Im vergangenen Jahr brach er mit seinem Sieg beim 3.000-$-H.O.R.S.E.-Turnier den WSOP-Bann für Deutschland und sicherte sich selbst seinen ersten Weltmeistertitel. Nun stand Jens Vörtmann PokerOlymp im Interview Rede und Antwort und gab Auskunft über seine Ziele, die Millionenwette des Tom Dwan und manches mehr…
Jens, Du kommst gerade von den PokerOlymp Open 4 in Schenefeld. Was waren Deine Eindrücke?
Organisation, Turnierstruktur, Servicementalität der Dealer und Servicekräfte, Preis-Leistungsverhältnis, Cashgame-Angebot….. alles war top. Ich würde mir wünschen, dass es in Deutschland mehr derart gut organisierte Turnierveranstaltungen gibt. Für mich persönlich lief es nicht so doll. Ich hatte andere Termine und konnte daher nur zwei Tage bleiben und das 800er-Turnier mitspielen. Nach zwei Stunden und einem schlechtem Bluff befand ich mich schnell im Cashgame wieder. Aber dafür konnten die Organisatoren ja nix, sondern nur ich selbst.
Im Vorjahr hast Du bei der WSOP mit dem Gewinn im 3.000 $-H.O.R.S.E.-Turnier Deinen bisher größten Turniererfolg gefeiert. Wie hat sich dieser Triumph ausgewirkt?
Mal abgesehen davon, dass es ein nettes Preisgeld gab, hat sich vor allem die Wahrnehmung meiner Person geändert. Früher war ich nur Insidern der Live-Cashgame-Szene in Deutschland bekannt, mittlerweile interessieren sich auch die Poker-Presse und teilweise auch sonstige Medien für mich.
Lange Zeit hast Du Poker semiprofessionell gespielt. Würdest Du Dich heute als Pro bezeichnen?
Wenn Ihr unter „Pro“ „produktiv“ meint, dann würde ich mich auf jeden Fall als „Pro“ bezeichnen…
Du hast Dich beim Poker immer als Cashgame-Spezialist bezeichnet. Trifft dies immer noch zu oder hast Du Deinen Schwerpunkt mehr auf Turniere verlagert?
Ich bin immer noch vor allem Cashgame-Spieler und das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern. Mir macht es einfach mehr Spaß. Trotzdem bin ich bei Turnierveranstaltungen auch immer mal wieder am Tisch zu finden. Und bei der WSOP diesen Sommer werde ich wohl auch wieder ca. 10 Turniere spielen.
Du bist vor gut fünf Jahren vom Bridge zum Poker gekommen. Wie hat sich die Szene und das Spiel seitdem verändert? Was hältst Du vom Aufmarsch der jungen Generation?
Generell bereichert sie die Pokerszene und das blödeste an der jungen Generation ist, dass ich nicht mehr dazugehöre…Es sind viele, vor allem junge Spieler hinzugekommen, die spieltechnisch sehr stark sind und sich sehr viele Gedanken über das Spiel machen. Einige, die sich neben der Spieltechnik auch Gedanken über Bankroll- und Risikomanagement machen und sich vor negativen Swings entsprechend schützen, werden sicherlich auch in einigen Jahren noch in der Szene zu finden sein.Bei manchen jungen Spielern, die vom Internet ins Live-Spiel gewechselt sind, wünsche ich mir allerdings mehr Respekt und Pokeretikette. Was nützt es zum Beispiel, wenn man einem gutsituierten „Fish“ nach einem Bad Beat ungehalten vorhält, wie schlecht er against all odds gecallt hat. Entweder ist er verärgert und kommt nicht wieder oder er fängt an, über sein Spiel nachzudenken und sich zu verbessern. Beides ist nicht im Sinne des Erfinders.Auch sollten sich einige junge Spieler bewusst sein, dass sich Erfolg im Leben ganz bestimmt nicht nur über Poker definiert. Viele der Fische, die von einigen so belächelt werden, haben deutlich mehr erreicht und können sich das schlechte Pokerspiel schlichtweg leisten und spielen just for fun, weil sie im Leben erfolgreich waren. Poker-Profis können das nicht.
Als ehemaligem Bridge-Spieler sind Dir analytische Prozesse bestens bekannt. Was würdest Du einem aufstrebenden Spieler für Tipps geben, um beim Poker zu bestehen?
Über analytisches, strategisches Poker ist viel geschrieben worden. Dies ist auch unbestritten sehr wichtig und Grundvoraussetzung. Allerdings sollten sich einige Spieler mehr Gedanken über Bankroll-Management und Selbstdisziplin machen. Ich kenne unzählige Spieler, die eine Menge Talent haben und an 90 Prozent der Abende wirklich gut spielen. Wenn es aber einmal richtig schlecht läuft, „tilten“ sie und verspielen die ganzen Profite an einem Abend, an dem sie besser früh aufgehört hätten.
Wie sehen Deine Ziele in diesem Jahr aus? Abgesehen von mindestens einem weiteren Bracelet natürlich…
Privat einfach gesund und glücklich zu bleiben und vielleicht mein Gewicht mehr meiner Körpergröße anzupassen.Beim Poker ist die WSOP natürlich der Höhepunkt schlechthin. Ein zweites Bracelet wäre natürlich ein Traum, vor allem schon deshalb, weil Eddy Scharf dann mit seinen Frotzeleien wegen seiner zwei Bracelets aufhören müsste…
Vielleicht noch ein Wort zur Millionenwette des Tom Dwan. Was sagst Du zu diesem doch recht exaltierten Angebot, das die Vorstellungskraft der meisten Pokerspieler doch bei weitem sprengt?
Er ist in meinen Augen dass beste Beispiel für totalen Realitätsverlust, Unreife, Dämlichkeit und völlige Selbstüberschätzung, und zwar unabhängig davon, ob er die Wette gewinnt oder verliert.Er hat durch ein außerordentliches Pokertalent verbunden mit (zuviel?) Risikobereitschaft ein sehr nettes Vermögen angehäuft, mit dem es sich glücklich und zufrieden leben ließe. Allerdings hat er anscheinend jeden Bezug zum Geld verloren.Selbst wenn er gegen Spieler wie Phil Ivey und Patrick Antonius einen Vorteil haben sollte (was man zumindest in Zweifel ziehen kann), bleiben diese beiden Spieler dennoch so stark, dass jederzeit eine blutige Niederlage möglich ist. Er riskiert also zumindest einen Großteil, wenn nicht sogar seine ganze Bankroll, nur um sein anscheinend unterentwickeltes Ego zu beweisen. Und er wäre nicht der erste, der sich „mit plus-EV in den Bankrott gespielt hat“.
Vielen Dank, Jens!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.02.2009.