Es hat ein bisschen Glück gebraucht und ich musste einige kritische Momente überstehen, aber ich komme an Tag 2 wieder. Doch der Reihe nach.
Das Turnier begann mit einer Stunde Verspätung und 6 von üblicherweise 8 Spielern am Tisch; dieser sollte jedoch relativ schnell aufgefüllt werden. Gleich zu Beginn eine angenehme Überraschung: Neben mir nahm ein Spieler Platz, in rotem PokerStars-Hemd sowie einem goldenen Bracelet am Arm! Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Ahnung, wer das ist, stellte jedoch nach dem Tag fest, dass es sich um keinen geringeren als Tom McEvoy, seines Zeichens 4maliger Bracelet -Gewinner – darunter ein Main Event sowie eins im Razz – handelte.
Man braucht nicht zu erwähnen, dass er ultrastark gespielt hat – allerdings sehr glücklos. So glücklos, dass er die ersten zwei Stunden jede Hand verloren hat und ich ihm irgendwann frech eine Side-Bet angeboten habe, dass er einen König nach dem ersten Draw findet. Zur Erinnerung: beim Razz zählen die schlechtesten 5 Karten…
Ich muss gestehen, dass ich mir das Leben an dem Tisch ein bisschen einfacher vorgestellt und das Niveau unterschätzt hatte. Erste Anzeichen chronischer Selbstüberschätzung? Ich hoffe nicht, in seinen Träumen ist man zwar immer zwischen Sport-Angeln und Dynamit-Fischen, man weiß aber, dass das nichts mit der Realität zu tun hat. Trotzdem: es war hart. An meinem Tisch konnte ich auf jeden Fall nur einen richtig schlechten Spieler erkennen, der Rest war ganz gut, jedoch zeigten 2-3 Spieler die Eigenschaft, öfter mal einen Draw zu viel zu bezahlen. Wie sich herausstellen sollte, eine Tendenz, die bei der schnell ansteigenden Ante und Wettstruktur sich für die meisten als fatal erweisen sollte. Es wurden gestern 8 Level gespielt, Starting-Stack waren 7.500 Chips, es sollten insgesamt 363 Spieler mitspielen.
Die ersten 4 Stunden/Level: Für mich komplett ereignislos und ein bisschen frustrierend. Mein Plan außer Position ultra-tight zu spielen sowie in Position viele Antes zu klauen ging nur teilweise auf. Immerhin verschaffte ich mir Respekt und konnte Steal-Versuche der anderen, insbesondere von McEvoy relativ schnell durch geschickte Re-raises sowie Re-raise Bluffs eindämmen. McEvoy, ohnehin nicht vom Glück begleitet war ziemlich sauer: „Can’t play a hand … what’s the guy doin‘, reraising me all the time…“ und schließlich sogar ein resignatives „all yours buddy!“ Wasser auf meine Mühle!
Ansonsten viel Frust. Typischerweise verteilt Big Fish seine Chips großzügig und holt sie wieder von mir zurück. Wieso bloß kann ich gegen diesen Typen keine Hand gewinnen? Zwischendurch setzt sich Elky mit einem Starting Stack an den Tisch. Er sieht ziemlich fertig aus, was nicht nur an der Frisur liegt und verschwindet auch gleich wieder. Vielleicht hat er noch ein paar andere Turniere laufen. Was er noch nicht weiß: Er sitzt am falschen Tisch!
Zwischendurch runter auf 4.500 Chips … zur Dinner-Pause immerhin wieder bei meinem Starting-Stack angekommen: 75 Chips gewonnen über Stunden. Großartig.
Level 4-6: Wenn man im Razz auf Tilt gehen könnte, wäre ich durch die Decke gegangen. Klassisch sieht eine Hand von mir so aus: Ich halte verdeckt A4, auf dem Board liegt eine 2 sowie offen etwas wie AA32QJ7, also sehr gut für mich, da die Wahrscheinlichkeit für ein Paar (was ja im Razz schlecht ist) sehr gering ist. Ich jamme heftig, zwei Gegner bleiben übrig. 4. Draw: eine 5, ich setze, ein Fold, Big Fish bezahlt mit T8. 5. Draw: eine 4 bei mir, Big Fish bezahlt eine weitere Bet mit einer 9. 6. Draw: ich ziehe das letzte A und halte Two Pair. Mein Board sieht ultrastark aus, ich habe jedoch noch keine Hand. Ich setze, Big Fish bezahlt. 7. Draw (verdeckt): die letzte 4. Check Check und ich mucke. Blubb!
Die ersten Leute müssen von meinem Tisch aufstehen, dafür gesellt sich mit Andrew Barber ein weiterer Pro dazu. Durrr unterhält den Nachbartisch. Nach Level 6 sieht es sehr schlecht für mich aus, ich habe nur noch 3.900 Chips und bin bei 100 Ante sowie 400-800 Limits in jeder Hand All-in gefährdet. An aggressives Spiel, Ante klauen sowie einigermaßen gute Starhände spielen ist sowieso schon lange nicht mehr zu denken.
Level 7: Es ist soweit. Mitte des Levels lande ich mit 3467 gegen zwei Gegner im All-in. Gegner eins hat 4 Karten auf die T, Gegner 2 (McEvoy!) zeigt 3567. Mirakulöserweise hält meine Hand, ich bekomme K9Q, was gegen McEvoy’s JT9 aufgrund des besseren Kickers (die 4 gegenüber die 5) gewinnt. Auch Gegner 2 kann sich nicht entscheidend verbessern. Ich halte wieder einen durchschnittlichen Chipstack.
McEvoy wird postwendend durch David Sklansky ersetzt. Wow! David Sklansky hat nicht nur 3 Bracelets gewonnen, sondern gilt als einer der führenden Theoretiker in der Pokerwelt. Unter anderem hat er das wohl einzige Werk zu Razz geschrieben. Gegen Sklansky Razz spielen ist für mich so, wie gegen Gott antreten. Leider bin ich in keine Hand mit ihm verwickelt. Level 7 beende ich mit einem durchschnittlichen Chip Stack.
Level 8: Famoser Start – ich verdoppele gleich zu Beginn des Level gegen einen Gegner, der wohl den permanenten Ante und Limit-Druck nicht mehr aushält und Amok läuft. Ich nutze das optimal aus und bekomme sogar ein Lob von Sklansky. Mehr Wasser! Zu dem Zeitpunkt befinde ich mich wahrscheinlich unter den besten 25 im Turnier.
Danach geht gar nichts mehr. Ich verliere ein paar Hände und bezahle ansonsten brav die Antes und Bring-ins. Das interessanteste in dem Level ist die Diskussion zwischen Barber und Sklansky über Poker, IQ-Test und amerikanische Politik, die direkt über meinem Kopf hinweggeht. Immerhin weiß ich jetzt, dass der nächste amerikanische Präsident vermutlich eher jüdisch als homosexuell oder muslimisch sin wird. Ach ja: es gibt ziemlich sichere Indizien dafür dass Hillary Clinton lesbisch ist (Sklansky!).
Tag 1 beende ich mit 12.500 Chips auf Rang 104 von noch verbliebenen 157 Spielern. Interessante Begegnung im Taxi, das ich zufällig mit Randy Holland, einem zweifachem Bracelet-Gewinner teile. Sehr netter Typ.
Fazit und Aussichten für heute: So wie der Tag gelaufen ist, bin ich natürlich sehr zufrieden mit dem Ergebnis und dass ich es in Tag zwei geschafft habe. Leider war ich jedoch nie in der Position, weiter vorne zu sein bzw. Druck ausüben zu können.
Heute werden 10 Levels gespielt oder bis ein Final Table mit 8 Spielern feststeht. 40 Spieler kommen ins Geld. Die Struktur bleibt kritisch, jedoch habe ich mit dem 10fachen des höchsten Limits ein bisschen mehr Spielraum als gestern wo ich bei 6 war. Die Tische werden neu gemischt und ich werde u.a. mit Laak, Rodawig und Suharto sowie dem Zweitem im Chipcount am Tisch sitzen. In die Preisränge zu rutschen wäre natürlich ein Traum, aber dafür muss ich gut spielen und viel Glück haben. Dass ich an den Final Table komme, ist dagegen so wahrscheinlich wie, dass mein Lieblingsklub nächste Saison mit neuem norwegischem Glatzentrainer deutscher Meister wird. Drückt mir die Daumen!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 27.06.2011.