Ivan Demidov, Main-Event-Vize von 2008, und russischer Vorzeige-Poker-Pro, über die russische Regierung, Zoom-Poker, Moskau und Poker in Russland:
Unser Kollege Giovanni Angioni von PokerListings.com hat in London den russischen Poker-Pro Ivan Demidov zu einem Interview abgefangen. In dem etwas längeren Gespräch plaudert er über er über seine (kleinen) Erfolge beim Zoom-Poker, seinen Missmut über die russische Regierung und sein Leben nach dem 5-Millionen-Cash in Vegas.
» Vollständiges Interview mit Ivan Demidov, englisch – deutsche Übersetzung:
PokerListings : Die erste Frage kommt auf unser Interview mit Dir beim EPT-Grand-Final zurück. Dort hast Du gesagt, Du würdest mit Zoom-Poker anfangen, hattest aber noch keine brauchbaren Ergebnisse. Hat sich daran was geändert?
Ivan Demidov: Ja, ich mache inzwischen kleine Gewinne. Ich habe seit Monte-Carlo viel Erfahrung gesammelt. Ich habe eine Menge mit Software trainiert, um mein Spiel zu verbessern und um an meinen Ranges zu arbeiten. Das kostet zwar eine Menge Zeit, aber es ist sehr gewinnbringend, so vorzugehen.
PL: Software, welche Software?
ID: Größtenteils Cardrunners TV um verschiedene Situationen zu analysieren. Pokertracker nutze ich allerdings auch sehr umfangreich.
PL: In Monte Carlo hast Du Anfängern Zoom empfohlen. Glaubst Du immer noch, dass Zoom für Anfänger geeignet ist?
ID: Ja – für Anfänger, die es ernst meinen mit dem Online-Pokerspiel und die das irgendwann professionell machen wollen.
Als Online-Poker überhaupt rauskam, gab es einige sehr alte Live-Spieler mit 30 bis 40 Jahren Erfahrung. Dann kamen sehr junge Online-Spieler und in nur ein oder zwei Jahren hatten diese genauso viele, wenn nicht gar mehr Hände gespielt.
Genauso ist es mit Zoom: Du spielst mehr Hände als bei den normalen Ring-Games. Das ist besser zum Üben, man lernt schneller.
Ein Amateur, der nur zum Spaß spielt, hat vielleicht nicht sonderlich viel von Zoom, aber ansonsten kann man schon mit 30 Stunden pro Monat ein gutes Volumen spielen.
Ivan DemidovPL: Wie sieht es mit Online-Poker in Russland aus? Aus einer nicht-russischen Perspektive ist wohl die erste Frage: “Kann man überhaupt noch spielen?”
ID: Noch kann man spielen. Viele sind besorgt, weil das russische Parlament, die Duma, ein Gesetz erlassen will. Aber das wird wahrscheinlich keine Auswirkungen auf Poker haben, weil das Wort “Poker” dort gar nicht vorkommt. Das Gesetz ist gegen Online-Casinos und Online-Gambling, also nicht gegen Poker. Aber gut, ich würde sagen: zu 80% geht alles gut, zu 20% … nunja.
PL: Es sieht so aus, als hätte Russland eine merkwürdige Beziehung zu Poker. Man muss sich ja nur anschauen, wie es mit Live-Poker aussieht.
ID: Ja, das ist verboten.
PL: Warum?
ID: Da muss man nur verstehen, wie Dinge in Russland gemacht werden. Und zwar so: Irgendjemand ganz wichtiges mag Poker nicht, also wird es verboten. Das ist alles, eine weitere Erklärung gibt es nicht.
PL: Und dann gibt jeder einfach auf? Hat denn niemand was für die Legalisierung des Spiels getan?
ID: Eine Menge Leute haben etwas versucht, ich gehöre auch zu ihnen. Mit einigen Freunden habe ich eine Gemeinschaft gegründet, um mit der Regierung in Kontakt zu treten. Aber bislang ist noch nichts dabei rausgekommen.
Niemand im russischen Parlament will Verantwortung übernehmen, wenn es um Poker geht. Aber womöglich hilft ja die wirtschaftliche Lage der Situation – vielleicht will ja jemand das Spiel besteuern… Vielleicht wird sich die Lage bessern, aber zu 80% eher nicht.
PL: Als Online-Spieler muss Dein Rechner Dir doch heilig sein. Nachdem, was in Barcelona passiert ist – wie hältst Du Deinen Rechner sicher?
ID: Zunächst spiele ich nicht von Laptops. Wenn ich unterwegs bin, habe ich ohnehin keine Zeit zu spielen. Ich spiele Turniere, Side-Events, kommentiere den Live-Stream und gebe einige Interviews.
PL: Also kein Sprung zum Hotelzimmer nach dem Turnier, um online zu grinden?
ID: Nein, kein Online-Poker, wenn ich unterwegs bin. Und zu Hause habe ich einen Extra-Rechner, nur für Online-Poker. Auf dem surfe ich nichtmal. Ich hoffe, das ist sicher genug.
PL: Du kommst ja aus Moskau, einer der chaotischsten und teuersten Städte der Welt. Wie sehr haben sich dort die Dinge für Dich verändert nach Deinem großen Cash bei der WSOP?
Ivan DemidovID: Die größte Veränderung war, dass ich von den Außenbezirken in die Innenstadt gezogen bin. Vorher brauchte ich 45 Minuten U-Bahn, um Freunde zu treffen, oder um ins Kino zu gehen. Jetzt sind es 5. Ansonsten … nicht sehr viel, ich habe immer noch kein Auto.
PL: Vermutlich weil, Autofahren in Moskau einem Suizid-Versuch nahe kommen würde?
ID: Oh ja, wenn man nicht fahren muss, sollte man es lassen. Aber Moskau selbst hat sich sehr verändert seitdem ich so viel bei der WSOP gewonnen habe. Wir haben jetzt viele Restaurants und schöne Orte um auszugehen.
Ich hab vergleichsweise hohe Standards für Restaurants und ich erinnere mich, dass ich früher, wenn ich von einer Reise zurückkam, immer dachte: “Verdammt, ich weiß gar nicht, wo ich hier hingehen kann.” Jetzt ist das viel besser. Man kann das in etwa so zusammenfassen: Alles, was nicht vom Staat kontrolliert wird, wird viel, viel besser. In meiner Ecke zumindest.
Aber ich mag die Stadt trotzdem nicht: Zu viel Verkehr, keine Parks im Zentrum – solche Dinge. Manchmal bin ich in anderen europäischen Städten und alles ist so anders. Berlin zum Beispiel …
PL: Berlin ist schön, nicht wahr?
ID: Oh ja, aber ich bin es gewohnt, dass ich, wenn ich um 3 Uhr nachts irgendwo hinmöchte, alles offen ist. In Moskau ist das so, in Berlin, in ganz Europa, hat um die Zeit alles zu!
PL: Gut, angenommen, die 20% schlagen die 80% und Online-Poker wird in Russland verboten. Würdest Du wegziehen? Wenn ja, wohin?
ID: Ich würde auf jeden Fall wegziehen, wenn so etwas passiert. Ich würde vermutlich zunächst nach Kiew ziehen, weil das sehr naheliegend ist. Ansonsten vielleicht Kalifornien.
PL: USA? Wirklich?
ID: Warum nicht, wenn sie Poker legalisieren? Barcelona mag ich auch.
PL: Und da müsstest Du ausschließlich mit den spanischen Spielern spielen.
ID: Soweit ich weiß, gibt es Bemühungen, Italien und Spanien diesbezüglich in einen Topf zu werfen.
PL: Geschenktes Geld, oder?
ID: Ja, wahrscheinlich.
PL: Eine letzte Frage: Was hältst Du von der russischen Regierung und ihrer Haltung zu Homosexualität?
ID: Ich mag nicht, was die Regierung macht und ich hab bei einigen Kundgebungen teilgenommen. Ehrlich gesagt, die russische Politik deprimiert mich und das ist einer der Gründe, warum ich wegziehen könnte.
Ich sehe nicht, dass sich die Situation in Russland demnächst ändern wird. Ich hoffe noch und versuche, was zu tun. Aber ich sehe nicht, dass etwas passiert. Es kann also gut ein, dass ich Russland irgendwann den Rücken kehre.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.10.2013.