinos gespielt und der Heimvorteil ist in Spanien weit größer als anderswo.
Ich habe schlimmere Bad Beats kassiert als Dani Stern meint kassiert zu haben. Und ich hatte mich im Casino Barcelona über die Regeln so sehr aufgeregt, dass ich wegen Tilt den Tisch verlassen musste.
Ich habe die spanische Poker-Szene öffentlich in vielerlei Hinsicht kritisiert, aber ich kann garantieren, dass kein Casino in irgendeiner Form betrügt.
Dies zu unterstellen ist unsportlich, ignorant und beleidigend.
Der größte Heimvorteil? Vegas!
Wenn eine Regel so oder so ausgelegt werden kann, wird der Einheimische in Spanien bevorteilt werden – genauso wie es in den meisten anderen Ländern passieren würde.
Den größten Heimvorteil gibt es übrigens in Vegas in den guten alten Vereinigten Staaten.
Spanien hat ein sehr gutes System für Spieler, die sich ungerecht behandelt fühlen. Alle Casinos haben ein Buch, in das Spieler ihre Beschwerden eintragen.
Dieses Buch wird der Spielaufsicht regelmäßig vorgelegt und den Casinos steht mächtiger Ärger ins Haus, wenn sie sich falsch verhalten haben.
Es gibt vieles, was mich an der EPT Barcelona stört – dass PokerStars nicht für gekaperte Laptops im offiziellen Hotel nebenan verantwortlich ist, widersprüchliche und schlechte Regelauslegungen und keine Information darüber, wie gefährlich es außerhalb des Casinos ist.
Aber in diesem Fall hat das Casino Barcelona nichts falsch gemacht. Punkt aus.
Sterns Beweise sind nur Annahmen
Schauen wir uns Dani Sterns "Beweis" für den angeblichen Angleshoot einmal an:
1. Man stimmte dem Run-It-Twice zu, denn der spanische Spieler hatte zustimmend genickt.
In einem Interview nach dem Vorfall gab Stern zu, er hatte die Annahme, die Zustimmung galt dem ganzen Pot. Aber eine Annahme beweist gar nichts. Tatsächlich ist das nur ein Beweis, dass er sein Sache nicht beweisen kann.
2. Er ist sich absolut sicher, dass der Typ – wäre es andersrum gelaufen – nichts gesagt und den halben Pot beansprucht hätte. Der dritte Spieler in der Hand, David "Bullitos" van der Weele, geht ebenfalls davon aus:
"Zu denen, die sagen, der Typ hätte dies nicht absichtlich gemacht, denn er ist nur ein 60-jähriger Zocker oder so – Ich habe gehört, er hatte mal professionell in Frankreich gespielt, er weiß also genau, was er macht. Wären die Runs andersrum gelaufen, er hätte Dani den Pot einer Wahrscheinlichkeit von 0% überlassen."
Abermals: Eine Annahme beweist gar nichts. Und es macht auch keinen Unterschied, wenn ob es zwei Leute sind, die die gleiche Sache annehmen. Da sie den spanischen Spieler gar nicht kennen, muss ich annehmen, sie sprechen über sich selbst.
3. Der spanische Spieler hatte einen Heimvorteil und diesen ausgenutzt.
Falsch. Die Ironie an der Sache ist, dass er diesen Pokerraum nicht einmal mag und nur dreimal dort war, seit Raum eröffnet wurde. Und seit vielen Jahren war er gar nicht da.
4. Das Casino war an dem Betrug beteiligt, denn sie erlaubten Juha Helppi nicht, ein Foto von dem spanischen Spieler zu machen.
Schon wieder falsch. Das ist spanisches Gesetz in Casinos und hat nichts mit der Situation zu tun.
5. Der Gegner war ein "60-jähriger Einheimischer, der vorgab, kein englisch zu sprechen und nur darauf wartete, von komischen Regeln zu profitieren."
Schon wieder eine Annahme und schon wieder falsch.
Nimmt alles zusammen, bleibt da wenig. Aber Stern ging mit seiner Behauptung trotzdem an die Öffentlichkeit. Ich hätte mich ja vorher mal über den spanischen Spieler informiert, aber Stern schien das wohl nicht für nötig zu halten.
Stern trug seine Anschuldigungen also im 2+2-Forum vor und dort nahm (fast) jeder seine Behauptungen einfach so hin und machte beim Teeren und Federn fleißig mit.
Jetzt will ich mal ein wenig über diesen spanischen Spieler erzählen:
Ein paar Fakten zu dem spanischen Spieler
Der Spieler hätte nichts dagegen, wenn ich seinen Namen schreiben würde, aber der Pöbel regiert das Internet und deswegen habe ich mich entschieden, den Namen nicht zu schreiben – quasi um den Unschuldigen zu schützen.
Es war seine erste EPT seit zehn Jahren und er war so lange nicht im Casino Barcelona.
Er war viele Jahre ein erfolgreicher Spieler und ist in der spanischen und französischen Poker-Szene gut bekannt.
Er ist ein Vorbild wie man sich benehmen sollte, benehmen will, aber nicht kann – denn wir sind schlechtere Menschen.
Er ist der perfekte Gentlemen – am Tisch und abseits. Jeder mag ihn und nie hat jemand ein schlechtes Wort über ihn verloren. Er verzieht nicht einmal eine Miene, wenn er einen Bad Beat kassiert.
Ich habe erlebt, wie ein Fisch eine unverschämte Forderung in einem 20.000-Euro-Pot in einem halb-privaten Spiel stellte. Der Fisch war großer Einzahler in dieser Runde und er kam deswegen in der Regel mit seinen Absonderlichkeiten durch. Aber diese Forderung war so absurd, dass sich niemand darauf eingelassen hätte, erst recht nicht in einem so großen Pot.
Der Clubbesitzer schaute nur ein wenig nervös zu dem anderen Spieler. Aber dieser Señor über den ich hier spreche, nickte nur und ließ den Fisch den Pot haben. Wie ein Gentleman.
Kein Wort Englisch
Er versteht kein Englisch – kein Wort, das über "Hello" hinaus geht und vielleicht nicht einmal das. Er hatte von dem was an dem Tisch vorging nichts verstanden und sicherlich zu nichts seine Zustimmung gegeben.
Wenn ich mit Leuten Poker spiele mit denen ich nicht sprechen kann, nicke ich, lächle ich und arbeite mit Gesten, so wie es die meisten Menschen machen. Aber ich vermute, dass so eine Art der Kommunikation der Online-Generation abhanden gekommen ist?
An dem Tisch waren kaum spanische Spieler und keiner in der Nähe zum Übersetzen. Aber das brauchte es auch gar nicht. Er spielte dort die ganze Woche und er kannte die Regeln.
Die gleiche Situation wie bei Stern
Vorher in der dieser Woche war er in genau der gleichen Situation wie Stern. Das heißt, er war auch auf der Verlierer-Seite als das Casino eine Vereinbarung annullierte.
Er hat einfach genickt und die nächste Hand gespielt. Wie ein Gentleman. Er dachte zwar, es seine eine bescheuerte Regel, aber es war eben die Regel. Wenn er da spielt, akzeptiert er das.
Er hätte niemals dem, was Stern sich dachte, zugestimmt – selbst wenn es möglich gewesen wäre, dies zu kommunizieren, denn er wusste, dass es gegen die Regeln ist.
Er wusste, dass einige Spieler verärgert waren nachdem er rechtmäßig seinen Pot beansprucht hatte, aber er hatte keine Möglichkeit, sich zu verständigen und sich zu erklären. Also hielt er seinen Mund, wie ein Gentleman. So wie er es immer macht, wenn andere sich nicht wie Gentlemen benehmen.
Du weißt, was zu tun ist
Einige Leute mögen Juhe Helppi ein wenig merkwürdig finden, aber ich fand es stets angebracht, wenn er sich als Tisch-Polizei aufspielte. Er hat gute Dinge für Poker geleistet. Aber hier lag er falsch.
So was kann passieren und ist mir auch schon passiert. Aber wenn du das hier liest, Juha, sei vergewissert, dass diesem Señor deine Gesten nicht gefallen haben. Aber er würde natürlich eine Entschuldigung akzeptieren – wie es ein Gentleman eben tut.
Und wenn Dani Stern das liest, du weißt, was zu tun ist – hoffe ich.
Das sollte uns allen eine Lehre sein. Am Tisch kochen die Emotionen hoch aber was am Tisch passiert, sollte am Tisch bleiben.
Wenn nicht, sollte man sich zumindest hinlänglich informieren bevor man an die Öffentlichkeit tritt. Denn online gibt es immer den Pöbel, der bereit steht, jeden in Stücke zu reißen, wenn nur jemand den ersten Stein wirft.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 03.09.2015.