Jan Gustafsson’s Name ist derzeit in aller Munde, sowohl in der Schach-, als auch in der Pokerszene. Bei der Europameisterschaft im Schach ist er Neunter geworden und hat sich für den World Cup qualifiziert. Zur gleichen Zeit ist sein gemeinsames Buch mit Marcel Luske “Poker für Gewinner” erschienen. Grund genug, ihm ein paar Fragen zu stellen. Das Interview für PokerOlymp.de führte Martin Voigt.
PokerOlymp: Worum geht es in dem Buch und für wen eignet es sich?
Jan: In dem Buch geht es um Limit Holdem, wie der (Unter-) Titel schon sagt. Die ersten ca. 80 Seiten sind eher an Anfänger gerichtet und erklären Regeln, Spielertypen, Pot Odds, Starthände etc. Danach wird es komplizierter. Wir haben versucht, die Postflop-Spielkonzepte so gründlich wie möglich abzudecken. Ich hoffe natürlich, dass jeder Limit Holdem Spieler aus dem Buch etwas Nützliches mitnimmt, aber primäre „Zielgruppe“ sind sicher neue Spieler und Fortgeschrittene, die mittlere Limits, etwa 2/4 oder 3/6, spielen und sich weiter verbessern wollen.
PokerOlymp: Wie war denn die Zusammenarbeit mit Marcel Luske? Fängt er in einer Besprechung auch mal spontan an zu singen?
Jan: Marcel ist natürlich sehr unterhaltsam und hat auch immer viel zu erzählen, auf Gesangseinlagen musste ich bei unseren Treffen aber (leider ?) verzichten. Lieber hat er Vorträge gehalten, wie viel Sport man machen muss, um mit 50 noch so gut auszusehen
PokerOlymp: Böse Zungen behaupten, Marcel Luske habe keine Ahnung von Limit Poker. Stimmt das?
Jan: Ich kannte Marcel vor unseren Treffen auch nur aus dem Fernsehen und war mir nicht sicher. Ich hab dann aber schnell gemerkt, dass er mehr ist, als nur ein Showmann und „Tourney-Donk“, sich sehr viel mit Poker und seinen Abarten beschäftigt und sehr analytisch an Hände herangeht. Er hat eindeutig Ahnung von Limit-Holdem, leider auch von Stud und Omaha, ab und zu hat er Beispiele aus diesen Spielen gebracht, die ich nicht wirklich kapiert hab. (Ich hab noch nie Stud gespielt.) Aber ich konnte definitiv was lernen von dem, was er erzählt hat, nicht nur über Spielsituationen, sondern auch über erfolgreiches Selbstmanagement als Poker Spieler, sprich Bankroll, (nicht) tilten, Gegner einschätzen und so fort. Er sieht auch viele Gesichtspunkte, über die ich noch nie nachgedacht hatte. Etwa mit 22 aus später Position zu callen, wenn viele vor einem callen, (so weit war’s mir auch klar), aber auch aus dem Grund, dass die ganzen Caller wohl kaum eine 2 halten und daher noch viele im Deck sein müssen. Gar nicht blöd!
PokerOlymp: Du hast Dich gerade bei der Schach-EM in Dresden für den World Cup qualifiziert. Herzlichen Glückwunsch dazu! War das Dein bisher größter Erfolg beim Schach?
Jan: Schwer zu sagen, vor ein paar Jahren hatte ich auch mal eine Phase, in der ich ganz gut gespielt habe und z. B. zweimal Deutscher Vizemeister war. Aber ich bin natürlich sehr zufrieden mit dem Ergebnis in Dresden, auch wenn ich am Ende den Spatz in der Hand (Qualifikation) genommen hab und sicher gespielt hab, statt zu zocken, um ganz nach oben zu kommen. Ich glaub aber, die Entscheidung war + EV
PokerOlymp: Was für Chancen rechnest Du Dir beim World Cup aus?
Jan: Naja, es ist in Sibirien, das Hauptziel ist erstmal, heil hin und wieder weg zu kommen. Mit Prognosen tue ich mich schwer, ich werde versuchen im Sommer ein bisschen zu trainieren und mich gut zu verkaufen. Ich muss den Modus auch noch mal genauer angucken, ich hab noch gar nicht begriffen, wie ich jetzt am schnellsten Weltmeister werden kann. Schau’n wir mal!
PokerOlymp: Du bist ein extrem guter Schachspieler, aber auch als Pokerspieler erfolgreich. Wo spielst Du?
Jan: Würde nur ungern Details sagen, auf welchen Seiten ich spiele. Wenn Limits gemeint sind: Ich spiele nur Cashgames, so gut wie keine Turniere. In letzter Zeit meistens 3/6, 5/10 oder 10/20 No Limit Holdem und ab und zu 10/20-30/60 Limit Holdem. PLO versuche ich gerade zu lernen, aber 4 Karten auf einmal sind schon viel.
PokerOlymp: Als was siehst Du Dich selbst? Eher als Schachprofi, als Profizocker oder als Buchautor?
Jan: Ich sehe mich als Spieler und natürlich als faulen Sack, der gerne ausschläft. Vom Lebensstil her kommen mir also beide Spiele entgegen.Poker ist im Moment lukrativer für mich als Schach, aber Schach ist natürlich das, was ich am Besten kann und seit Kindesbeinen an spiele. Im Moment versuche ich, zweigleisig zu fahren und mich sowohl im Schach als auch im Poker weiter zu verbessern. Schach musste die letzten Jahre doch etwas unter meinem neuen Hobby leiden.Als Autor sehe ich mich sicher nicht, viel zu viel Arbeit! Es ist zwar schön, ein Buch fertig zu kriegen und das Arbeiten hat natürlich auch ab und zu Spaß gemacht, aber auf Dauer wäre das nix für mich. Ich glaube zum Schreiben gehört auch ein bisschen was Masochistisches, sich immer wieder hinzusetzen und aufs leere Blatt zu starren.Das Schöne ist natürlich, dass man etwas produziert, was beim Poker oder beim Schach ja doch eher nicht der Fall ist.
PokerOlymp: Wo sind die Gegner leichter? Beim Poker oder beim Schach? Würde Marcel Luske noch ein guter Schachspieler werden können? Wie ist die Spielstärke beim World Cup mit der bei der WSOP zu vergleichen? Wirst Du an der WSOP teilnehmen?
Jan: Wo die Gegner leichter sind, ist schwer zu sagen. Im Schach würde ein mittelguter Spieler kaum regelmäßig gegen einen Großmeister spielen, schon gar nicht um Geld. Schließlich würde er jedes Mal verlieren.Im Poker aber geschieht ähnliches andauernd, und es geht auch darum, eben diese Gegner zu finden.Klar ist, dass es im Schach deutlich schwieriger ist, ein vernünftiges Niveau zu erreichen als im Poker. Wer sich ein halbes Jahr mit Schach beschäftigt, hat immer noch keine Ahnung, im Poker kann er dagegen schon ein solider Spieler sein.Ziemlich sicher bin ich aber, dass man in beiden Spielen nie auslernt und ständig an sich arbeiten muss, um am Ball zu bleiben.Natürlich glaube ich an Marcel, aber mir ist im Schach kein einziger Fall bekannt, in dem ein Spieler mit später als 20 angefangen hat und noch ein GM geworden ist. Wäre also etwas Neues!World Cup im Schach sind die 60 besten Spieler der Welt oder zumindest 60 der besten 200. Bei der WSOP sind die sicher auch da, aber dazu eben auch noch 10.000 nicht so gute Spieler. Vergleichbar ist es also eher mit einem großen offenen Schachturnier.Ich werde Anfang Juli nach Vegas fahren, wegen meiner Turnieraversion (und Ahnungslosigkeit) aber wohl eher nur Cashgames spielen und Urlaub machen.
PokerOlymp: Wie sieht der Tagesablauf eines pokerspielenden Schachgroßmeisters aus? Morgens 2 Stunden Bücher wälzen, dann leichtes Training gegen deep fritz, anschließendes Multi-Tabling zur Entspannung und abends noch ins Casino?
Jan: Nee nee, sind immer Phasen bei mir. Schach alleine zu trainieren ist eh hart und anstrengend, ich versuche eher regelmäßig Trainingssessions mit befreundeten Großmeistern zu machen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Sprich, ab und an arbeite ich dann ne Woche lang 10 Stunden am Tag Schach, tue dafür aber auch wieder wochenlang nichts. Bin nicht stolz drauf, aber das ist gängige Praxis für viele starke Spieler.Wenn ich also zuhause in Hamburg bin, ist Poker im Moment meine Priorität.Aber ein Drittel der Zeit bin ich ja auch unterwegs und spiele Schachturniere oder Ligen. In der Zeit pokere ich dann gar nicht. Sich auf Tilt ans Schachbrett zu setzen, weil man gerade so viel verzockt hat, wie der erste Preis im Turnier ist, klappt nicht besonders gut.
PokerOlymp: Welche Qualitäten unterscheiden bzw. vereinen gute Poker- und Schachspieler?
Jan: Sind natürlich beide hochintelligent, diszipliniert, fleißig und sportlich.Aber ernsthaft: Ich weiß es nicht, Menschen sind verschieden und verschiedene Schach- und Pokerspieler haben verschieden Ansätze, Stärken und Schwächen. Freude am Analysieren von Spielsituationen und Ehrgeiz hilft sicher bei beiden.Schach ist deutlich „gerechter“, sprich, der bessere gewinnt häufiger. Beim Poker ist emotionale Stabilität und eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber Geld daher deutlich wichtiger als beim Schach. Auch Psychologie und Gegner einschätzen können ist beim Poker wichtiger, da man ja gegen verschiedene Gegner unterschiedlich spielen sollte, sprich Cally McCall nicht den ganzen Tag bluffen etc. Beim Schach reicht es, korrekte Züge zu machen, egal gegen wen. Aber das ist auch schwer genug. Ansonsten entsprechen Schachspieler doch eher dem Klischee des weltfremden Analytikers, während viele (gute) Pokerspieler auch Zocker sind und den berühmten gamboool in sich tragen. Der ist beim Schach nicht so verbreitet.
PokerOlymp: Was sind Deine nächsten Ziele (Poker, Schach)?
Jan: Im Juni wollt ich nach Mallorca, mit meinem Kumpel Großmeister Vallejo ein bisschen Schach trainieren. Dann geht’s nach Vegas zur WSOP, von da aus weiter zu einem Schachturnier auf Curacao. Weiter kann ich nicht planen, aber im Herbst hab ich dann auch wieder viele Schachtermine, auch die Bundesliga geht los, Mannschafts-WM, Weltcup etc. Und zwischendurch wollte ich natürlich auch noch ein bisschen Pokern und mir angewöhnen, den 3-barrel-Bluff nur noch jede 3. Hand zu versuchen.
PokerOlymp: Viel Erfolg und danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview genommen hast.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 29.05.2007.